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Die Telekommunikation im SPIEGEL – Teil 22 khd
Stand:  4.9.2000   (38. Ed.)  –  File: Spiegel/22.html




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  • Neuere SPIEGEL-Berichte   (23. Teil).
  • 21.08.2000: Interview mit Telekom-Chef Ron Sommer.
  • 19.08.2000: Telekom-Chef Ron Sommer rechnet mit Fusionswelle auf dem Handy-Markt.
  • 19.08.2000: UMTS-Einnahmen teilweise für Steuersenkungen einsetzen.
  • 18.08.2000: British Telecom und AT&T in "privaten Gesprächen".
  • 17.08.2000: UMTS: Milliardenschwere Hypothek.
  • 16.08.2000: WiMi Müller hat keine Lust mehr.
  • 16.08.2000: France Télécom will angeblich Arcor übernehmen.
  • 14.08.2000: TV-Kabel: Zitterpartie in Hessen.
  • 12.08.2000: ZDF kooperiert bei "Gesundheit" eng mit der Pharma-Industrie.
  • 12.08.2000: Staatsanwaltschaft Bonn auf der Spur der anonymen Kohl-Spender. (Leo Kirch?)
  • 07.08.2000: Ein reicher Mann aus Hongkong will deutsche UMTS-Lizenzen.
  • 04.08.2000: Surfsteuer kommt angeblich doch.
  • 31.07.2000: Internet: Wettlauf der Wähler. (Merkwürdige Wahlen zur Internet-Regierung)
  • 31.07.2000: Mobilfunk: Düsentrieb aus Ochtersum. (Bluff oder Alternative zum UMTS?)
  • 31.07.2000: Telekom-Aktien: Böse Überraschung.
  • 31.07.2000: Mobilfunk: Milliardenpoker im Internet. (UMTS-Auktion)
  • 28.07.2000: Schüler erfindet billige Alternative zu UMTS.
  • Ältere SPIEGEL-Berichte   (21. Teil).



    Schüler erfindet billige Alternative zu UMTS

    Mobilfunkbetreiber bieten momentan Milliarden, um den neuen Mobilfunkstandard UMTS im Jahr 2003 einführen zu können. Das wäre alles viel leichter und schneller zu haben, wie der Schüler Sascha Sebastian Haenel herausgefunden hat.

    Aus:
    Spiegel Online – 28. Juli 2000, 23.21 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    HAMBURG. Die Juroren von "Jugend forscht" wollten es zunächst nicht glauben. Der Juror Gregor Tychran, Techniklehrer an der Bergischen Universität Wuppertal, und fünf weitere Professoren reisten nach Hildesheim, um das Wunderwerk zu besichtigen. Der 18-jährige Schüler Haenel wollte ihnen weismachen, dass er auf seinem Handy Daten mit 448 Kilobit pro Sekunde empfangen kann. Das wäre das Zehn- bis Fünfzigfache der herkömmlichen Übertragungsraten und damit ähnlich schnell wie der zukünftige UMTS-Standard. Haenel schaffte es, die Juroren zu überzeugen und wurde dafür im Mai mit dem Technik-Preis von "Jugend forscht" ausgezeichnet.

    Wie sich langsam herausstellt, ist die Idee von Haenel mehr als nur die Meisterleistung eines findigen Schülers. Sie funktioniert nämlich nicht nur, sie wäre sogar viel einfacher zu haben als die teure UMTS-Technologie. Haenel gelingt der Turboeffekt einer einfachen Neuprogrammierung des Übertragungsprotokolls. Ein Handy mit seiner Software empfängt die Daten nämlich ohne die sonst üblichen Pausen, nutzt also jede Millisekunde zur Übertragung. Um ein Handy aufzurüsten, müsste nur ein kleiner Chip ausgetauscht werden, die Kosten dafür bewegen sich im Pfennigbereich.

    Und es kommt noch besser: Haenel hat ein kleines Programm dazugepackt, dass es dem Handy ermöglicht, seine eigene Position genau zu bestimmen. Es wäre also sehr leicht möglich, jedes Handy zu einem mobilen Navigationssystem zu machen. Das Global Positioning System (GPS), das bisher die elektronische Navigation beispielsweise im Auto ermöglichte, wäre überflüssig.

    Unverständlich ist es daher, das die Ideen von Haenel nicht schon längst von den Herstellern aufgegriffen wurden. "Unser Preisträger macht die typisch deutsche Erfahrung, wegen seines Alters nicht für voll genommen zu werden", ärgert sich Juror Tyrchan. Bei Siemens wurde ihm angeboten, sich als Mitarbeiter zu bewerben. Erst als er eine eigene Firma gegründet hatte, ließ man ihn wegen seiner Erfindung überhaupt vorsprechen. Bei Nokia schien man die Zeichen der Zeit besser erkannt zu haben. Hier soll es bereits erste Verhandlungen mit Haenel gegeben haben, allerdings ohne greifbare Ergebnisse. Tyrchan befürchtet, dass "wieder einmal eine Idee in Deutschland geboren wird, ihr Potenzial aber nur im Ausland erkannt und vermarktet wird".

    Handyherstellern und Mobilfunkbetreibern ist die Haenel-Idee eher ein Dorn im Auge, denn sie erhoffen sich von UMTS ein riesiges Geschäft. Den Herstellern könnten hohe Einnahmen verloren gehen, wenn plötzlich die UMTS-Technologie nicht mehr gefragt ist. Die Betreiber wollen den Haenel-Chip nicht, weil ihr Umsatz dadurch geschmälert werden könnte. "Bei schnelleren Verbindungen würden die Telekommunikationskonzerne weniger Telefongebühren kassieren, darum verschleppen sie den Fortschritt", sagte Haenel dem "Stern" bei der Preisverleihung von "Jugend forscht".

    Einen Haken gibt es jedoch bei dem Geniestreich des Schülers aus Hildesheim. Das derzeitige deutsche Mobilfunknetz hätte nicht die Kapazität, sehr viele von diesen superschnellen Handys zu bedienen. Um das Turbo-Handy am Markt einzuführen, müsste die Bandbreite im Mobilfunk stark erhöht werden. Das wiederum würde neue Frequenzen erfordern, wie sie ab Montag vom Bund versteigert werden. Dennoch ist es gut möglich, dass die ersten Handys, die diese Frequenzen nutzen, einen Haenel-Chip in sich tragen. [mehr] [Kommentar]

    [13.08.2000 (Heise-Online): Das Haenel-Handy ist eine Medien-Ente]



    Mobilfunk: Milliardenpoker im Internet

    Aus:
    Der Spiegel – 31/2000, 31. Juli 2000, Seite 69 (Trends).

    In Echtzeit können die Bundesbürger in dieser Woche miterleben, wie sich die Taschen von Finanzminister Hans Eichel füllen: Mit umfangreichen Tabellen und einer Live- Kamera sorgt die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post [RegTP] dafür, dass sich Internet-Nutzer stets über den jeweils letzten Stand der teuersten Auktion, die jemals in Deutschland stattgefunden hat, informieren können [Ed: wenn nicht gerade die RegTP-Server abgestürzt sind].

    Ein Milliardenbetrag würde zusammenkommen, wenn die Unterhändler von 7 Telekommunikationsfirmen von heute an in einer ehemaligen US-Kaserne [in Mainz] um die Frequenzblöcke für die nächste Mobilfunkgeneration (UMTS) feilschen. Dabei sollen ein kompliziertes mehrstufiges Verfahren und die ständige Aufsicht eines Behördenmitarbeiters dafür sorgen, dass sich die Bieter nicht absprechen können. Vielleicht nur wenige Tage, womöglich aber mehrere Wochen wird sich die Auktion hinziehen, selbst zum Mittagessen dürfen die Bieter die Räume nicht verlassen.

    Am Ende werden 4 bis 6 Firmen mit einer Lizenz nach Hause gehen. Rechneten Branchenkenner im Frühjahr, als die UMTS-Versteigerung in London mit einem Gesamterlös von 75 Milliarden Mark alle Prognosen weit übertraf, mit Staatseinnahmen bis zu 120 Milliarden Mark, so sind nun die Erwartungen deutlich bescheidener. 5 der ursprünglich 12 Bieter sind inzwischen abgesprungen.

    Eichels Planungen bringt das aber noch nicht zu Fall, da er stets vorsichtig mit Zusatzeinnahmen von 20 Milliarden Mark gerechnet hat. Das Geld soll nach jetziger Planung vor allem zur Schuldentilgung verwendet werden. Eichels Beamte erwarten, dass der Bund so rund 1 Milliarde Mark an Zinsen pro Jahr einsparen kann. [Kommentar]

    [25.02.1998: Neue Norm für Handys – Deutsche Digital-Technik war nicht gefragt]  (t-off)
    [28.08.1999: Am Konsumenten vorbei – Industrie setzt mit mobilem Internet falsche Priorität]  (t-off)
    [25.05.2000: Luft unterm Hammer]  (DIE ZEIT)
    [26.07.2000: Consumers Don't Want Wireless Web — Yet]  (Forrester-Report)



    Telekom-Aktien: Böse Überraschung

    Aus:
    Der Spiegel – 31/2000, 31. Juli 2000, Seite 71 (Geld).

    Damit hatte Telekom-Chef Ron Sommer nicht gerechnet. Monatelang hatten ihn die Analysten bedrängt, endlich die seit langem versprochene Akquisition in den USA vorzuweisen. Als Sommer dann am Montag vergangener Woche die Übernahme des Mobilfunkanbieters VoiceStream offiziell bekannt gab, stürzte die Telekom- Aktie: Erst unter 50 Euro war der Kursrutsch zu Ende [Ed: inzwischen bei 46 Euro]. Vor allem Privatanleger, die das Papier bei der jüngsten Staatsemission für 63,50 Euro erworben hatten, waren verschreckt. Seit dem Börsengang waren die Zeichner an Kursgewinne gewohnt.

    Inzwischen ist bei vielen Analysten der Schock über den enorm hohen Kaufpreis von 106 Milliarden Mark verflogen. Der kleinen US-Firma komme „ein bedeutender strategischer Wert zu“ [Ed: etwa als ein Test für die Akzeptanz der Telekom in den USA?], urteilt das Investmenthaus Lehmann Brothers und stuft die Telekom deshalb weiterhin als „Outperformer“ ein. Andere Analysten, etwa bei Merrill Lynch oder Merck Finck, sind vorsichtiger und sehen in Sommers Telekom zurzeit nur noch ein Investment für langfristig orientierte Anleger. (...)



    Mobilfunk: Düsentrieb aus Ochtersum

    Ein Schüler hat eine Alternative zur Milliarden Mark teuren UMTS-Technologie entwickelt. Sie ist billiger und flächendeckend einsetzbar.

    Aus: Der Spiegel – 31/2000, 31. Juli 2000, Seite 83 (Wirtschaft).

    Als seine Schulkameraden den Computer gerade entdeckten, bekam Sascha Sebastian Haenel bereits Post vom Bundesinnenminister. Der 14-Jährige hatte an seinem Heim-PC einen Verschlüsselungsalgorithmus für Textverarbeitungssysteme ausgetüftelt und ins Internet gestellt. Das Schreibschutzprogramm war so perfekt, dass die Staatsschützer es nicht knacken konnten. Ungewollt hatte der Gymnasiast aus Hildesheim damit gegen das deutsche Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen. Haenel musste sein geniales Programm vernichten.

    Vier Jahre später ist die Regierung weitaus netter. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn umgarnt den Jungen, Kanzler Gerhard Schröder lud zum Empfang. Er fachsimpelte mit Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber, der Bundespräsident ehrte ihn. Denn der schlaksige Hobbytüftler aus Ochtersum, einem Vorort von Hildesheim, hat geschafft, woran sich die Forschungsstäbe von Nokia, Ericsson und Motorola bislang vergebens versuchen: die Datenübertragung in Handy- Netzen preiswert zu beschleunigen.

    Während an diesem Montag internationale Telefonfirmen Milliarden bieten, um die von der Bundesregierung versteigerten UMTS- Lizenzen zu bekommen, die einen deutlich schnelleren Datenfluss ermöglichen, ist Haenel schon weiter: Nur 18 Sekunden braucht sein frisiertes Handy, um mit 448 Kilobit pro Sekunde ein Megabyte-Bild aus dem Internet zu laden. Beim derzeitigen Tempo im Handy- Netz würde die Übertragung quälende 14 Minuten dauern.

    Wettlauf der Systeme
    Quelle: SPIEGEL – 31.7.2000, ergänzt um die dort fehlenden Systeme.
    Verfahren Transferrate
    bis zu
    Übertragungszeit
    für 1 MByte
     1)
    Anm.
    GSM-Handy 9,6 kBit/s 853,3 s  
    HSCSD-Handy 56 kBit/s 146,3 s  
    ISDN-Leitung 64 kBit/s 128,0 s  
    GPRS-Handy 128 kBit/s 64,0 s  
    UMTS-Handy 384 kBit/s 21,3 s 2)
    Haenel-Handy 448 kBit/s 18,3 s Eine Legende!
    UMTS-Handy (um 2005?) 2048 kBit/s 4,0 s 2)
    1) Dabei wird angenommen, daß es keine Wartezeiten ag. von Netz-Engpässen gibt.
    2) Die erwartete Standardrate. Auf dem Papier soll UMTS später bis zu 2048 kBit/s leisten.

    Haenels Erfindung könnte die Mobilfunkbranche revolutionieren. Denn im Unterschied zur UMTS- Technologie, die erst in einigen Jahren in wenigen Ballungszentren aufgebaut werden soll, basiert seine Technik auf dem GSM- Netz, das in 153 Ländern und Regionen der Erde verbreitet ist: keine großen Investitionen, keine neue Technik, lediglich das Handy muss anders programmiert werden. Nachdem Haenel neulich auf einem Kongress für Telekommunikation mit Zahnspange und im schwarzen Anzug vor deutschen IT-Managern referiert hatte, nahm ihn ein Siemens- Manager zur Seite: „Was Hunderte von Leuten in unseren Entwicklungsabteilungen nicht geschafft haben, das haben Sie ganz allein rausbekommen.“

    „Mobiler DECT/GSM/GPS- Multicontroller“ lautet der Name seiner bahnbrechenden Erfindung, mit der er zum zweiten Mal nach 1999 den ersten Preis bei „Jugend forscht“ gewann. Nebenbei räumte er den Preis des Bundespräsidenten für die zukunftsweisende technische Arbeit ab. Hinter dem kryptischen Namen verbirgt sich die von Haenel entwickelte Übertragungs- Software HBCDC, mit deren Hilfe Datenpakete 500-mal schneller übertragen werden können als bisher. Ganz nebenbei kann man so mit dem Handy auch den eigenen Standort bestimmen. Das teure Satellitennavigationssystem GPS ist damit überflüssig.

    (...)

    Mit Siemens verhandelt er derzeit über den Bau seines Handy- Prototyps. Bald möchte er in seiner Firma ITeco die ersten Mitarbeiter einstellen und in einer alten Kaserne in Hildesheim seine zahllosen Projekte umsetzen. Auch einen Gang an die Börse kann er sich vorstellen, sollte seine Multimedia- Firma gut laufen. Drei Anwälte sind inzwischen damit beschäftigt, seine Ideen zu patentieren: „Ich muss höllisch aufpassen, von den Firmen nicht über den Tisch gezogen zu werden. Viele wollen nur meine Ideen klauen.“

    [SPIEGEL-Online Interview mit Sebastian Haenel: UMTS-Alternative bis zum Jahresende]

    3.8.2000 (t-off). Hm, sollte das alles ein Riesen-Bluff sein? Wie kann es denn sein, daß über einen GSM-Kanal Daten 500-mal schneller als mit 9,6 kBit/s übertragen werden können? Das würde ja die stolze Übertragungsrate von 4,8 MBit/s ergeben. Oder hat Der Spiegel sich bei dem Zahlenfaktor verirrt? Und das soll alles dann auch nur durch ein simples Umprogrammieren des Handys möglich gewesen sein?

    [04.08.2000 (Heise-Online): Angebliche UMTS-Alternative gibt Rätsel auf]
    [13.08.2000 (Heise-Online): Das Haenel-Handy ist eine Medien-Ente]



    Internet: Wettlauf der Wähler

    Die Online-Wahlen zur Internet-Selbstverwaltung sorgen für Streit: Die Hüter des Netzes wollen unter sich bleiben.

    Aus:
    Der Spiegel – 31/2000, 31. Juli 2000, Seite 198–199 (Technik) von HARALD SCHUMANN. [Original]

    Andrew McLaughlin zählt sonst eher zu den smarten Typen. Souverän gestaltet er seine Vorträge, gewandt begegnet er kritischen Fragern. Doch wenn der 30-jährige Harvard-Jurist über seinen derzeitigen Job spricht, kann er seinen Zorn nur schwer verbergen. "Die Medien berichten unverantwortlich", zürnt er. Tausende würden "in die Irre geführt". Und nun müsse er sich noch mit "Fragen des Nationalstolzes" in den Ländern Asiens herumschlagen.

    McLaughlins Ärger ist verständlich, aber selbst verschuldet. Denn er ist leitender Manager bei ICANN ("Internet Corporation for Assigned Names and Numbers") – jener privaten Organisation, die das zentrale Melderegister des Internet verwaltet. Das macht ihn zum Herrn über ein historisches Experiment: Vom 1. bis 10. Oktober dieses Jahres sollen Internet-Nutzer aus aller Welt 5 der 18 ICANN- Vorstandsmitglieder per E-Mail in direkter Wahl bestimmen. Erstmals wagt damit eine transnationale Institution den Aufbruch in die globale digitale Demokratie.

    Doch weil es für Wahlen dieser Art keine Vorbilder gibt, ist eine Debatte über die korrekte Wahlprozedur entbrannt. "Das Misstrauen gegen mögliche Kungeleien wächst fortwährend", beklagt Christian Ahlert, freiwilliger ICANN- Wahlhelfer für die Region Europa.

    Vordergründig hat ICANN nur eine rein technische Aufgabe. Die private Organisation, eingetragen als gemeinnützige Gesellschaft im kalifornischen Marina del Rey, trägt die Verantwortung für die Registrierung und Verwaltung aller Adressen im Internet. Doch diese Funktion ist weit wichtiger, als sie scheint. Damit E-Mails ihre Adressaten und Netz- Surfer die angewählten Seiten finden, müssen die vielen tausend Netzrechner, aus denen das Internet besteht, stets über dieselben Informationen darüber verfügen, welche Adresse zu welchem Computer gehört. Der wichtigste Teil dieser Daten ist im so genannten Authoritative Root Server gespeichert, der von den ICANN-Technikern gesteuert wird. Von dort beziehen alle übrigen Netzserver die nötigen Informationen.

    Die Autorität über dieses Datenherz des Internet verleiht ICANN potenziell erhebliche Macht. Allein über die Eintragung im Root Server erhalten Staaten, Firmen und Organisationen ihr Existenzrecht im Cyberspace. Um das Netz technisch umzugestalten – etwa zur Bekämpfung von Copyright-Brüchen –, könnte die Verfügung über diese Datenbasis darum durchaus als Machtmittel eingesetzt werden. Schnell machten daher Befürchtungen wie die des US-Jura-Professors David Post die Runde, ICANN werde zu einer Art Weltregierung des Internet aufsteigen.

    Um Ängste vor Missbrauch zu zerstreuen, erzwang die US-Regierung, dass die Leitung der Organisation zumindest in Teilen auch demokratisch legitimiert sein sollte. Nicht ganz freiwillig etablierten daraufhin die vorläufig eingesetzten ICANN- Manager unter ihrer Vorsitzenden, der Internet- Unternehmerin Esther Dyson, ein höchst kompliziertes System zur Bestellung des Direktoriums.

    Die Hälfte der insgesamt 18 Mitglieder rekrutiert sich nun aus drei Unterorganisationen, in denen die interessierte Industrie und die Techniker- Gemeinde organisiert sind. Weitere 9 Direktoren sollen daneben per E-Mail-Wahl von gewöhnlichen Netzbürgern bestimmt werden. Wahlberechtigt ist jeder über 16 Jahre, der sich mit einer überprüfbaren E-Mail- und Postadresse zuvor hat registrieren lassen.

    Offenbar plagten den verschworenen Kreis der Netzhüter aber von Beginn an schlimme Zweifel, wen das gemeine Internet- Volk ihnen da ins Nest setzen könnte. Darum beschlossen sie, dass vorerst nur fünf Direktoren gewählt werden, je einer für die Kontinente Europa, Asien, Afrika sowie Nord- und Südamerika – als eine Art Testlauf für die Mündigkeit des Wahlvolks. Anschließend soll eine Studie klären, ob sich das Verfahren als tauglich erwiesen hat, eine ausgewogene Besetzung des Gremiums herbeizuführen. Ob der Wahlgang für die restlichen vier Direktoren je stattfinden wird, ist offen.

    "Unsere größte Sorge ist, dass eine wirtschaftliche oder politische Interessengruppe zu viel Einfluss gewinnt", rechtfertigt der niederländische Telekom- Manager und ICANN- Direktor Hans Kraaijenbrink die Bevormundung der Wähler. ICANN sei keine Netz- Regierung, sondern nur "eine Selbstregulierungs- Instanz der Industrie". Doch je tiefer die ICANN-Manager die Wahl hängten, umso höher stieg die Aufmerksamkeit anderswo. Zunächst machten in Deutschland SPIEGEL-Online, "Die Zeit", das ZDF und das Fachblatt "c't" für die Eintragung ins Wahlregister mobil – mit der Folge, dass die Deutschen mit über 17.000 ICANN- Mitgliedern derzeit zwei Drittel des Wahlvolks der Region Europa stellen. Europa- Direktor kann somit wohl nur werden, wer bei deutschen Netzbürgern hinreichend bekannt ist.

    Ähnliches bahnte sich in Asien an, als in Japan Regierung und Internet-Industrie gemeinsam einen Wähleraufruf starteten und über 30.000 japanische Internet- Nutzer ihnen folgten. Das wiederum provozierte einen nationalistisch gefärbten Wettlauf mit Korea, Taiwan und China. Pekings Kommunisten seien "ernstlich besorgt", die japanische Offensive könnte "Chinas Einfluss auf die künftige Verwaltung des Internet schwächen", berichtete China-Online. Mittlerweile sind auch knapp 30.000 Chinesen ICANN-Mitglieder.

    Der Ansturm aus Asien legte den ICANN- Anmelde-Rechner zwei Wochen lang lahm und sorgte für böses Blut. Tausende bemühten sich vergeblich um die Registrierung. Trotzdem mochten die ICANN-Lenker die Anmeldefrist nicht über den angesetzten Termin am Montag dieser Woche ausdehnen. Weil die Organisation bislang nur aus Stiftungsgeldern finanziert werde, beteuert McLaughlin, gebe es nicht genug Geld, um mehr als den bereits registrierten 150.000 Wählern die Post mit ihrer persönlichen Code- Nummer für den Wahlvorgang zuzusenden.

    Noch umstrittener ist die Kandidatenauswahl. Pro Region dürfen maximal sieben Personen kandidieren. Bis zu vier davon werden von einem Nominierungskomitee bestimmt, das sich die bisherigen Direktoren selbst ausgesucht haben. Kandidaten ohne das Prüfsiegel müssen von dieser Woche an auf der ICANN- Website um Unterstützung von mindestens 2 Prozent der Wähler werben, um ebenfalls auf die Kandidatenliste zu gelangen.

    Aussichtsreichster deutscher Bewerber ist bislang Andy Müller-Maguhn, Sprecher des Chaos Computer Club und kenntnisreicher Verfechter der bisherigen egalitären und wenig regulierten Netzstruktur, "die allen Nutzern gleiche Rechte einräumt". Gewinnt er die Wahl, wird er zumindest mit dem bisherigen ICANN- Wahlmanager gut auskommen. McLaughlin versichert: "Genau das wollen wir auch."

    [31.07.2000: ICANN at-large membership registration exceeds 158,000 Internet users worldwide]
    [02.08.2000: ICANN-Wahlen – The Nominees are...]
    [02.08.2000: Ein Telekom-Kandidat für das Direktorium der Internet-Verwaltung]
    [04.08.2000: Protest gegen die Bedingungen zur Wahl einer weltweiten Internet-Regierung]
    [08.08.2000: Neue Verwirrung um deutsche ICANN-Kandidaten]
    [09.08.2000: Telekom-Schüller? Nein danke!]  (DIE WELT)



    Internet: Surfsteuer kommt angeblich doch

    Länder brauchen Geld: Die Pläne für eine Besteuerung von privatem Surfen am Arbeitsplatz sind offenbar doch noch nicht vom Tisch. Das Bundesfinanzministerium plant eine derartige Vorschrift, die im nächsten Jahr in Kraft treten soll.

    Aus:
    Spiegel Online – 4. August 2000, 16.49 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    HAMBURG. Laut eines Sprechers des Ministeriums soll am 1. Januar 2001 ein Gesetz in Kraft treten, das Angestellte in Unternehmen dazu verpflichten soll, Mehrkosten zu versteuern, die durch privates Surfen am Arbeitsplatz entstehen. Allerdings fielen, so der Sprecher Torsten Albig, 99 Prozent aller Fälle unter die Toleranzgrenze eines Betrages von 50 Mark im Monat. Das berichtete die "Financial Times Deutschland" in ihrer Freitagsausgabe [4.8.2000].

    Arbeitnehmer an Unternehmen, die mit einer Internet-Standleitung ausgerüstet sind, wären von dieser Neuregelung auch nicht betroffen. Sie verursachten ihrem Arbeitgeber durch die Nutzung des Internets zu Privatzwecken schließlich keine Mehrkosten.

    Im Juli hieß es noch, Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) wolle eine derartige Internet- Steuer möglichst verhindern. Sein Sprecher Albig betonte jetzt, man wolle der notwendigen Durchsetzung des Internets in der heutigen Wirtschaft nicht durch kleinliche Vorschriften Steine in den Weg legen.

    Jedoch hätten die Finanzminister der Länder eine Abgabe auf private Internet- Nutzung am Arbeitsplatz aus "steuersystematischen Gründen" gefordert. Die Bundesregierung werde sich jetzt bemühen, gemeinsam mit den Ländern eine praxisgerechte Lösung zu erarbeiten.

    Die jetzige Form des so genannten Telefonkostenerlasses, die im April dieses Jahres erarbeitet wurde, soll möglicherweise schon im September von den Referatsleitern Einkommensteuer aus den Finanzministerien in Bund und Ländern überarbeitet und nachgebessert werden. [mehr]



    Ein reicher Mann aus Hongkong will deutsche UMTS-Lizenzen

    Aus:
    Spiegel-Pressemeldung – 5. August 2000, 10.49 Uhr zum Artikel "Supermann & Söhne" im SPIEGEL – 32/2000, 7. August 2000, Seite 74–80 (Wirtschaft).

    HAMBURG. Der Hongkonger Tycoon Li Ka-shing ist fest entschlossen, sich bei der Versteigerung in Mainz mindestens zwei der deutschen Handy- Frequenzen zu sichern. "Deutschland mit seinen UMTS- Lizenzen ist für uns von zentraler Bedeutung", sagte Li, Chef von Hutchison- Whampoa in einem Gespräch mit dem Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL. Der chinesische Unternehmer, der als einer der reichsten Männer der Welt gilt, bietet in Deutschland gemeinschaftlich mit E-Plus. [Hat er's geschafft?]

    Der als extrem öffentlichkeitsscheue bekannte Li bezeichnete sich als "altmodischen" Unternehmer; er sei nicht bereit, "sein Wertesystem und seine Integrität zu opfern". Der Milliardär bezeichnet die Schulen und Krankenhäuser, die er in China gebaut hat, als wichtigste Erfolge im Leben: "Ich frage mich, wozu man eigentlich die ganzen Milliarden macht, wenn man sie nicht zur Überwindung von Armut und Rückständigkeit seines Volkes einsetzt."

    [Li Ka-shing: Der König Midas von Hongkong]



    Staatsanwaltschaft Bonn auf der Spur der anonymen Kohl-Spender

    Die Staatsanwaltschaft erwägt, gezielt nach Kohls geheim gehaltenen Geldgebern zu suchen. Auf die Spur einer „Kasse München“ ist sie bereits gestoßen.

    Aus:
    Spiegel-Pressemeldung – 12. August 2000, 11.02 Uhr zum Artikel "Hinweis auf Kirch" im SPIEGEL – 33/2000, 14. August 2000, Seite 32 (Deutschland).

    HAMBURG. Die Bonner Staatsanwaltschaft hat Hinweise darauf, wer die bislang geheim gehaltenen Spender von Altbundeskanzler Helmut Kohl sein könnten. Das berichtet das Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL in der neuen Ausgabe. Wie das Blatt schreibt, erwägt die Staatsanwaltschaft, die seit Jahresbeginn gegen Kohl wegen des Verdachts der Untreue und des Betrugs ermittelt, "zum Zwecke einer weiteren Konkretisierung des Tatgeschehens – insbesondere nach Zeit, Ort und Höhe der jeweiligen Spende" Zeugen zu vernehmen. Von solchen "gezielten Untersuchungshandlungen zur Ermittlung der Spendernamen" habe man bislang "trotz bestehender Ermittlungsansätze" abgesehen, heißt es in einem 91 Seiten umfassenden Vermerk der Staatsanwaltschaft vom 3. August.


    „Wenn ich die nenne, liefere
    ich sie an den Galgen.“

    Helmut Kohl

    Auf Hinweise, wer die anonymen Spender [von 1993–1998] sein könnten, stießen die Ermittler laut SPIEGEL in sicher gestellten Unterlagen der CDU. Die Schatzmeisterei der Union erstellte demnach regelmäßig Listen von potenziellen Geldgebern, auf denen sich "namhafte Persönlichkeiten aus der deutschen Wirtschaft und Industrie" (Staatsanwaltschaft) finden. Die meisten dieser Wirtschaftsgrößen schrieb die Schatzmeisterei wegen möglicher Spenden an. In einigen Fällen aber hatten sich Kohl oder dessen Vertrauter Hans Terlinden, damals Verwaltungschef in der Parteizentrale, ausdrücklich den Kontakt vorbehalten. Auf den entsprechenden CDU-Unterlagen ist "PV!" vermerkt, das CDU-interne Kürzel für "Parteivorsitzender".

    In einer speziellen Liste, die der Staatsanwaltschaft vorliegt, sind laut SPIEGEL nicht nur die von Kohl selbst anzusprechenden Spender und die Höhe ihrer bisher geleisteten Zahlungen vermerkt. Handschriftlich hat den Ermittlungen zufolge Terlinden bei einigen neben dem Namen den Zusatz "! außerhalb" notiert. Für die Ermittler liegt nahe, dass die Formulierung bedeutet, Zuwendungen genau dieser Spender sollten von vornherein nie in der offiziellen CDU-Buchhaltung auftauchen.

    Als einen der möglichen Geldgeber, die Kohl zwischen 1993 und 1998 insgesamt 2,17 Millionen Mark zukommen ließen, hat die Staatsanwaltschaft den Münchner Medienunternehmer Leo Kirch ausgemacht. Dies ergebe sich zum einen aus der Aussage des Frankfurter Wirtschaftsprüfers Horst Weyrauch, der Kohls schwarze Kassen verwaltete. Weyrauch gab bei der Staatsanwaltschaft zu Protokoll, Terlinden habe ihm einmal eine größere Summe Bargeld mit der Bemerkung überreicht, er vermute "dass das Geld von Herrn Leo Kirch stammt".

    Darüber hinaus findet sich in den Unterlagen der Staatsanwaltschaft eine weitere Spur zu Kirch. Am 6. Dezember 1991 waren auf einem von Weyrauch verwalteten Treuhandanderkonto "CBN 4" ("CDU Bonn 4") 900.000 Mark in bar eingezahlt worden. Bemerkenswert aus Sicht der Ermittler sei, so der SPIEGEL, dass sich auf einem Auszug für das Konto "CBN 4" im Zusammenhang mit dem Eingang der 900.000 Mark die handschriftliche Notiz "Kasse München" findet. Dies könne ein "Hinweis auf den Medienhändler Kirch" sein, mutmaßt die Staatsanwaltschaft. Kirch hat bereits mehrfach dementiert, einer der anonymen Kohl-Spender zu sein.

    Förderung der d-Box?

    13.8.2000 (t-off). Die Süddeutsche Zeitung (SZ) wies bereits am 4. Februar 2000 (auf Seite 1) daraufhin, daß „Altkanzler Helmut Kohl von dem Münchner Medienunternehmer Leo Kirch in den 90er Jahren eine Spende in sechstelliger Höhe erhalten“ habe. Die Journalisten Heribert Prantl und Hans Leyendecker („Ich will das System Kohl verstehen“) schrieben in dem Artikel auch:

    „Kirch gehört zu den einflussreichsten Medienunternehmern in Deutschland. Er betreibt mehrere Fernsehsender, darunter Sat 1 und Pro Sieben, und ist Großaktionär beim Springer- Verlag. Kohl und Kirch haben sich wiederholt füreinander eingesetzt. Ende 1997 hatte Kohl die Brüsseler EU-Kommission aufgefordert, eine von Kirch mit der Deutschen Telekom und dem Bertelsmann- Konzern geplante Fernsehallianz zu genehmigen. Für Kirch ging es dabei um sehr viel Geld. Kohl wandte sich in dieser Angelegenheit direkt an den damaligen Kommissionspräsidenten Jacques Santer, der das Ansinnen des Kanzlers jedoch zurückwies. Die EU-Kommission untersagte im Frühjahr 1998 die TV-Allianz. Kirch verlor dadurch auf einen Schlag über 500 Millionen Mark, die Bertelsmann an den Medienunternehmer zahlen wollte.“

    Wir, die wir die unendliche Geschichte des Digital-TV etwas genauer kennen, erinnern uns: 1996 löste sich urplötzlich Bertelmanns SetTop-Box – die "mediabox", auf die sich damals auch die Telekom fürs Digital- Fernsehen festgelegt hatte, in Luft auf. Die Telekom hatte ganz spontan die Fahnen gewechselt und will seit dem KIrchs d-Box. Warum? In Branchenkreisen hält sich seit 1996 hartnäckig das Gerücht, daß um diese Zeit eine Spende eines Leo Kirch nach Bonn geflossen sein soll. Sollte die Bonner Staatsanwaltschaft jetzt fündig geworden sein?

    [SZ am 5.2.2000: Mächtige Männerfreunde  (Kohl + Kirch + d-Box)]



    ZDF kooperiert bei der Ratgebersendung "Gesundheit" eng mit der Pharma-Industrie

    In der ZDF-Ratgeber-Sendung „Gesundheit“ werden immer Präparate und Verfahren gerühmt – manche sind dubios. Auf Umwegen profitiert der Sender von Zahlungen der Hersteller.

    Aus: Spiegel-Pressemeldung – 12. August 2000, 11.03 Uhr zum Artikel "Betrug am Zuschauer" im SPIEGEL – 33/2000, 14. August 2000, Seite 96–98 (Medien).

    HAMBURG. Bei der ZDF-Ratgebersendung "Gesundheit" kooperiert der öffentlich-rechtliche Sender eng mit Pharmaherstellern und empfiehlt auch wissenschaftlich umstrittene Heilmethoden und Produkte. Wie das Nachrichten- Magazin DER SPIEGEL in der neuen Ausgabe berichtet, profitierte der Sender auf Umwegen von Zahlungen der Hersteller. Aus einer internen Liste des ZDF geht hervor, dass Pharmafirmen als "Kooperationspartner" zu einzelnen Sendungen geführt wurden. In der Spalte "Kooperationssumme brutto" wurden Geldbeträge dazu vermerkt. Firmen, die etwa Asthmamittel herstellen, wurden als "Kooperationspartner" zu dem Thema eingeplant. Hersteller von Hormonpräparaten unterstützten eine Sendung zu den Wechseljahren. Mehrere zehntausend Mark zahlen Unternehmen, die sich für ihre Produkte oder Heilmethoden von der Sendung etwas versprechen.

    Mittler zwischen dem Sender und den Firmen war die Förderungsgesellschaft des Deutschen Grünen Kreuzes (DGK), letzteres eine gemeinnützige Organisation zur Gesundheitsaufklärung. Das DGK kooperierte auch redaktionell mit dem ZDF: Es schlug etwa Themen vor oder vermittelte Experten für Auftritte in der "Gesundheit" – auch solche, die Pharmaunternehmen empfohlen hatten.

    Von solchen Sendungen erwarben die Firmen dann sogenannte nichtkommerzielle Zweitverwertungsrechte an den Filmen – etwa zur Schulung von Mitarbeitern. Der Verkauf dieser Rechte sei „ein normaler Vorgang im Rahmen der Zweitverwertung von Sendungen“, so eine ZDF-Stellungnahme. Manchmal zahlten die Firmen dem Grünen Kreuz auch sogenannte Druckkostenzuschüsse für Broschüren zu den Sendungen, die die Organisation verschickte.

    Das ZDF und die Firmen betonen, der redaktionelle Inhalt der Sendungen sei nie beeinflusst worden. Doch daran gibt es laut SPIEGEL Zweifel. Die Firma Mucos etwa, Hersteller von umstrittenen Enzymkombinationspräparaten, war laut ZDF-Liste "Kooperationspartner" während einer "Enzymwoche" und hatte das Thema vorgeschlagen. Als "Kooperationssumme" waren 120.000 Mark eingetragen. Mucos bestreitet, gezahlt zu haben. Die Experten in den Sendungen priesen Enzyme als wirksame Begleittherapie etwa bei Gefäßkrankheiten oder Nierenleiden.

    Die Wirksamkeit der Enzyme ist wissenschaftlich aber nicht erwiesen. Das Mucos-Parade- Mittel "Wobenzym" steht sogar auf der Negativliste der gesetzlichen Kassen. Im Internet- Archiv der ZDF-Sendung werden Enzyme gleichwohl zur Krebstherapie hochgelobt. Das „grenzt an Sensationsmacherei“, so Krebsexperte Professor Horst Jung, Direktor des Instituts für Strahlenphysik und Strahlenbiologie an der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf. Es sei „unverantwortlich, diese Behandlung als Krebstherapie zu empfehlen“, sagt Professor Peter Drings, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft.

    Zweifel an den Methoden des DGK weckt auch die Aussage von Jürgen Hopf, Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit beim Brillenhersteller Rodenstock. Er erinnert sich laut SPIEGEL an den Anruf des DGK- Vorstands Hans von Stackelberg, der „fragte, ob ich in einer Sendung von "Gesundheit" zum Thema "Die Leichtigkeit des Sehens" Neuigkeiten von Rodenstock präsentieren wolle.“ Als Gegenleistung sollten 30.000 Mark fließen. Hopf lehnte ab. Hopf laut SPIEGEL: „Ich hätte nicht gedacht, dass man sich bei den Öffentlich- Rechtlichen einkaufen kann. Das ist Betrug am Zuschauer.“ Das ZDF teilte auf SPIEGEL- Anfrage mit, von Stackelberg sei nicht im Auftrag des Senders tätig geworden.

    Die Firma Sebapharma, Hersteller des Waschmittels "Sebamed", laut ZDF-Liste als "Kooperationspartner" mit 18.000 Mark geführt, profitierte von einer Gesundheit-Sendung, in der dreimal empfohlen wurde, sich mit hautfreundlichen Mitteln zu waschen. Die Sebamed- Flasche war kurz im Bild zu sehen.

    19.8.2000 (t-off). Der Spiegel meldet heute vorab, daß der ZDF-Fernseharzt Günter Gerhardt, Moderator der wegen großer Nähe zu Pharma-Firmen umstrittenen ZDF-Ratgeber-Sendung "Gesundheit", nach Informationen der Mainzer Staatsanwaltschaft möglicherweise in einen Abrechnungsskandal verwickelt sei. Weiter heißt es in dem Vorab-Bericht: „Er soll, so der Verdacht, als Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinhessen versucht haben, die Ermittlungen gegen seinen am Donnerstag vergangener Woche wegen Fluchtgefahr verhafteten KV-Vorstandskollegen Werner Braunbeck zu bremsen, indem er Unterlagen zunächst zurückhielt. (...) Gerhardt bestreitet den Vorwurf.“



    TV-Kabel: Zitterpartie in Hessen

    Aus:
    Der Spiegel – 33/2000, 14. August 2000, Seite 93 (Medien).

    Der Verkauf der TV-Kabelnetze durch die Deutsche Telekom stößt [Ed: wie erwartet] auf Probleme. Das Konsortium des Finanzieres Gary Klesch, das der Bonner Konzern als einen bevorzugten Partner ausgeguckt hat, tut sich nach Informationen aus Bankenkreisen bislang schwer, die Finanzierung für den Kauf des hessischen Kabelnetzes zusammenzubringen. Wie sich aus internen Unterlagen ergibt, will die von Klesch mitgegründete Firma E-Kabel Hessen GmbH über Schuldverschreibungen am internationalen Kapitalmarkt 465 Millionen Euro leihen – ein Hoch-Risiko- Projekt, wie viele Investoren finden.

    Nach dem vertraulichen „Offering Memorandum“ vom 14. Juli fallen bei Kleschs Firmenkonstrukt in Zukunft weitere gewaltige Zahlungsverpflichtungen an, zum Beispiel für einen Bankkredit von bis zu 850 Millionen Euro. Die hohen Summen hängen mit der aufwendigen Modernisierung zusammen, aber auch mit dem hohen Kaufpreis. So wurde das hessische Kabelnetz der Telekom mit gerade mal 1,3 Millionen direkt angeschlossenen Haushalten mit stolzen 1,18 Milliarden Euro bewertet, fast 2,3 Milliarden Mark. Für die Übernahme von 65 % an der hessischen Kabelfirma musste Klesch, so das interne Papier 743 Millionen Euro zahlen, 150 Millionen Euro allerdings nicht sofort.

    Ein von Klesch zusammengeführtes Konsortium investiert 365 Millionen Euro zusätzlich in die hessische Firma. Durch die vielen Finanzlasten ist die E-Kabel Hessen GmbH ausweislich des angefügten Pro-forma- Geschäftsabschlusses 1999 mit rund 250 Millionen Mark in die Verlustzone geraten. Der in der Öffentlichkeit als großer Telekom-Partner vorgestellte Klesch ist mit seiner Firma freilich nur 3,3 % beteiligt. 50 % gehören Brigadoon Ventures, dem Investmentarm des Kabelkonzerns NTL, dessen größter Teilhaber France Télécom ist.



    France Télécom will angeblich Arcor übernehmen

    Der französische Telefonanbieter France Télécom hat offenbar Interesse an einer Übernahme von Mannesmann Arcor. Beim Mutterkonzern Vodafone ist man sich noch uneinig wie man mit dem Frankfurter Unternehmen verfahren soll.

    Aus:
    Spiegel Online – 16. August 2000, 18.23 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    DÜSSELDORF. France Télécom ist nach Informationen der Wochenzeitung Die Zeit an einer Übernahme von Mannesmann Arcor interessiert. Konzernlenker Michel Bon habe sich vorgenommen, in großem Stil ein paneuropäisches Angebot aus Telefon, Handy und Internet aufzubauen, meldete das Blatt unter Berufung auf Pariser Unternehmenskreise. France Télécom ist bereits an MobilCom beteiligt. Die beiden Unternehmen bieten gemeinsam für eine deutsche UMTS-Mobilfunklizenz.

    Ein Arcor-Sprecher sagte, es liefen keine Gespräche. Derzeit sei das Unternehmen damit befasst, einen möglichen Börsengang zu prüfen. Der neue Mannesmann- Eigner Vodafone AirTouch will vor allem auf Mobilfunk setzen [Ed: und hat kein Interesse am Massengeschäft mit Festnetz-Kunden: „Analog-Anschlüsse wird es bei uns nie geben.“ (Arcor-Hotline 0800-1070 333 am 14.8.2000)].

    Es sei nicht bekannt, dass der Pariser Konzern an Arcor herangetreten wäre, sagte der Sprecher der Vodafone- Tochter. In dem "Zeit"-Bericht heißt es, France Télécom sei daran interessiert, in Deutschland ein eigenes Festnetz zu betreiben. "Es könnte das von Mannesmann sein, wie in Paris zu hören ist", schreibt die Zeitung.



    Wirtschaftsminister Müller hat keine Lust mehr

    Ist Wirtschaftsminister Werner Müller seines Amtes müde? Der parteilose Politiker selber hat jetzt derartige Spekulationen angeheizt. Außerdem wäre ein Parlamentarischer Staatssekretär für das Ministerium nicht schlecht, so Müller.

    Aus:
    Spiegel Online – 16. August 2000, 18.52 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    BERLIN. "Herr Bury wäre aus meiner Sicht durchaus auch ein guter Wirtschaftsminister", so Müller im "Stern". Eine Sprecherin Müllers hatte danach alle Hände voll zu tun, Rücktrittsgerüchte zurückzuweisen. Der Minister habe lediglich "seine persönliche Meinung zu Herrn Bury ausgedrückt". Er habe damit aber nicht gesagt, dass Staatsminister im Kanzleramt Hans Martin Bury sein Nachfolger werden und "in irgendeiner Form eine Kabinettsumbildung im Raume steht".

    Auch Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye erklärte, es gebe "keinerlei Erwägungen für eine Kabinettsreform". Müller habe für Bury lediglich "eine gewisse Wertschätzung zum Ausdruck gebracht". Das sei in Ordnung. "Wir sollten alle etwas netter miteinander umgehen."

    Müller selbst versuchte in dem Interview dem Eindruck entgegenzuwirken, bereits jetzt ans Aufhören zu denken. "Es geht zwar das Gerücht um, ich sei amtsmüde, auch wenn ich nicht weiß, woher das kommt", sagte der Minister. Allerdings ließ der Wirtschaftsminister bereits mehrfach durchblicken, dass er sich auch ein Leben außerhalb der Politik vorstellen kann und er das mit einer hohen Arbeitsbelastung verbundene Ministeramt nicht unbedingt auf Dauer ausüben will. In der Koalition wird deshalb schon seit längerem mit der Möglichkeit gerechnet, dass der 54-Jährige seinen Posten nach der nächsten Bundestagswahl 2002 abgeben könnte.

    Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) hatte den früheren Energie-Manager 1998 nach dem Wahlsieg der rot-grünen Koalition überraschend an die Spitze des Wirtschaftsministerium geholt. Kurz zuvor hatte sich der zunächst für dieses Amt vorgeschlagene Unternehmer Jost Stollmann wieder zurückgezogen.

    Müller forderte außerdem für sein Ministerium einen zweiten Parlamentarischen Staatssekretär. Seine "Lieblingsidee" sei es, mit dieser Position die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Grünen in seinem Hause stärker zu verankern. Zur Stabilisierung der Grünen gehöre es, "dass sie ihre durchaus vernünftige Wirtschafts- und Finanzpolitik populärer machen". Es sei der "Fehler eines Ahnungslosen" gewesen, dass er bei seinem Amtsantritt auf einen Staatssekretär verzichtet habe.



    UMTS: Milliardenschwere Hypothek

    Auktion hin oder her. Das hätten die Mobilfunkunternehmen auch billiger haben können. Über das späte Ergebnis, die zwölf neuen UMTS-Lizenzen durch sechs Bewerber zu teilen, kann sich nur einer freuen: Bundesfinanzminister Hans Eichel.

    Aus:
    Spiegel Online – 17. August 2000, 17.18 Uhr (nur elektronisch publiziert). Kommentar von RÜDIGER DITZ. [Original]

    Gut 16 Milliarden Mark muss jeder der Bieter berappen, um zunächst einmal überhaupt im Markt für den superschnellen UMTS-Mobilfunk dabei zu sein. Ob es ein großes Geschäft wird, ist nach der Versteigerungssumme von knapp 100 Milliarden Mark fraglich.

    Man bedenke: Beim Stand von 63 Milliarden war der siebte Bewerber, Debitel, ausgestiegen. Insofern waren die letzten 35 Milliarden, die die sechs Anbieter geboten haben, ein einziger Poker ums Profil. Wie anders lässt sich sonst das Statement der Telekom nach der Auktion deuten, auch mit zwei Frequenzblöcken könne man einen hochwertigen Dienst für die UMTS-Kunden anbieten.

    Ebenso entlarvend ist das Zugeständnis des Bonner Konzerns, dass man dem wirtschaftlichen Wahnsinn ein Ende bereiten wollte, indem nicht mehr für eine dritte Frequenz geboten wurde. Die Finanzexperten haben jedenfalls schon im Vorwege die beteiligten Unternehmen abgestraft. Deren Börsenkurse sinken, von den Analysten droht Herabstufung.

    Dabei liegt der Webfehler im System. Mit der Auktion hat sich der Bund zwar die Kasse prall gefüllt. Doch er hat den UMTS-Unternehmen, den Anwendern und auch der Technologie selbst eine schwere Hypothek aufgeladen [Ed: zumal er bislang nichts Nachhaltiges zur Förderung der viel wichtigeren kabelgebundenen Breitband-Technik (Festnetze) getan hat, Stichworte: TKG-Novellierung, Einführung des Line-sharings, TV-Kabelnetz]. Denn noch weiß keiner, wie und wann die Firmen die Ersteigerungskosten, geschweige denn die technische Aufrüstung, wieder hereinholen sollen.

    Ob dem künftigen UMTS-Kunden sein Internet-Handy so lieb und teuer ist, dass er hohe Kosten dafür in Kauf nimmt, steht in den Sternen. Zumindest wird sich die Einführung als Massenprodukt durch die hohen Kosten verzögern. Dabei hatte Europa mit UMTS zum ersten Mal seit dem Siegeszug des Computers bei einer innovativen Technologie im Vergleich zu den USA die Nase vorn. Diesen Vorsprung haben der Bund und die Mobilfunkunternehmen durch die 98,8- Milliarden-Mark- Auktion vielleicht schon wieder verspielt.



    British Telecom und AT&T in "privaten Gesprächen"

    Angeblich bahnt sich ein transatlantischer Mega-Merger zwischen der British Telecom und der US-Telefongesellschaft AT&T an. Die Fakten versprechen großes Einsparungspotenzial, in der Realität drohen aber Probleme.

    Aus: Spiegel Online – 18. August 2000, 16.34 Uhr. [Original]

    LONDON. Das Wall Street Journal berichtet unter Berufung auf informierte Kreise, die Gespräche seien inoffiziell, Investmentbanken seien nicht involviert. Vielmehr handele es sich um "private Gespräche" zwischen AT&T-Chairman Michael Armstrong und BT-Chief-Executive Sir Peter Bonfield. Die Idee eines Zusammengehens kam zum ersten Mal auf, als das Joint Venture Concert der beiden Konzerne im vergangenen Jahr ins Leben gerufen wurde. Das Gemeinschaftsunternehmen bietet Großunternehmen in aller Welt Telefon- und Datendienste an.

    Im Vergleich zum letzten Jahr seien die jetzigen Unterhaltungen ernsthafter und konzentrierten sich auf spezifische Fragen im Bezug auf eine Zusammenlegung der Geschäfte, erklärte die Zeitung. Ein Abschluss stehe jedoch nicht unmittelbar bevor. Heute äußerte sich BT allerdings verhalten zu den Berichten. Ein Sprecher stufte sie lediglich als "spekulativ" ein.

    Sollte es zu einem Zusammenschluss kommen, würde ein transatlantischer Telefongigant mit einem Umsatz von rund 96 Milliarden Dollar, 297.000 Beschäftigten und einem Börsenwert von 185 Milliarden Dollar entstehen. Die Zusammenlegung von bestimmten Servicebereichen wie zum Beispiel Call Center oder Abrechnungswesen würde allein auf Grund der Dimension zu erheblichen Kosteneinsparungen führen. Ein solcher Konzern wäre international einer der größten Festnetzbetreiber und würde mit 26 Millionen Nutzern auch im Segment Mobilfunk unter den ersten drei weltweit rangieren.

    Die Zeitung verwies aber auf gewaltige kulturelle, Management- und kartellrechtliche Hürden. Die beiden Unternehmen müssten angesichts ihrer gewaltigen transatlantischen Telefonkapazitäten wahrscheinlich auch dem Verkauf bestimmter Vermögenswerte zustimmen. AT&T und British Telecom kämpfen in ihren heimischen Märkten jeweils mit immer aggressiveren Konkurrenten, und das reguläre Telefongeschäft steht unter scharfem Preisdruck.



    Berater des Bundeswirtschaftsministeriums will UMTS-Einnahmen teilweise für Steuersenkungen einsetzen

    Aus:
    Spiegel-Pressemeldung – 19. August 2000, 10.59 Uhr zum Artikel "Das 100-Milliarden-Ding" im SPIEGEL – 34/2000, 21. August 2000, Seite 82–86 (Wirtschaft).

    HAMBURG. Der Ökonom Manfred Neumann, Mitglied des wissenschaftlichen Beraterstabs beim Bundeswirtschaftsministerium, plädiert dafür, mit einem Teil der Einnahmen aus der UMTS- Versteigerung für mehrere Jahre den Spitzensatz bei der Einkommensteuer zu senken. Das mache "Arbeiten und Investieren wieder attraktiver", sagte er dem Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL, und werde "Konjunktur und Wachstum so auf Trab bringen, dass auch der Staat nach einiger Zeit wieder höhere Steuereinnahmen verbuchen kann". Damit ließen sich die Schulden dann sogar leichter abbauen als heute. Neumann: "Steuersenkungen jetzt sind besser als Steuersenkungen in der Zukunft."



    Telekom-Chef Ron Sommer rechnet mit Fusionswelle auf dem Handy-Markt

    Aus:
    Spiegel-Pressemeldung – 19. August 2000, 11.18 Uhr zum Artikel "Wir werden benachteiligt" im SPIEGEL – 34/2000, 21. August 2000, Seite 84 (Wirtschaft).

    HAMBURG. Telekom-Chef Ron Sommer rechnet mit einer weiteren Konzentrationswelle auf dem europäischen Handy-Markt . Die zahlreichen Fusionen und Übernahmen der letzten Jahre, so Sommer in einem Interview mit den Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL, seien "erst der Auftakt" gewesen. Die hohen Kosten für die UMTS-Lizenzen würden den Trend zu Fusionen und Übernahmen noch einmal verschärfen.

    Sommer schließt nicht aus, das künftige UMTS-Netz der Telekom auch anderen Firmen zur Verfügung zu stellen. Mit den Einnahmen durch einen solchen virtuellen Netzbetreiber könnten die hohen Kosten für Lizenz und Netzaufbau schneller wieder eingefahren werden. Es könne, so der Telekom-Chef in dem SPIEGEL- Interview, durchaus "wirtschaftliche Umstände geben, die einen solchen Schritt sinnvoll machen".

    Wie DER SPIEGEL weiter berichtet, könnte eine von Bundesumweltminister Jürgen Trittin geplante Verschärfung der Elektrosmog- Verordnung den Handy-Boom der neuen Generation gefährden. Das Magazin beruft sich dabei auf Regulierungsexperten aus dem Wirtschaftsministerium. Sie befürchten, dass die von Trittin geplante Herabsetzung des Grenzwertes auf ein Zehntel der jetzt zulässigen Normen, in einigen Ballungsgebieten zu Problemen führen und den Netzbetreibern die Geschäftsgrundlage entziehen könnte.



    „Wir werden benachteiligt“

    Telekom-Chef Ron Sommer über die UMTS-Auktion und die Folgen für den Konzern

    Aus:
    Der Spiegel – 34/2000, 21. August 2000, Seite 84 (Wirtschaft). [Original]

    SPIEGEL: Herr Sommer, Sie haben bei der Versteigerung in Mainz eine UMTS-Lizenz mit zwei Frequenzblöcken für einen Preis von rund 16,5 Milliarden Mark erworben. Fühlen Sie sich als Sieger oder eher als Verlierer?

    Sommer: Als Sieger, ganz eindeutig!

    SPIEGEL: Das gleiche Ergebnis hätten Sie aber auch schon vier Tage früher haben können. Da hätte die Lizenz allerdings rund fünf Milliarden Mark weniger gekostet. War es wirklich klug, so lange auf drei Blöcke zu setzen?

    Sommer: Wir haben so lange auf drei Blöcke gesetzt, wie es wirtschaftlich vertretbar war. Vier Tage zuvor wäre das Ergebnis übrigens nicht das gleiche gewesen.

    SPIEGEL: Warum? Damals wie jetzt hätte es fünf Konkurrenten auf dem deutschen Handy-Markt gegeben.

    Sommer: Das stimmt. Aber es gibt Unternehmen, die solch hohe Lizenzsummen eher verkraften als andere. Auch das ist ein Teil der hoch komplexen Modellrechnung, die bei solchen Auktionsverfahren angestellt werden. Dass wir mit unserer Rechnung nicht falsch lagen, zeigt auch die Reaktion von Mannesmann/Vodafone. Als wir uns am Donnerstag entschieden haben, nur noch auf zwei Blöcke zu setzen, sind die uns sehr schnell gefolgt.

    SPIEGEL: Dennoch werfen Konkurrenten wie die Viag Interkom Ihnen vor, den Preis für die gesamte Branche durch den Alleingang um mehr als 30 Milliarden Mark hoch getrieben zu haben. Wie stehen Sie zu solchen Vorwürfen?

    Sommer: Welchen Alleingang? Wir können als Deutsche Telekom mit dem Ergebnis sehr gut leben. Es liegt genau in dem Rahmen, den wir uns vorher gesteckt hatten. Mehr will ich dazu nicht sagen.

    SPIEGEL: Aber die Telekom selber hat im Zusammenhang mit der Auktion doch von "wirtschaftlichem Wahnsinn" gesprochen. Was genau war denn damit gemeint?

    Sommer: Wir haben die große Sorge, dass wir zu einem massiven wirtschaftlichen Ungleichgewicht in Europa kommen. Denn es ist wirtschaftlicher Wahnsinn, wenn Firmen wie die Telefónica oder die France Télécom auf ihren Heimatmärkten die Lizenz praktisch geschenkt bekommen und dann in England und Deutschland beliebig mitbieten können. Dadurch werden Unternehmen wie die Telekom und die deutschen Verbraucher extrem benachteiligt.

    SPIEGEL: Gegen das Auktionsverfahren als solches haben Sie nichts einzuwenden?

    Sommer: Nein, das ist fair und transparent. Da waren wir als Deutsche wie immer perfekt. Wir haben uns als wirkliche Europäer verhalten, ohne allerdings zu berücksichtigen, dass sich andere Länder nicht immer gleich verhalten.

    SPIEGEL: Wie lange, schätzen Sie, braucht die Telekom-Mobilfunktochter, um die gewaltigen Investitionen wieder einfahren zu können?

    Sommer: Der Business-Plan ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Telekom, das ich auch dem SPIEGEL nicht preisgeben werde.

    SPIEGEL: Aber eine ungefähre Zeitvorstellung können Sie vielleicht verraten. Müssen sich die Aktionäre eher auf 10, 20 oder sogar 30 Jahre einstellen, wie einige Analysten befürchten?

    Sommer: Sicher ist, dass nach der hohen Lizenzsumme keine schnelle Mark zu verdienen ist. Aber das ist in unserem Geschäft nun einmal so. Wir rechnen beim Aufbau von Netzen in sehr langen Zeiträumen. Sicher werden wir uns jedoch an der unteren Grenze der Zahlen bewegen, die Sie eben genannt haben. Wir werden jedoch überaus schnell mit äußerst attraktiven Produkten an den Markt gehen.

    SPIEGEL: Können Sie sich vorstellen, Ihr UMTS-Netz für andere Firmen, so genannte virtuelle Netzbetreiber, zu öffnen, um mit diesen Einnahmen schneller in die Gewinnzone zu kommen?

    Sommer: Ich hoffe, dass uns der Regulierer nicht irgendwann einmal dazu verpflichten wird, was er rein theoretisch könnte. Allerdings kann es wirtschaftliche Gründe geben, die einen solchen Schritt sinnvoll machen. Ich will das nicht völlig ausschließen.

    SPIEGEL: Die hohen UMTS-Kosten werden den Druck auf die europäischen Handy-Konzerne weiter erhöhen. Rechnen Sie mit einer Konzentrationswelle?

    Sommer: Ein ganz klares Ja. Was wir in den vergangenen Jahren an Übernahmen und Fusionen erlebt haben, war erst der Auftakt. Schauen Sie sich doch nur den deutschen Markt an. Von den sechs in Mainz angetretenen Unternehmen ist nur noch die Telekom ein rein deutsches. Durch die hohen Belastungen wird dieser Trend auch international noch einmal verschärft, wie das Beispiel Viag zeigt, die im Rahmen der Auktion ein Übernahmeopfer der British Telecom wurde.

    SPIEGEL: Läuft die Telekom in diesem internationalen Wettlauf nicht Gefahr, sich zu übernehmen? Immerhin müssen Sie nicht nur für europäische UMTS-Lizenzen Milliardensummen hinblättern. Sie haben gerade auch den Versuch gestartet, das US-Mobilfunkunternehmen VoiceStream für über 100 Milliarden Mark zu übernehmen. Und weitere Expansionen sind angekündigt.

    Sommer: Die Gefahr sehe ich nicht. Nach den hohen Lizenzsummen für UMTS wird der Kaufpreis von VoiceStream inzwischen von Analysten schon sehr positiv eingeschätzt, zumal wir den größten Teil mit Aktien bezahlen. Außerdem haben wir uns international eine hervorragende Basis geschaffen. In Europa gibt es mit Vodafone nur einen Konkurrenten, der wertvoller ist als wir. Da fällt das Kalkulieren schon etwas einfacher. Unsere Aktionäre brauchen sich da keine Sorgen zu machen.

    [MobilCom-Chef greift Telekom an]




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      Zum Teil 23

    © 2000-2002 – Dipl.-Ing. Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 20.12.2009 12.34 Uhr