Roß & Reiter Internet in Deutschland Teil 2
Stand: 14.8.2004 (24. Ed.)
File: Internet/Ross_und_Reiter2.html
1.9.1999 (t-off). Es gibt sie, die Wissenschaftler, Wirtschaftsbosse und
manche Politiker mit Durch- und Weitblick, die sich um die Förderung
des Internets in Deutschland bemüht haben. Wie wir heute wissen, war
aber bislang deren berechtigte Kritik nicht von Erfolg gekrönt. Denn
die wenig weitsichtige Bonner Politik hat de facto echten
Telekommunikationswettbewerb nur für Ferngespräche
installiert, nicht aber für den für die Volkswirtschaft viel
wichtigeren Zugang zum Internet (Weltwissensnetz).
Deutsche Politiker, die die Entwicklung des Internet in Deutschland wirklich
gefördert haben oder dies versuchten, gibt es eigentlich kaum. Zwar stehen mit
dem Bereich des Internet auch zentrale Themenbereiche wie Datenschutz oder
Kryptographie in engem Zusammenenhang, die von Abgeordneten einzelner Parteien
besetzt wurden. Vergleichsweise prominente Namen sind hier etwa
Jörg Tauss (SPD) oder Manuel
Kiper (BündnisGrüne). Das Problem hoher, zeitabhängiger Internet-
Zugangskosten, was letzendlich eine Kernfrage der (De-) Regulierung des deutschen
Telekom-Marktes ist, wurde aber weder von diesen Politikern, noch in den Programmen
der im Bundestag vertretenen Parteien nennenswert aufgegriffen.
Grundsätzlich unberücksichtigt bleiben an dieser Stelle gelegentliche
Forderungen nach günstigeren Netzzugangstarifen, die sehr zaghaft und wenig
nachhaltig wirken. Beispiele:
CDU Saar,
Reinhard Klimmt (SPD),
Edmund Stoiber (CSU). Die Ernsthaftigkeit
dieser nur sehr gelegentlich geäußerten Forderungen vergleiche man mit
dem Einsatz und Engagement, mit dem viele andere politische Themenbereiche von den
Parteien im Rahmen von Kampagnen in die Medien gebracht werden (Paradebeispiel:
Doppelte Staatsbürgerschaft). Es ist leicht, im Redetext zur Eröffnung
einer Messe, mal schnell bessere Rahmenbedingungen zur Internet- Nutzung zu fordern.
Es spricht dagegen für sich selber, daß in Deutschland jedweder
politischer Druck fehlt, die Telekom zur
(vollständigen) Trennung von ihrer TV-Kabelsparte zu bewegen.
Nach neuesten Markterhebungen beläuft sich die Zahl deutsche Internet- Nutzer
inzwischen auf mehr als 9 Millionen. Umfragen von Marktforschungen (z. B. W3B)
belegen, daß die Masse der Nutzer vor allem die hohen Telefonkosten als sehr
großes Ärgernis auffaßt. Erstaunlich ist insbesondere, daß
speziell die kleinen Parteien, für die die 5 % Hürde oft ein Hindernis
darstellt, offenbar nicht in dieser Frage punkten wollen.
Der kompetente und agile EU-Wettbewerbskommissar hat immer wieder versucht, in
Deutschland Infrastruktur- Wettbewerb bei der Telekommunikation anzustoßen
(Stichwort: TV-Kabelnetz), aber die
Telekom trickste weg.
Die EU-Kommission überwacht den gesamten Liberalisierungsprozeß in den
Mitgliedsstaaten. Und wenn dort kein Wettbewerb in Gang kommt, kann sie das
Verfahren jederzeit an sich ziehen. Angesichts der aktuellen Entwicklung
beim TV-Kabelnetz (Die Spinne bleibt im
Netz) wird von Marktbeobachtern erwartet, daß die neue EU-Kommission
ab Herbst 1999 in den deutschen Telekommunikationsmarkt eingreifen wird, um
bundesweiten Ortsnetzwettbewerb zu ermöglichen.
In seinem 1998 erschienenen Buchbeitrag
Über die verfehlte deutsche
Internet- Entwicklung zeigt der Informatik- Professor auf, daß in
Deutschland seit 1982 auf allen Ebenen bei der bundesweiten Computer-
Vernetzung (Internet) eine so ziemlich verfehlte Entwicklung abgelaufen ist.
Internet spielt eine immer wichtigere Rolle in Deutschland, aber
Deutschland spielt überhaupt keine Rolle im weltweiten Internet
außer als Markt für ausländische Produkte und
Dienstleistungen, schreibt Prof. Zorn im Juni 1997 in den
VDI-Nachrichten. Die Deutschen wollten zunächst das Rad noch einmal erfinden.
Dabei war aber seit 1984 klar, daß sich die pfiffigen Internet- Normen
(TCP/IP,
SMTP, usw.) weltweit
durchsetzen werden.