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INTERNET: Der größte Markt der Welt
Die Online-Revolution erreicht die Old Economy: Die großen Industriekonzerne bestellen künftig ihre Rohstoffe und Zulieferteile elektronisch auf virtuellen Marktplätzen. Das spart Milliarden und verändert die ganze Wirtschaft.
Aus: Der Spiegel 16/2000, 17. April 2000, Seite 8487 (Wirtschaft). [Original]Noch einmal wollen sich die Manager nicht vorführen lassen von frechen Internet-Gründern, die etablierten Banken, Verlagen oder Reisekonzernen scharenweise die Kunden abjagen; von Jungunternehmern, die mit ihren Firmen nach ein paar Jahren an der Börse so viel wert sind, dass sie manchen Traditionskonzern übernehmen können.
Jetzt beginnt die zweite Phase der Internet-Revolution, das so genannte Business-to-Business-Geschäft, kurz "B2B" genannt. Es wird die Old Economy, die traditionelle Wirtschaft der Industriekonzerne, gewaltig umkrempeln. Beinahe täglich kündigen Unternehmen an, dass sie einen Großteil ihrer Waren in Kürze online auf virtuellen Marktplätzen den Plattformen ordern. Künftig wollen sie die Artikel, von der Büroklammer bis zum Hochleistungsrechner, elektronisch bestellen so schnell, einfach und günstig wie nie. "Es gibt einen wahnsinnigen Run auf die Plattformen", sagt Hans Bötzow, B2B-Experte der Beratungsfirma Gemini Consulting. "Jeder Vorstand springt darauf an."
Die Begeisterung hat zwei Gründe: Einmal treibt schon die Ankündigung einer B2B-Strategie den Aktienkurs nach oben. Außerdem gilt der elektronische Handel zwischen Unternehmen als ein besonders effizientes Mittel, um Kosten zu senken. Die Börse hat auf den Trend längst reagiert: Ihre neuen Lieblinge sind Start-ups wie Ariba und Commerce One, aber auch etablierte Softwarefirmen wie SAP und Oracle, die die digitale Infrastruktur für die Marktplätze liefern. Inzwischen hat die Euphorie allerdings nachgelassen: Einige Analysten zweifeln, ob die hoch gesteckten Erwartungen sich wirklich erfüllen lassen.
Werden am Ende vielleicht ausgerechnet die Vertreter der oft belächelten Old Economy die Gewinner des Internet- Zeitalters sein? Schon möglich wenn sie sich rechtzeitig auf die Online-Wirtschaft einstellen. Kein Unternehmensführer will den Trend versäumen, der enorme Produktivitätsschübe verspricht. Mächtige Allianzen entstehen im Netz, die die gewohnte Ordnung auf den Kopf stellen. Unternehmen machen gemeinsame Sache, die bislang erbittert gegeneinander um jedes Promille Marktanteil gekämpft haben.
Vergangene Woche haben die Ölmultis BP Amoco und Royal Dutch Shell sowie zwölf weitere Partner den Aufbau eines gemeinsamen Marktplatzes beschlossen. Zuvor verbündeten sich bereits BASF, Henkel, Degussa-Hüls und die Metallgesellschaft, um auf einer Plattform alles zu handeln, was die Chemiewirtschaft braucht von der Pipette bis zur Petrischale. Und mit Carrefour, Sears und Metro haben die Handelsriesen ebenfalls eine Online-Allianz geschlossen.
Auch die Topmanager der größten Autokonzerne, Jürgen Schrempp von DaimlerChrysler, Jacques Nasser von Ford und Richard Wagoner von General Motors (GM), arbeiten an einer gewaltigen Plattform; zusammen bestellen sie jährlich Material für 480 Milliarden Mark: Bremsschläuche, Zündkerzen, Reifen. Diesem Mega-Marktplatz will sich Volkswagen nicht anschließen: Die Wolfsburger haben am vorigen Mittwoch eine eigene Plattform angekündigt und hoffen, andere Autokonzerne für ihre Lösung zu gewinnen.
Eine Branche nach der anderen wandert ins Netz und führt Anbieter und Käufer auf Business-Portalen zusammen. Gas und Öl, Stahl und Früchte, leere Lastwagenflächen und Restposten von Textilien, ja sogar Bullensamen es gibt kaum noch eine Ware, die nicht auf einer eigenen Plattform zu beschaffen wäre. In zwei Jahren will BASF "erhebliche Teile" des Umsatzes "über elektronische Medien erzielen", so verkündet der Vorstandsvorsitzende Jürgen Strube. Und Boeing- Boss Phil Condit glaubt gar, dass der elektronische Einkauf "die Art verändert, wie wir wirtschaften".
Etwa 22 Prozent des Bruttosozialprodukts, schätzen Ökonomen, verwenden Unternehmen darauf, Produkte zu beschaffen und verschwenden Milliarden. Auf den Marktplätzen können sie die Preise in ungeahnte Tiefen drücken. Spielend lässt sich hier ermitteln, welcher Zulieferer weltweit das günstigste Angebot vorlegt.
Kürzlich schrieb zum Beispiel GM Gummidichtungen für Autofenster aus, 18 Lieferanten wetteiferten bei einer umgekehrten Auktion um den Auftrag. Auf ihren Monitoren beobachteten sie, wie jeder Mitbewerber sein Gebot platzierte ein nervenaufreibendes Prozedere. Sollten sie aussteigen, mithalten oder den letzten Preis gar unterbieten? Am Ende kaufte GM das Material für 147 Millionen Dollar etwa 30 Prozent billiger als bisher.
Was bislang Wochen oder Monate dauerte und mit zahllosen Faxen und Briefen verbunden war, geht online schnell über die Bühne. Nur zehn Stunden vergingen, bis Ford unter fünf Reifenlieferanten das beste Angebot ermittelt hatte. Und als sich BASF einige tausend Tonnen Methanol über das Internet beschaffte, unterboten sich die Rohstoffverkäufer in der letzten Auktionsstunde im Fünf-Minuten-Takt.
Natürlich werden Unternehmen in Zukunft nicht sämtliche Produkte über elektronische Marktplätze billiger einkaufen. Nicht immer ist der Preis entscheidend, Qualität, Liefertreue oder persönliche Beziehungen spielen beim Einkauf weiterhin eine Rolle. Und komplexe Artikel wie Vorderachsen, die Systemlieferanten gemeinsam fertigen, wird kein Hersteller auf einem Business-Portal ersteigern. Für die Beschaffung von Massengütern jedoch dürfte es bald kaum eine Alternative zur Internet-Bestellung geben, die dann teilweise auch automatisch ablaufen wird: Geht einem Kopierer Toner aus, bestellt sich das Gerät den Nachschub von allein.
Im Jahr 2003, so glauben die Analysten der Unternehmensberatung Boston Consulting, werden Firmen in Nordamerika 24 Prozent sämtlicher Transaktionen untereinander online abwickeln. In Westeuropa steigt der Anteil des elektronischen Geschäftsverkehrs auf immerhin elf Prozent. Dabei sparen die Unternehmen nicht nur Kosten, wenn sie sich Produkte über die transparenten Marktplätze beschaffen. Wird ein Betrieb vernetzt, verkürzt sich der gesamte Einkaufsprozess und so wird ein noch größerer Hebel bewegt.
Wenn früher eine Sekretärin der Telekommunikationsfirma Alcatel Deutschland eine Papierablage bestellte, füllte sie ein Formular aus, ließ es sich vom Vorgesetzten abzeichnen und schickte es an die Einkaufsabteilung. Dort suchten Mitarbeiter in gedruckten Katalogen nach der Bestellnummer und sandten ein Fax an den Büroartikelhändler. Der sah nach, ob der Artikel auf Lager war, bestellte ihn gegebenenfalls und lieferte ihn mit der Rechnung später aus.
Der gesamte Bestellvorgang ging über neun Stufen und kostete im Schnitt 150 Mark oft mehr als die Ware selbst. Bis die Papierablage geliefert wurde, vergingen schon mal zwei Wochen. Heute loggt sich die Sekretärin an ihrem Computer ins Intranet von Alcatel ein, geht auf das "Bestellen"-Feld, schaut in einem elektronischen Katalog nach einer Papierablage, kann sogar ein Foto davon betrachten und ordert den Artikel mit einem Mausklick direkt beim Lieferanten meist steht das Gewünschte am nächsten Tag vor ihrer Tür. "Und am Monatsende werden alle Rechnungen elektronisch übermittelt", sagt der Alcatel-Einkaufschef Heinz Schäffer.
Auf diese Weise werden bei Alcatel sämtliche so genannten C-Teile, also Standardartikel wie Papier, Aktenordner oder Bürostühle, bis zu einem Wert von 2500 Mark von den Mitarbeitern eigenverantwortlich geordert. "Die Kosten eines Bestellvorgangs haben wir auf 65 Mark reduziert", sagt Schäffer. Die Installation der Software dauerte nur vier Wochen bis das System aber tatsächlich eingeführt werden konnte, vergingen anderthalb Jahre.
Für jedes Unternehmen bedeutet die Umstellung auf elektronischen Einkauf einen Strategiewechsel, der alle Bereiche berührt: Beschaffung und Verkauf, Lagerhaltung und Rechnungswesen. "Das gesamte Unternehmen wird durchgewirbelt", sagt Christian Konhäuser, Geschäftsführer von C@content, einem Dienstleister, der bei Alcatel und rund 30 anderen Firmen solche Lösungen aufgebaut hat.
Geschäftsabläufe, die sich in Jahrzehnten eingeschliffen haben, verändern sich im vernetzten Unternehmen grundlegend. "Jeder Mitarbeiter muss davon überzeugt werden", sagt Konhäuser und das fällt nicht immer leicht: Werden Geschäftsprozesse automatisiert, wird fast zwangsläufig Personal überflüssig. Was früher die Aufgabe von Einkäufern und Buchhaltern war, erledigen jetzt die Mitarbeiter selbst. Und Großhändler, bei denen sich die Industrie seit jeher Waren beschafft hat, sehen ihre Existenz bedroht, je mehr über Marktplätze eingekauft wird. "Es wird einen gigantischen Rationalisierungsschub geben", sagt Mark Hoffman, Vorstandschef der US-Software-Firma Commerce One.
Hoffman gehört mit seiner Firma zu den großen Marktplatz- Betreibern. In 30 Ländern baut er gerade gemeinsam mit den örtlichen Telekommunikationsfirmen oder Banken Marktplätze auf, in Deutschland ist die Telekom sein Partner. Die einzelnen Plattformen will er zu einem "Global Trading Web" vernetzen: "So entsteht der größte Marktplatz der Welt", sagt er.
Gleichzeitig beginnt der Amerikaner, brancheneigene Plattformen zu etablieren. Kürzlich erst hat er die Luftfahrtriesen Boeing, Lockheed Martin, British Aerospace Systems und Raytheon unter sein Dach gezogen. Zwischen Hoffmans Firma Commerce One und Konkurrenten wie Ariba, SAP und Oracle ist ein heftiger Kampf um die Macht auf den Marktplätzen entbrannt. Jeder versucht derzeit, die großen Player der einzelnen Branchen an sich zu binden. "In einem Jahr", glaubt Hoffman, "sind die Felle verteilt."
Die großen Plattformen lösen einen Sog aus und ziehen immer mehr Unternehmen auf sich. Denn je gewaltiger ein Marktplatz ist und je mehr Anbieter und Käufer sich dort treffen, umso transparenter wird der Markt: Damit verschärft sich der Wettbewerb, die Preise für die Waren sinken. "Jetzt ist die Zeit der großen Kooperationen und des Sterbens von Insellösungen", sagt Torsten Walz, der für die Metallgesellschaft eine Chemie-Plattform aufgebaut hat; sie wird nun aufgehen in den SAP-Mega-Marktplatz "mysap.com".
Leidtragende dieser Entwicklung sind die vielen Jungunternehmen, die gerade erst voller Elan gestartet sind. Vor einem halben Jahr noch waren sie allein im Netz, Wagniskapitalfirmen haben Millionen in ihre Konzepte gepumpt. Seit Jahresbeginn aber müssen sie beobachten, wie die Unternehmen der alten Ökonomie selbst Marktplätze einrichten. Sogar die neuen B2B-Märkte bekannter Internet-Auktionshäuser wie eBay oder Ricardo gewinnen längst nicht die Dynamik, die sie vom Geschäft mit privaten Kleinkunden gewohnt sind.
Schon 1000 Marktplätze weltweit zählt Utz Weitzel, Analyst des Berliner Wirtschaftsforschungsinstituts Berlecon Research, rund hundert davon sind allein in Deutschland online. "Auf vielen läuft aber noch überhaupt nichts", stellt er fest. Auch die meisten der großen Business-Portale sind noch weit davon entfernt, tatsächlich zu funktionieren. Erst müssen die technischen Voraussetzungen geschaffen werden: Zulieferer werden vernetzt, Warenkataloge digitalisiert, Personal geschult das kann dauern.
Zudem könnten noch kartellrechtliche Probleme aufkommen, wenn auf elektronischen Marktplätzen die Einkaufsmacht gebündelt wird. Das Bundeskartellamt hat bereits Unternehmen der Auto- und der Chemieindustrie angeschrieben und um Aufklärung des Sachverhalts gebeten. Doch die Weichen sind längst gestellt. "E-Business kommt erst langsam, aber dann mit voller Wucht", glaubt der Essener Wirtschaftsinformatiker Walter Brenner. "Wer bis 2002 nicht dabei ist", so der Fachmann, "der schmiert ab."
TV-KABEL: Der Denver-Clan
Investoren aus den USA drängen ins deutsche Mediengeschäft: Sie wollen der Telekom die TV-Kabel abkaufen und mit diesen die Infrastruktur des Multimediazeitalters ausbauen.
Aus: Der Spiegel 16/2000, 17. April 2000, Seite 111113 (Medien).Amerikanische Helden sind Pioniere. Gene Schneider, 78, aus Denver hat es deshalb zu besonderem Ruhm gebracht. Der Nachkomme deutscher Einwanderer verlegte in den fünfziger Jahren Kupferkabel durch den Westen Amerikas und brachte auf diesen Nervensträngen der modernen Zivilisation das Fernsehen auch in die entlegensten Winkel der Rocky Mountains. Ähnliche Pioniertaten erwartet der Patron der Firma UnitedGlobalCom von seinem Sohn Mark, 44 fernab in Europa. Dort soll der Filius mit der 1995 gegründeten United Pan-Europe Communications (UPC) den ganzen Kontinent verkabeln diesmal mit hochwertigen Leitungen, über die der Kunde nicht mehr nur Fernsehbilder empfängt, sondern auch telefonieren sowie schnell im Internet surfen kann.
Wenige Kilometer von Schneider Sr. entfernt schwärmt in Denver ein anderer amerikanischer Industrieveteran von der gleichen digitalen Revolution: Richard ("Dick") Callahan, 62, Chef der Ende 1996 gegründeten Callahan Associates. Einer wie er, meint Callahan, wird in Europa dringend gebraucht. Die Liberalisierung in der Telekommunikation, das Zurückweichen von Staatsbetrieben, eröffne ein riesiges Potenzial. Vier Monate im Jahr prüft der Kabelunternehmer vor Ort in Europa, wie schnell seine Ideen Wirklichkeit werden.
Tatsächlich hat es der ehrgeizige Denver-Clan aus Colorado auf dem Alten Kontinent zu einiger Bedeutung gebracht: Kein Monat vergeht, in dem Schneider oder Rivale Callahan nicht einen neuen Deal verkündet und neue Milliarden in die vermeintliche Zukunftsbranche gesteckt hat. Finanziert von Kleinaktionären, großen Fonds, arabischen Scheichs, Ölmagnaten und Groß-Viehzüchtern, stehen die beiden US-Unternehmer an der Spitze einer Branche, die eine neue Infrastruktur für die absolute Medienvielfalt des 21. Jahrhunderts schaffen will.
In ihrer Idealvorstellung hängt die Welt am Kabel jeder Haushalt empfängt über neu aufgerüstete Leitungen hunderte von Fernsehprogrammen und Spielfilmen, die er je nach Wunsch abrufen kann. Und natürlich erfordert in diesem Szenario der fliegende Wechsel zwischen TV und Internet nur noch einen Klick auf die Fernbedienung. "Wir bauen ein Zukunftsgeschäft auf", sagt UPC-Chef Mark Schneider, "das ist wie das Verlegen von Eisenbahnschienen im vorigen Jahrhundert." Besonders auf Deutschland, den Kernmarkt Europas, haben es die Investoren abgesehen. Mit allerlei Tricks, Anwaltskünsten und Versprechungen kämpfen sie um jeden Quadratkilometer für das Verlegen ihrer modernen Schienensysteme.
Das Zauberwort heißt "Breitband" ein Oberbegriff für erweiterte Kapazitäten der Kabelnetze, die künftig mehr Dienste, Bilder und Töne transportieren sollen. Derzeit verfügen weniger als fünf Prozent der Haushalte und Unternehmen in Europa über einen solchen Zugang bis Ende 2004 sollen es jedoch, so hofft Callahan, schon 70 Prozent sein. Als vorläufiger Sieger des Wettbewerbs um die Kabelnetze fühlt sich bereits David Colley. Der Europa-Chef von Callahan Associates verkündet im Stil eines New-Age-Gurus: "More human, more positive, more easy, more fun" so empfindet er den kleinen spanischen Ableger Ono, und dieses Gefühl soll bald die geplante deutsche Tochterfirma ausstrahlen.
Schon im Sommer soll ein neues System ("Future TV") bei Ono das Ich-Fernsehen ermöglichen: Ein persönlicher Guide stellt zusammen, was es zu den Lieblingsfilmern und -musikern des Kunden aktuell gibt. Ende dieses Monats will Callahan solche Ideen nach Deutschland bringen. Für den Hochgeschwindigkeitsrausch der Medienindustrie will er die veralteten Netze der Deutschen Telekom hochrüsten. In Nordrhein-Westfalen übernahm Callahan bereits 55 Prozent des TV-Kabels von der Telekom, in Baden-Württemberg stehen die Exklusivgespräche kurz vor dem Abschluss, und auch in Norddeutschland haben die Gesandten des Drahtziehers aus Denver gute Chancen. Seine Firma wolle "eine führende Kraft beim Umbau der deutschen Medienwirtschaft werden", erklärt Europa-Chef Colley. Der Kraftakt kostet die Firma vermutlich über 15 Milliarden Mark. Allein der Kauf in Nordrhein-Westfalen verschlang 3,5 Milliarden. Und pro Haushalt müssen noch einmal bis zu 1000 Mark investiert werden. Das Geld muss sich Callahan für jedes Einzelprojekt mühsam bei Großinvestoren wie der Bank of America zusammenleihen.
Die Einsteiger haben Großes vor. So soll die dominante Telekom mit pfiffigen Telefonangeboten und billigen Internet- Leistungen angegriffen werden und in Hollywood wollen sie direkt Filmrechte für ein eigenes Pay-TV akquirieren. Dabei störe auch die Rolle der Telekom als Mitgesellschafter nicht es sei vertraglich abgemacht, dass der Gigant sich ganz nach Callahan richte. Tatsächlich schätzt Telekom-Chef Ron Sommer ("ein idealer Partner") offenbar die Kulanz des US-Finanziers. Eine Telekom-Firma darf zehn Jahre lang Programme anliefern, eine andere stellt TV-Zusatzgeräte für das Empfangen von digitalen Programmen und Online-Angeboten auf. Auch im Ausland planen Callahan und die Telekom gemeinsame Projekte. "Wir freuen uns, wenn wir da eingeladen werden", sagt Manager Colley.
Jahrelang hatte Sommer im TV-Kabel Milliarden-Verluste gemacht und sich mit der EU-Kommission gezankt, die das Doppelmonopol bei den Netzen für Telefon und Kabelfernsehen anprangerte und auf einen Verkauf drängte. Nun aber winken hohe Verkaufsgewinne von insgesamt bis zu 30 Milliarden Mark und attraktive Anschlussgeschäfte. Einen Idealpartner fand Sommers mächtiger Berater Franz Arnold auch im amerikanischen Investor Gary Klesch, einem windigen Finanzexperten, der nach dem Börsencrash von 1987 mit einer Investmentbank floppte. Inzwischen hat er sich auf die Brachialsanierung konkursreifer Firmen spezialisiert, etwa von Wäscheläden und Damenfeinstrumpfhosen- Erzeugern. Seine Philosophie: "Wenn ein Patient nach einem Herzinfarkt auf dem Operationstisch liegt, muss man eine Schockbehandlung machen." Nun wittert der Unternehmer in der Telekommunikation das große Geschäft. Die Deutsche Telekom verkaufte Kleschs britischer Investorengruppe für zwei Milliarden Mark rund 65 Prozent am Kabelnetz in Hessen, das der Unternehmer flott zur eKabel GmbH umfirmierte. Plötzliche Probleme ergaben sich freilich, nachdem das Investmenthaus Goldman Sachs absprang. Nun soll auf verschlungenen Wegen Geld von der Kreditanstalt für Wiederaufbau zur Zwischenfinanzierung in das Kabelprojekt fließen.
Konkurrent Mark Schneider dagegen kam in Deutschland noch nicht richtig zum Zug. Seit Monaten düst der UPC-Konzernchef zwischen Warschau, Amsterdam, Wien, Budapest, Bonn und London im eigenen Firmenjet hin und her. Die Bilanz seiner Shopping-Touren: sieben Millionen Kunden in elf Ländern. Das holländische Parlament diskutierte erregt, ob der Mann, der innerhalb von 14 Monaten eine Firma mit einem Börsenwert von 40 Milliarden Mark aus dem Boden stampfte, nicht bereits zu viel Medienmacht habe. Immerhin kontrolliert Schneider 40 Prozent der dortigen Kabelnetze. Hier zu Lande langte es bisher nur zu einem Minderheitsanteil an der Mainzer Kabelfirma PrimaCom und jüngst zur Übernahme der Augsburger EWT/TSS-Gruppe. Als Nächstes beschäftigt sich UPC (Umsatz 1999: 876 Millionen Mark, Verlust: 1,5 Milliarden Mark) mit dem Einstieg beim Kölner Anbieter NetCologne. Bei der Telekom gilt Schneider als aggressiver Angreifer. Wohl deshalb ziehen sich die Gespräche über einen Verkauf der TV-Kabel in Rheinland-Pfalz und Saarland seit Monaten hin. "Wir sind über die zähe Prozedur unglücklich", sagt Schneider: Da die UPC zu Beginn der Auktion der zweitgrößte Player im europäischen Kabelmarkt war, hätte die Telekom "eigentlich auf uns zukommen müssen, wenn sie es mit ihren Verkaufsplänen ernst meint".
UPC glaube "nicht an Partnerschaft", sagt Rivale Callahan, die Firma wolle lieber allein vorangehen. "Die sind eigentlich viel zu klein, um in Deutschland eine große Rolle zu spielen", keilt Schneider zurück. Der Kampf ums Kabel wird immer härter, und die Preise für die Netze steigen. Ob sich die gewaltigen Investitionen lohnen, ob überhaupt in den nächsten zehn Jahren Gewinne zu erwarten sind das ist keineswegs sicher. Sowohl Callahan als auch UPC haben viele Milliarden Mark Schulden. Die riskanten Transaktionen lohnen sich nur bei einem späteren Weiterverkauf oder bei einem Börsengang. Der irrwitzige Boom um ein paar Kabel aus Kupfer oder Glasfaser könnte hier so abrupt enden wie in den Vereinigten Staaten: Dort halten sich die Investoren inzwischen zurück. Das Urteil des Callahan-Managers Colley: "Zu teuer, zu viel Wettbewerb."
Digitale Ökonomie: Europa kann den US-Vorsprung aufholen
Jahrelang bummelte Europa den USA bei der technologischen Entwicklung des Internets hinterher. Jetzt bekommt die alte Welt eine neue Chance aufzuholen oder sogar zu überholen. Schubkraft könnte der High-Speed-Mobilfunk UMTS geben.
Aus: Spiegel Online 19. April 2000, 15.24 Uhr (nur elektronisch publiziert) von PETER GLOTZ. [Original]Viele haben vorhergesagt, dass die Blase der überhöhten Börsenbewertungen amerikanischer Internet-Unternehmen platzen wird. Das ist inzwischen geschehen, auch mit den entsprechenden Rückwirkungen auf den "Neuen Markt" in Deutschland. Derzeit zockeln die Europäer technologisch hinter den Amerikanern her. Wenn sie allerdings ihre Stärke im Mobilfunk-Sektor ausspielen und eine intelligente Kommunikationspolitik machen, könnten sie den nächsten großen Sprung zu einer drahtlosen Internet-Welt anführen.
In den letzten anderthalb Jahrzehnten kamen die großen Ideen nahezu ausnahmslos aus den Vereinigten Staaten. Die grundlegenden Ideen zur Entwicklung integrierter Schaltkreise hatte Jack Kilby. Das wichtige Betriebssystem Unix entwickelten Ken Thompson und Dennis Ritchie. Das TCP/IP-Protokoll, die zentrale technische Grundlage des Internets, stammt von Vinton Cerf und Robert Kahn, die Computer-Maus von Douglas Engelbart. Die neuen Technologien stammen nun aus den Bell Labs, dem Palo Alto Research Center (PARC) von Xerox oder dem Media Lab des MIT.
Jetzt zeichnet sich aber eine neue Situation ab. Die ab dem Jahr 2003 in Aussicht genommene Einführung des Universal Mobile Telecommunication Systems (UMTS) wird der Mobil-Kommunikation eine heutigen lokalen Netzwerken vergleichbare Übertragungsrate von 384 kBit/s bis zwei Mbit/s bescheren. Das wird nicht nur dem Wireless Application Protocol (WAP) die Rolle einer Übergangstechnologie zuweisen, sondern auch einen Schub für ein neues Internet- Protokoll (IP) mit sich bringen. Dies bedeutet: Wenn die Europäer begreifen, dass die Amerikaner derzeit in einer Falle stecken und den Umstieg von der IP-Version 4 zur IP-Version 6 beschleunigen, haben sie plötzlich eine gewaltige neue Chance.
Die Adressen-Knappheit ist ein Problem
Das Thema hat mit der Internet-Adressen-Knappheit zu tun. Die Vernetzung von Büro- und Haushaltstechnik, der Verkehrstelematik, des Facility-Management und der Telemetrie werden erst dann zu Massenmärkten führen, wenn Mobiltelefone, PDAs, Laptops, Settop-Boxen, Spielekonsolen, Telefone, Kopiergeräte sowie Alarmanlagen oder Heizungssteuerungen von vornherein mit einer permanenten IP-Adresse ausgestattet sind. Nur dann müssen sich Endkunden oder Diensteanbieter nicht mehr mit den Details der Konfiguration herumschlagen.Wenn die Europäer nun rasch von der Version 4 auf die Version 6 des Internet- Protokolls umstellen würden, könnten sie sich plötzlich Massenmärkte erobern, die bisher zuallererst die Amerikaner besetzt haben. Rund 75 Prozent des gesamten Adressraums entfallen auf die USA. Und die Amerikaner haben den ersten Zugriff. Deshalb ist die Notwendigkeit des Umstiegs auf das neue Internet-Protokoll für Europäer und Japaner dringlicher als für die USA. Bleibt nur die Frage, ob die Europäer dieses Problem rechtzeitig identifizieren und durch eine intelligente Kommunikationspolitik das Blatt wenden.
Denn Widerstände gibt es natürlich genug. Erfahrungen mit der Umstellung von ganzen Netzen hat kein Mensch. Auch sagen viele Beteiligte: Never touch a running system. Zwar erhofft sich die Endgeräteindustrie schöne Umsätze für neue Produkte, die mit fest eingebrannten Adressen des neuen Internet-Protokolls möglich würden. Aber die klassischen Netzbetreiber halten sich zurück.
Endlich ist Bewegung in der europäischen Szene
Noch ist nicht gesagt, dass Europa seine Chance nutzt. Immerhin gibt es aber Bewegung in der Szene. Die Deutsche Telekom hat eine Innovationstochter geboren T-Nova die dabei ist, den Umstellungsaufwand festzustellen und mögliche Migrationsstrategien zu erarbeiten. T-Nova ist an einem internationalen Testbed der Wissenschaftsnetze beteiligt und verfügt deshalb über das notwendige Know-how. Denkbar, dass von hier die Impulse ausgehen, die allerdings politisch entschieden weitergefördert werden müssten.Diese Art von Politik wird allerdings nicht von Ausschüssen des Bundestages oder des Europäischen Parlaments betrieben, sondern vorwiegend von kleinen, scheinbar privaten Expertenteams, die von der unsichtbaren Hand der Politik nur vorsichtig und verdeckt beeinflusst werden. Einen großen Einfluss hatte zum Beispiel die Internet Assigned Numbers Authority (IANA), die lange Zeit die Verwaltung der wichtigsten Datenbank des Internet (der Root-Name-Server) betrieb.
ICANN-Direktorium braucht die richtigen Kandidaten
Inzwischen gibt es ein neues Gremium, die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), die unter der Leitung der amerikanischen Internet-Pionierin Esther Dyson die Weichen stellt. In diesem Gremium sind derzeit unter anderem Amerikaner, Franzosen, Australier, Niederländer, Japaner und Spanier beteiligt, aber keine Deutschen. Demnächst sollen für das Direktorium dieser Organisation neun weitere Direktoren freier Wahl von den "Netzbürgern" bestimmt werden. Es wird darauf ankommen, die richtigen Kandidaten zu benennen und für ihre Wahl zu werben. SPIEGEL ONLINE wird sich darum kümmern. Hoffentlich auch die Bundesregierung und das Parlament.Die deutsche Schwäche liegt zu großen Teilen an der Tatsache, dass sich deutsche Politiker nicht tief und nicht schnell genug in die technischen Probleme der digitalen Ökonomie einarbeiten. Das Weiße Haus verfügt über Expertenteams, die in engem Kontakt mit der Federal Communications Commission [FCC = US- Regulierungsbehörde] stehen und genau wissen, was ein Internet- Protokoll ist und wie sich die Version 4 von der Version 6 unterscheidet.
In Deutschland wissen das vielleicht einzelne Direktoren von Landesmedienanstalten. Damit aber auch das Bundeskanzleramt? Wer spielt die Rolle des politischen Durchsetzers, die in den Vereinigten Staaten der Vizepräsident Al Gore übernommen hat? Wenn Deutschland in der Spitzengruppe der Länder mitmischen will, die die digitale Ökonomie prägen, muss es das System der Kommunikationspolitik zum Beispiel das System der Aufsicht über Rundfunk und Telekommunikation rasch modernisieren.
MOBILFUNK: Ritt auf der Rasierklinge
Mit einer neuen Technik soll das Handy zum multimedialen Allround-Gerät werden. Doch der Umstieg in die neue Ära ist äußerst riskant und zwingt die Telefonfirmen zu Investitionen in Milliardenhöhe. Nur ein Gewinner steht schon fest: Finanzminister Hans Eichel.
Aus: Der Spiegel 17/2000, 24. April 2000, Seite 7880 (Wirtschaft). [Original]In diesem Sommer müssen viele Mobilfunkmanager auf ihren gewohnten Urlaub verzichten. Ende Juli, Anfang August nämlich sollen sie in einer ehemaligen US-Kaserne in Mainz zum Showdown antreten und über eine äußert riskante Investition entscheiden. Es geht um die Zukunft der Branche und um die Zukunft der beteiligten Unternehmen. In einer voraussichtlich zweitägigen Auktion versteigert die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post im Auftrag der Bundesregierung die Lizenzen für den Einstieg in die nächste Mobilfunkgeneration.
Noch stehen die Termine nicht fest, doch einige der Spielregeln hat Behördenchef Klaus-Dieter Scheurle schon genau festgelegt. Maximal zwei Personen kann jeder Bieter nach Mainz entsenden. Sie müssen ihre Handys abgeben und werden in einen Raum eingeschlossen. Nur unter Aufsicht dürfen sie per Fax und Telefon mit ihrer Firmenzentrale kommunizieren. Dann beginnt das Feilschen um eine der begehrten Lizenzen, Mindestsumme 200 Millionen Mark. Alle 30 bis 40 Minuten werden neue Gebote eingesammelt, im Internet wird jeder Interessierte verfolgen können, wie die Preise steigen. Am Ende könnte jeder, der zum Zuge kommt, um rund 10 Milliarden Mark ärmer und Finanzminister Hans Eichel um rund 50 bis 60 Milliarden Mark reicher sein.
Denn die Frequenzen für die neue Handy-Technik, bekannt unter dem Kürzel UMTS, sind äußerst knapp und nicht beliebig vermehrbar. In jedem Land können höchstens fünf bis sechs Netzbetreiber eine Lizenz erhalten, obwohl die Zahl der Interessenten fast überall doppelt so hoch ist. Wer die Lizenz bekommt, meint Mobilcom-Gründer Gerhard Schmid, erhält den "Zugang zu einem der letzten Oligopole der kommenden Jahre".
Anders als 1989 und 1993, als die damaligen Postminister Christian Schwarz-Schilling (CDU) und Wolfgang Bötsch (CSU) die Lizenzen für die D- und E-Netze gegen eine Verwaltungsgebühr von fünf Millionen Mark vergaben, soll diesmal auch die Staatskasse vom Handy-Boom profitieren.
Ursprünglich hatten die Beamten im Finanzministerium mit Einnahmen von rund einer Milliarde Mark pro Lizenz gerechnet, inzwischen hat sich die Lage dramatisch verändert. Bis zu 50 Milliarden Mark, so glauben sie, könnte der Verkauf der deutschen Lizenzen für die mobile Multimediawelt einbringen. Andere Schätzungen liegen noch höher, denn was die Telefonkonzerne für den Einstieg ins Zukunftsgeschäft zu zahlen bereit sind, zeigt sich zur Zeit in Großbritannien.
Dort traten Anfang März 13 Firmen an, um eine von insgesamt fünf UMTS-Lizenzen zu ersteigern. Das Mindestgebot schwankte, je nach Ausstattung der Lizenz, zwischen 300 und 400 Millionen Mark. Alles in allem sollten etwa 1,5 Milliarden Mark zusammenkommen. Doch innerhalb weniger Tage katapultierten die Firmen ihre Gebote in astronomische Höhen. Allmählich hat sich zwar das Feld gelichtet, nur noch sechs Interessenten sind im Rennen darunter auch One2One, der britische Ableger der Deutschen Telekom.
Mit gut 19 Milliarden Mark hatte der Handy-Konzern Vodafone Mitte vergangener Woche das höchste Gebot für eine der Lizenzen abgegeben. Noch vor Ablauf der zeitlich unbefristeten Auktion kann die Regierung in London bereits einen Erlös von fast 72 Milliarden Mark als sicher verbuchen das entspricht etwa dem Jahresetat des britischen Verteidigungsministeriums.
Noch ist nicht klar, wie viele Firmen sich an der Auktion in Mainz beteiligen werden, die Anmeldefrist endet erst am 28. April [Ed: es wurden 12 Bieter]. Doch es gilt als sicher, dass nicht nur die bisherigen Netzbetreiber Telekom (D1), Mannesmann (D2), E-Plus und Viag Interkom antreten werden. Neben der Stuttgarter Telefonfirma Debitel will auch Mobilcom-Chef Schmid, der bislang nicht über ein eigenes Handy-Netz verfügt, unbedingt in die Oberliga der Branche aufsteigen. Schmid hat sich dazu vor kurzem mit France Télécom verbündet. Der Ex-Partner von Telekom-Chef Ron Sommer gibt dem Aufsteiger aus Büdelsdorf starke finanzielle Rückendeckung. Seither prahlt der Newcomer: "Für uns gibt es kein Preislimit."
Interesse signalisiert haben auch einige ausländische Konzerne, die bislang in Deutschland nur schwach vertreten sind. So erwarten Branchenkenner, dass zumindest Juan Villalonga, der Chef der spanischen Telefónica, und auch US-Raubein Bernie Ebbers, Chef von MCI Worldcom, in Mainz mitbieten. Beide stehen unter Druck, nachdem sie bei der Auktion in London vorzeitig aufgegeben haben. Im Gespräch sind außerdem die japanische NTT, die mit ihrem Ableger Docomo stark ins mobile Internet-Geschäft drängt, sowie der US-Marktführer AT&T und sein Konkurrent SBC, der bei der Elmshorner Firma Talkline das Sagen hat.
Sie alle setzen darauf, dass die neue Technik die Dynamik der Boombranche Mobilfunk noch auf Jahre hinaus sichert und dem Handy völlig neue Anwendungsgebiete erschließt. Wenn im Jahre 2002 die ersten UMTS-Geräte in den Laden kommen, werden selbst die jetzt so hochgelobten WAP-Handys völlig veraltet wirken. Denn WAP ist nur eine bescheidene Weiterentwicklung der gängigen Digitaltechnik.
UMTS dagegen ist eine völlig neue Mobilfunk-Generation. Mit ihr soll aus dem schlichten Fernsprechgerät ein vollwertiges Multimedia- Terminal werden. Per Handy können die Kunden dann problemlos im Internet surfen, Bankgeschäfte erledigen, Film- Vorschauen ansehen, Kinokarten buchen oder E-Mails und elektronische Postkarten verschicken. Bis zu 200-mal höhere Übertragungsraten als die bisherige Handy-Technik verspricht UMTS, selbst der Heimcomputer mit ISDN-Anschluss ist deutlich langsamer. Experten rechnen damit, dass UMTS sogar den Festnetzanschluss überflüssig machen könnte und das Handy eines Tages zum Standardtelefon werden wird.
Entsprechend optimistisch sind die Prognosen: Bereits im Jahre 2005, heißt es, werde allein der europäische Mobilfunkmarkt so viel Umsatz bringen wie heute der gesamte Weltmarkt. Und die Erfolge finnischer und japanischer Netzbetreiber mit mobilen Internet-Angeboten scheinen den Optimisten Recht zu geben. Doch das Risiko ist gewaltig. Denn für multinational agierende Konzerne, die wie die Deutsche Telekom in mehreren Ländern antreten, können sich die Lizenzkosten leicht auf 30 oder 40 Milliarden Mark addieren. Und damit ist es nicht getan.
Zusätzlich muss jede Firma noch einmal bis zu 8 Milliarden Mark in den Aufbau des eigentlichen Netzes stecken ein Geschäft, das Telekommunikationsausrüstern wie Ericsson, Nokia, Siemens oder NEC auf Jahre hinaus stattliche Aufträge sichert. Die bestehende Infrastruktur kann nämlich nur zu einem geringen Teil weiter genutzt werden, weil UMTS mit einer anderen Übertragungstechnik arbeitet.
Seit die Preise in England bekannt sind, fragen sich immer mehr Manager, ob sie so gigantische Investitionen jemals wieder durch neue Dienste wie Internet oder Filme erwirtschaften können. Zwar wächst die Gemeinde der Handy-Nutzer ständig, doch immer weniger sind bereit, viel Geld für die Beitragsrechnung aufzuwenden. "Das wird", meint D2-Manager Ernst Durwen, "ein Ritt auf der Rasierklinge." Die Branche steckt in einem Dilemma. Einerseits bietet eine Technik, die zum Jahreswechsel als WAP-Nachfolger unter dem Stichwort GPRS eingeführt wird, schon viele Möglichkeiten der kommenden UMTS-Generation. Dabei sind die Kosten für den Netzausbau überschaubar, und eine neue Lizenz wird auch nicht benötigt.
Andererseits, ahnt Viag-Interkom-Chef Maximilian Ardelt, "werden wir alle am Tag der Versteigerung unseren ökonomischen Sachverstand an der Türe des Versteigerungsraumes abgeben und fleißig mitbieten". Denn noch größer als die Sorge um die Wirtschaftlichkeit ist die Angst, keine Lizenz zu erhalten.
Der Grund ist klar. "Wer das Ding nicht hat, kriegt Probleme", ahnt Mobilcom-Chef Schmid. Analysten würden eine Firma ohne Fahrschein in die Zukunft an der Börse gnadenlos abstrafen. Besonders T-Mobil-Vorstand Kai-Uwe Ricke kann sich die Blamage, ohne Lizenz nach Hause zu kommen, nicht leisten. Dann könnte Telekom-Chef Ron Sommer den für den Herbst geplanten Börsengang seiner Handy-Tochter gleich abblasen. Auch Marktführer Vodafone/Mannesmann wird alles daran setzen, seine Spitzenposition zu verteidigen, nachdem er bereits in Spanien und fast auch in Großbritannien am Ziel ist.
Noch hoffen die Manager, dass einige Firmen ihre Kriegskasse bereits in England verpulvert haben und deshalb in Mainz weniger hoch pokern. Andere setzen darauf, dass sich die Konkurrenten im Vorfeld arrangieren könnten. So könnten kleinere Firmen den Großen der Branche anbieten, frühzeitig aus der Preisschlacht auszusteigen. Als Gegenleistung könnten sie eine Beteiligung von ein paar Prozent an der neuen Gesellschaft erhalten.
Doch das alles sind bislang nur Spekulationen, die in der aufgeschreckten Boombranche kursieren. Sicher ist für alle vorerst nur eins. "UMTS", so Debitel-Chef Joachim Dreyer, "ist keine Lizenz, sondern eine Verpflichtung zum Gelddrucken." [DIE ZEIT: Luft unterm Hammer]
Die 12 UMTS-Bieter
2.5.2000 (t-off). An der RegTP- Auktion um die 12 UMTS-Frequenzpakete nehmen folgende 12 Bieter teil: D1 (Deutsche Telekom/T-Mobile), D2 (Mannesmann/Vodafone), E-Plus (KPN), E2 (Viag Interkom/Telenor/British Telecom), MobilCom (mit France Télécom), Debitel (mit SwissCom), Talkline (TeleDanmark, SBC), Auditorium Investments Germany S.A.R.L. (Hutchison-Gruppe, Hongkong), Vivendi (Frankreich), MCI WorldCom (USA), Group3G (Telefónica, Sonera, Orange), Nets AG (unbekannt). Jeder Bieter kann 23 Frequenzpakete ersteigern. Hinter der deutschen Nets AG werden Strohmänner vermutet.30.5.2000 (t-off). Die Nets AG wurde inzwischen von der Regulierungsbehörde von der Versteigerung ausgeschlossen. Man wollte u. a. nichts über die Hintermänner offenlegen, heißt es. Vivendi hat von sich aus zurückgezogen. Damit verbleiben 10 Bieter.
Telekom geht im Sommer auf Sendung
Es soll die leistungsfähigste Internet-Sendestation Europas werden: Das Telekom Broadcast Network (TBN), entwickelt von der Deutschen Telekom mit Hilfe der Streaming-Experten von Real Networks.
Aus: Spiegel Online 3. Mai 2000, 13.15 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BONN. TBN wird eine Plattform für die Vermarktung von Fernseh- und Radioinhalten im Internet sein. Der Start ist für Juni geplant. Inhalte könnten unter anderem Radiosendungen der Deutschen Welle oder Börsennachrichten von N24 sein. Auch die Übertragung von Fußballspielen, Bundestagssitzungen und Unternehmens- Pressekonferenzen sei denkbar, hieß es am Dienstag.
TBN ist an das Real Broadcast Network (RBN) angelehnt, das Real Networks in den USA unterhält. Die Firma aus Seattle soll der Telekom bei der technischen Umsetzung helfen. RealNetworks ist der Hersteller der Real-Software, die den Markt für Audio- und Video-Software dominiert. Das US-Unternehmen kooperiert seit fast zwei Jahren mit der Telekom.
COMPUTER: Die Stille war ohrenbetäubend
Ein als Liebesbrief getarntes Computervirus versetzte Firmen und PC-Nutzer in Angst und führte weltweit zu schweren Störungen der elektronischen Post. Experten geben dem Software-Konzern Microsoft eine Mitschuld an den Erfolgen solcher Attacken.
Aus: Der Spiegel 19/2000, 8. Mai 2000, Seite 9296 (Deutschland). [Original]Fünf Tage lang war die Liebesbotschaft nichts anderes als eine harmlose E-Mail gespeichert auf einem Computer des Internet-Providers Supernet in Manila. Erst als am Mittwochabend vergangener Woche ein PC-Benutzer in Hongkong seinen elektronischen Briefkasten sichtete und die gerade eingegangene Nachricht mit der verführerischen Betreffzeile "I love you" anklickte, nahm das Unheil seinen Lauf. Aus dem vermeintlich harmlosen Liebesbrief wurde eine globale Affäre, die nicht nur die Computerwelt erschütterte.
Innerhalb weniger Stunden waren Millionen von Computern auf der ganzen Welt mit einem Virus befallen, wertvolle Dateien wurden zerstört, und in zahlreichen Großunternehmen brach die elektronische Kommunikation restlos zusammen. Viele Universitäten, Institute, Behörden und sogar Regierungsverwaltungen schalteten ihre E-Mail-Server ab. Die Motoren der weltweiten Internet-Kommunikation waren gelähmt. Das vernetzte Dorf war in ungewohnte Stille verfallen.
Als die gefährliche Liebespost am Donnerstagmittag die Vereinigten Staaten erreichte, schien es, als habe die Affäre bereits apokalyptische Ausmaße angenommen. "Eine Pest, eine Seuche, eine Epidemie", stöhnten Software-Experten auf allen Fernsehkanälen Amerikas.
In einigen Ländern, so ergaben erste Schätzungen, seien bis zu 80 Prozent der Großunternehmen verseucht worden. Die Schäden durch Betriebsunterbrechungen und für den Reparaturaufwand könnten in die Milliarden gehen.
Nun herrscht Alarmstufe Rot im World Wide Web. Warnmeldungen sausen rund um den Globus, fieberhaft basteln Programmierer an neuen Schutzprogrammen, und bei manchen Software-Firmen brachen die Telefonleitungen unter dem Ansturm besorgter PC-Benutzer zusammen.
Gleichzeitig machten sich hunderte von Software-Experten und Kriminalisten auf die Suche nach dem Urheber der neuesten virtuellen Epidemie. Bundesinnenminister Otto Schily rief Experten der Arbeitsgruppe "Sicheres Internet" zusammen. Solche Angriffe, schimpfte er, seien "keine Spielereien", sondern "zerstörerische Aktionen, die mit allen Mitteln verhindert werden müssen".
Wieder einmal hatte ein bislang unbekannter Hacker der Welt vorgeführt, wie verletzlich die moderne Kommunikation ist. Noch kurz zuvor hatten Wissenschaftler freudestrahlend verkündet, es sei bald möglich, sogar Gerüche via Internet zu versenden. Nun mussten Millionen erleben, wie anfällig das Netz ist, das als Rückgrat der Ökonomie im 21. Jahrhundert gepriesen wird. Mit der entsprechenden Software können selbst Halblaien ganze Volkswirtschaften ins Schlingern bringen.
Wer hinter dem neuesten Angriff steckt, ist bislang unbekannt. Als Hauptverdächtiger galt am Freitag ein 23-Jähriger aus Manila. Er soll der Spinnenmann sein, der sich hinter der E-Mail-Adresse "ispyder @mail.com" versteckt und die Software geschrieben hat, die das virtuelle Postsystem weltweit beschädigte.
Doch Adresse und Name des angeblich im Stadtteil Pandacan lebenden Täters blieben im Dunkeln. Denn der philippinische Provider, über den das Virus seinen Weg in die Welt nahm, bietet seinen Kunden so genannte Prepaid-Karten an. Beim Kauf der Karten muss der Nutzer keinerlei persönliche Daten angeben.
Zunächst waren die Experten sogar noch von einem weitaus jüngeren Täter ausgegangen, denn im Quelltext des Virusprogramms hatte der Verfasser eine kindlich anmutende Botschaft versteckt: "Ich hasse es, zur Schule zu gehen", hieß es dort. Zudem war die Software nach Ansicht von Experten so simpel gestrickt, dass sie ein Zwölfjähriger geschrieben haben könnte.
Wahrheit oder Tarnung? Sicher ist: Das Erfolgsrezept des Virus ist überaus wirksam. Es tarnte sich als unverdächtige E-Mail eines Bekannten und wurde von vielen PC-Benutzern entsprechend bedenkenlos angeklickt. Einmal aktiviert, greift das Virus auf das Adressverzeichnis des weit verbreiteten E-Mail-Programms "Microsoft Outlook" zu. An jede elektronische Adresse, die der Benutzer dort gespeichert hat, schickt das Virus automatisch eine Kopie seines bösen Liebesbriefs.
Da auf den Rechnern von vielen großen Firmen und Behörden oft mehr als tausend Adressen abgelegt sind, verbreitet sich das Virus in Form eines Kettenbriefs mit rasender Geschwindigkeit. Wenn zum Beispiel tausend verseuchte Mails automatisch allein von einem Rechner losgeschickt werden und nur jeder zehnte Empfänger die angehängte Datei öffnet, sind in der nächsten Generation bereits 100.000 infektiöse Dateien unterwegs. Da all diese Grüße schlagartig versendet werden, sind die Mail-Server, die wie ein Postamt alle elektronischen Briefe sortieren und verschicken müssen, bald hoffnungslos überfordert und stellen den Dienst ein.
Die maliziöse Fortpflanzungstechnik hat sich der Love-Bug, wie das Virus auch genannt wird, von der Erregerin "Melissa" abgeschaut, die im März vergangenen Jahres Schäden in Millionenhöhe anrichtete. Doch während sich das nach einer Striptänzerin benannte Vorjahres- Virus auf die ersten 50 Namen in der Adressenliste als Opfer beschränkte, greift das aktuelle Virus nach allen verfügbaren Namen.
Während seine Brut im Internet weitersaust, wütet der Ursprungserreger im Computer des Empfängers. Er sucht auf der Festplatte nach einem Dutzend verschiedener Dateitypen und vernichtet zum Beispiel sämtliche Bilderdateien. Gleichzeitig verändert er die Einstellungen des "Internet Explorer" und versucht, geheime Passwörter auszuspähen und sie seinem Schöpfer zu senden.
So weit kam es in den meisten Fällen allerdings nicht. Denn bereits am Donnerstagvormittag, als die Epidemie Europa erreichte, bemerkte der Provider in Manila ein ungewöhnlich hohes Verkehrsaufkommen auf seinen Rechnern. Die Adresse, an die ausgespähte Passwörter geschickt werden sollten, wurde deshalb schon bald abgeschaltet.
Dennoch fraß sich der Gierschlund mit dem Lauf des Tageslichts schneller als je ein Computerparasit um den Erdball Liebe kennt schließlich keine Grenzen, scherzte man in Hackerkreisen. Von Investmentfirmen in Hongkong aus befiel er ganz Asien, Europa und Nordamerika. Erst als er Südamerika erreichte, wurde die Zahl der Opfer deutlich kleiner. Alarmiert vom Rest der Welt, hatten viele Betreiber ihre Server bereits ausgeschaltet und so das Trojanische Pferd ausgesperrt.
Europa dagegen wurde von der digitalen Love-Parade noch unvorbereitet und mit voller Wucht getroffen. In Deutschland erwischte es Großunternehmen wie Siemens, SAP oder Bertelsmann genauso wie die Zentrale der IG Metall. "Innerhalb einer Stunde wurden wir mit zehntausenden von E-Mails überschwemmt", klagt Anton Kunz, bei der Gewerkschaft zuständig für die Informationstechnik. "Danach lag die gesamte E-Mail- und Internet-Kommunikation flach, und wir mussten alle Rechner abschalten.
Zu Papier und Bleistift mussten auch die Beamten im Berliner Innenministerium greifen. Zwar hatte ihr Chef Schily eilig seine Task-Force zusammengetrommelt. Doch in der Aufregung hatten die Experten offenbar vergessen, die eigenen Mitarbeiter zu warnen. Die Folge: Das Rechnersystem des Innenministeriums brach zusammen.
Da das Virus es unter anderem auf Bilddateien abgesehen hatte, traf es Presseagenturen und Zeitungsverlage besonders hart. Beim "Hamburger Abendblatt" etwa wurden innerhalb weniger Minuten 2.000 Fotos zerstört. Bei der "Mittelbayerischen Zeitung" in Regensburg war der Schaden sogar so groß, dass das Blatt am Freitag nur mit einer Notausgabe erscheinen konnte.
In den USA fand sich der Geheimdienst CIA scheinbar erotisch umworben, ebenso das Pentagon und das Außenministerium. Sprecher des Weißen Hauses bestätigten den Erhalt der Liebesbekundungen, beteuerten jedoch, dass auch Bill Clinton der virtuellen Versuchung nicht erlegen sei. Etliche Staats-Regierungen stoppten ihren E-Mail-Verkehr vollkommen.
Auch das Finanzzentrum an der Wall Street erstarrte förmlich. Die Technologiebörse Nasdaq verzeichnete das geringste Handelsvolumen seit langem. Das Einzige, was steil anstieg, waren die Aktien von Software-Firmen wie McAfee oder Symantec. Für diese Spezialunternehmen für Anti-Virus-Programme, deren Wertpapiere in den vergangenen Wochen zum Teil deutlich an Wert verloren hatten, war der große Tag gekommen.
Fieberhaft arbeiteten deren Experten zunächst an der Analyse des Virus, dann an Schutz- und Reparaturprogrammen. Innerhalb weniger Stunden waren die ersten Love-Bug-Verhüter im Netz zu haben. Sie können das Virus erkennen, aber noch nicht vollständig zerstören. Ein echter Love-Bug-Killer soll erst im Lauf der Woche fertig werden.
Doch damit ist es nicht getan. Denn wie bei früheren Virenattacken fanden sich auch diesmal schnell Nachahmer. Bereits am Freitag kursierten diverse Varianten des Love Letters im Netz, darunter E-Mails mit Namen wie "Joke", "Funny News", "Susitikim" und "Mother's Day Order Confirmation". Experten rechnen damit, dass weitere Varianten folgen werden.
Derweil wird auf Internet-Seiten und in den Chefetagen hitzig die Schuldfrage diskutiert. "Viele Firmen", wetterte etwa Charles B. Wang, Chef der Software-Firma Computer Associates, "nehmen die Risiken immer noch nicht ernst. Wir brauchen mehr Bewusstsein für Sicherheitsfragen im Netz."
Andere entdeckten einen ganz anderen Schuldigen: Bill Gates, Gründer des Software-Giganten Microsoft. Denn wie viele andere Viren schädigt das Love-Virus nur das von Microsoft entwickelte Betriebssystem "Windows". Das Killer-Virus aus Manila benötigt zum Überleben zudem noch Microsofts E-Mail-System "Outlook Express" oder eine bestimmte Chat-Software. Benutzer von Apple-Rechnern oder PC mit dem Betriebssystem "Linux" sind dagegen vor Ansteckungen weitgehend immun.
Carey Nachenberg von der kalifornischen Firma Symantec, die das Schutzprogramm "Norton AntiVirus" produziert, sieht den über 80-prozentigen Marktanteil der Windows-Software bei den weltweit gut 300 Millionen Internet-Nutzern als Problem: "Wir haben eine Computer-Monokultur. In der Natur gelten Monokulturen als extrem anfällig für Schädlinge."
Charles Cooper vom Internet-Dienst ZDNet macht Microsoft sogar direkt für den Schaden des Killers von Manila mitverantwortlich. Vor lauter Konkurrenzdruck liefere Bill Gates unsichere Mail- und Chatsoftware aus, die er nicht einmal nach dem "Melissa"-Desaster verbessert habe. "Die Stille in Redmont war ohrenbetäubend", schreibt Cooper; und tatsächlich: Auf der Microsoft- Homepage wurde der Liebestaumel zunächst totgeschwiegen. "Business as usual" habe geherrscht, sagt ein Firmensprecher. Coopers Vorschlag: "Microsoft verdient ein paar saftige Ohrfeigen."
Frank Felzmann vom deutschen Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik schießt in die gleiche Richtung: Microsoft müsse "endlich etwas gegen die Schwächen seines Betriebssystems sowie des Mail-Programms Outlook unternehmen", fordert er.
Microsoft sieht sich, wie immer, völlig zu Unrecht in der Rolle des Angeklagten. "Unsere Programme sind nur deshalb immer wieder das Ziel von Hackerattacken, weil sie die populärsten Programme auf dem Markt sind", verteidigte sich die Gates-Company. Hacker hätten deshalb mit dem geringsten Aufwand Aussicht auf den größten Erfolg.
Zwar verfügen die in Verdacht geratenen Programme über Sicherheitsfunktionen, doch sie werden von vielen Anwendern aus Unwissenheit oder aus Bequemlichkeit nicht eingesetzt. "Ein Otto Normalverbraucher ist total überfordert, wenn er selbst eine angemessene Einstellung der Sicherheitsfunktionen vornehmen soll", erwidert der Karlsruher Virenspezialist Christoph Fischer.
Experten sind sich sicher, dass schon bald die nächste Epidemie ihren Weg um die Welt antreten wird. Denn die meisten Viren sind ohnehin nur ein Cocktail aus zusammengeklaubten Versatzstücken, die im Internet frei erhältlich sind, in Form von so genannten "Virus Construction Kits". Aus ihnen lassen sich fast beliebig viele neue Viren wie ein Steckbausatz zusammenfügen. Mindestens 20.000, wenn nicht 40.000 Viren gibt es bereits, und jeden Tag kommen etwa drei neue hinzu.
Für einen Schädling steht sogar schon ein Geburtsdatum fest: Am 14. Juli wird das Ende April vom russischen Kaspersky Lab entdeckte "Smash"-Virus aktiv. Schon heute schlummert dieser Eindringling in vielen Rechnern, niemand weiß, in wie vielen. Nur eine rechtzeitige Sicherheitsüberprüfung des PC könnte ihn erkennen und deaktivieren.
Fest steht nur: Dieses von einem Hacker namens Domitor entwickelte Virus ist noch weitaus aggressiver als der Liebesgruß aus Manila. Bei Computern, die vom "Smash"-Virus befallen sind, wird am 14. Juli automatisch der gesamte Inhalt der Festplatte gelöscht. Kurz vor der Implosion flackert nur noch ein Satz über den Bildschirm: "Es scheint, als würden deine bösen Träume jetzt wahr."
Biologische Schäden: Würmer sind auf Handys gar nicht gut zu sprechen
Können die elektromagnetischen Strahlen von Mobiltelefonen Gewebe schädigen? Zumindest bei Würmern scheint, so eine jetzt veröffentlichte Studie, die Antwort klar.
Aus: Spiegel Online 13. Mai 2000, 15.46 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]NEW YORK. Die Würmer waren von Forschern der englischen Universität von Nottingham und der kanadischen Universität von British Columbia einer Mikrowellenstrahlung ausgesetzt worden wie sie auch von Mobiltelefonen ausgeht. Bei den Tieren zeigten sich danach biologische Veränderungen, die die Funktion der Zellen beeinträchtigten. Die Studie war vom Wissenschaftsmagazin "Nature" vorab veröffentlicht worden.
Schlüsse auf mögliche Auswirkungen beim Menschen ließen sich daraus allerdings nicht ziehen, erklärte die Forscher David de Pomerai und Peter Candido. Es stelle sich aber die Frage, ob die bisherigen Anforderungen an Geräte mit Mikrowellenstrahlung nicht überdacht werden sollten. Eine Kommission im Auftrag der britischen Regierung hatte zuvor in einer Untersuchung geraten, dass Eltern die Handytelefonate ihrer Kinder einschränken sollten. Auch müsse auf jedem Gerät genau angegeben werden, wieviel Strahlung das Handy abgebe.
Die zwölf Wissenschaftlern waren zu dem Schluss gekommen, dass bei einer "vernünftigen Nutzung" von Handys durch Erwachsene keine Gesundheitsgefährdung nachgewiesen werden kann. Dagegen sollten Kinder Handys nicht uneingeschränkt benutzen. Bei Jugendlichen und Kindern könnten sich wegen der Entwicklung des Nervensystems und der dünneren Schädeldecke "subtile biologische Veränderungen" ergeben.
Gesundheitspolitiker von SPD, FDP und Grünen haben mit Besorgnis auf die britische Studie reagiert. "Wir müssen das aufgreifen", sagte der FDP- Obmann im Gesundheitsausschuss, Detlef Parr, der "Welt am Sonntag". Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Gudrun Schaich-Walch, will sich dafür einsetzen, dass der Bericht der britischen Kommission im Gesundheitsausschuss vorgetragen wird. "Dann müssen wir weiter entscheiden", sagte Schaich-Walch. [mehr]
TV-KABEL: Flop für Deutsche Bank
Aus: Der Spiegel 21/2000, 22. Mai 2000, Seite 101 (Medien).Die Kabelpläne der Deutschen Telekom und ihres amerikanischen Partners Callahan haben einen schweren Rückschlag erlitten. Anders als geplant, kann Callahan das große Kabel-TV- Netz der Firma TeleColumbus (1,7 Millionen Haushalte) erst mal nicht von der Deutschen Bank übernehmen der High Court in London blockierte vergangene Woche per einstweiliger Verfügung die Transaktion, die dem Finanzinstitut rund 5,5 Milliarden Mark eingebracht hätte. Das Gericht gabe einem Antrag des niederländischen Kabelkonzerns UPC statt, der eigene Ansprüche auf TeleColumbus erhebt und sich von der Deutschen Bank aufs Kreuz gelegt fühlt (SPIEGEL 18/2000).
Dem Finanzhaus, das alle bisher anfallenden Gerichtskosten tragen muss, wurde ein Antrag auf Einspruch verwehrt, es müsste nun als letzte Möglichkeit das House of Lords anrufen. Callahan und Telekom, die die TV-Netze in Nordrhein- Westfalen und Baden- Württemberg gemeinsam halten, brauchen die TeleColumbus- Kunden, um eine einheitliche Versorgung der Haushalte mit modernen Dienstleistungen wie einem schnellen Internet-Zugang oder neuen Telefonangeboten zu gewährleisten.
T-Online "trickst" mit den Nutzerzahlen
AOL und T-Online liegen sich wieder in den Haaren. AOL wirft der Deutschen Telekom vor, ihre Tochter T-Online querzusubventionieren und mit wettbewerbswidrigen Angeboten ihre Nutzerzahlen nach oben zu treiben.
Aus: Spiegel Online 28. Mai 2000, 22.58 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]HAMBURG. Erst im März waren die beiden Unternehmen aneinander geraten, da AOL die Werbung für den Börsengang von T-Online als unzulässig ansah. Nun wirft AOL dem größten deutschen Online-Dienst erneut vor, gegen geltendes Recht zu verstoßen. Nach Recherchen des SPIEGEL [Nr. 22/2000, Seite 77] hat AOL Beschwerde beim Bundeskartellamt eingereicht habe und hofft auf eine einstweilige Anordnung der Behörde.
AOL kritisiert, dass neue ISDN-Kunden der Telekom automatisch und ungefragt auch Mitglieder von T-Online werden, unabhängig davon, ob sie das Internet-Angebot nutzen oder nicht. Diese "Trickserei" treibe die Kundenzahlen von T-Online künstlich in die Höhe, sagte AOL-Sprecher Frank Sarfeld.
Im Gegenzug vermittele T-Online vielen seiner Internet-Kunden einen schnellen ISDN- Anschluss der Telekom und erhalte dafür von seinem Mutterkonzern jeweils eine Vergütung von rund 200 Mark. "T-Online wird vom Monopolisten Telekom unzulässig quersubventioniert", sagte Sarfeld. Mit diesen Einnahmen könne T-Online beispielsweise seine für Juni angekündigte Flatrate einen Internet-Zugang zum Pauschalpreis finanzieren. Darüber hinaus habe die Telekom das Ansinnen von AOL abgelehnt, ebenfalls ISDN-Anschlüsse zu vermitteln. "Die Telekom verweigert uns die Gleichstellung mit T-Online", sagte Sarfeld. Das führe zu "irreparablen Schäden", nicht nur bei AOL, sondern auch bei anderen Anbietern.
T-Online: Kaufangebot für größten britischen Internet-Dienst?
T-Online hat offenbar eine Offerte für Freeserve vorgelegt. Die Telekom-Tochter soll für den größten Internetanbieter Großbritanniens wesentlich mehr als den Börsenkurs zahlen wollen. Noch im Juni könnte der Millionendeal abgeschlossen werden.
Aus: Spiegel Online 28. Mai 2000, 22.58 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]LONDON. Am Freitag [26.5.2000] ging an der Londoner Börse die Freeserve- Aktie mit einem Kurs von 392 Pence aus dem Handel. T-Online wolle 650 Pence pro Aktie für das Unternehmen bieten, berichtet die Sunday Times. Der Titel stand allerdings schon einmal bei 920 Pence, fiel im Zuge der abflauenden Börse aber ab. Zum Zeitpunkt seines Börsengangs hatte Freeserve eine Marktkapitalisierung von 75 Millionen Pfund (rund 236 Millionen Mark).
Freeserve ist mit 1,9 Millionen Nutzern der größte Internet- Anbieter in Großbritannien. Neben T-Online gelten die in Großbritannien angesiedelte Kommunikations-Gruppe NTL und die spanische Terra Networks, eine Tochter der Telefónica, als Interessenten für Freeserve. Das Unternehmen gehört zu 80 Prozent dem Elektronik Einzelhandelsunternehmen Dixons. Dieses hatte vor drei Wochen erklärt, man suche nach Käufern für die Beteiligung. Am Markt werde davon ausgegangen, dass Dixons seinen Anteil an Freeserve reduzieren, aber nicht ganz aus dem Engagement aussteigen wolle. T-Online und Freeserve gaben heute ebensowenig einen Kommentar zu den Spekulationen ab, wie die Muttergesellschaften Dixons und Deutsche Telekom.
Vergrabene Kabel
Gelegentlich fragt man sich, ob sich Wirtschaftspolitik in Deutschland, einem Land mit hoher Arbeitslosigkeit und spürbaren Defiziten in der "New Economy" noch als Struktur- und Industriepolitik versteht. Defizite offenbart nicht nur die extreme Verteuerung der UMTS-Lizenzen, sondern auch der Umgang mit dem Kabelnetz der Telekom.
Aus: Spiegel Online 31. Mai 2000, 21.31 Uhr (nur elektronisch publiziert) von PETER GLOTZ. [Original]In diesem Land sind für viel Geld viele breitbandige Kupferkabel (und inzwischen auch allerhand Kilometer Glasfaserkabel) im Boden vergraben worden. Die Penetration bei den Haushalten beträgt heute 55 Prozent, sie soll bis zum Jahr 2010 noch auf 60 Prozent wachsen. Die Verkabelung durch die alte Bundespost (und ihren früheren Minister Schwarz-Schilling) war medienpolitisch motiviert, sollte Privatfernsehen ermöglichen und führte bei der Post und ihrem Rechtsnachfolger Telekom zu gewaltigen Verlusten, die zuletzt bei anderthalb Milliarden Mark jährlich lagen.
Jetzt verkauft die inzwischen gewinnorientierte Aktiengesellschaft Telekom ihre Kabel an (vorwiegend amerikanische) Interessenten, die dafür beachtliche Summen aufwenden. Warum tun sie das? Ihr Ziel ist die Aufrüstung dieser Kabel, die bisher vor allem für die Rundfunkverteilung genutzt wurden. Macht man die Kabel rückkanalfähig (was allerdings noch einmal bis zu zehn Milliarden Mark kosten wird) sind interaktive Dienste, Internet, Video-on-demand und Telephonie über das neue Kabel möglich. Ein Schlüsselproblem ist dabei die Digitalisierung, die erst ein Multimedianetz ermöglicht.
Heute herrscht im (analogen) Kabel wildes Gedränge, das nur mühsam von Landesmedienanstalten reguliert wird. Es gibt viel mehr Bewerber als Kanäle. Die Digitalisierung würde die Kanalkapazität vervielfachen und den Streit beenden. Wie aber managt man den Übergang? Die Digitalisierung verlangt ja nicht nur technische Veränderungen beim Sender, sondern auch beim Empfänger. Die Leute müssen Set-Top- Boxen kaufen, die die digitalen in analoge Signale verwandeln. Solange nur wenige Kunden solche Boxen ordern, bleiben diese teuer. Solange aber nur wenige Menschen digitale Programme empfangen können, wird niemand hohe Summen in attraktive Programme investieren. Es entsteht das berühmte Henne-Ei-Problem. Der Zuschauer investiert nur in neue Technik, wenn er dafür spannende Inhalte geliefert bekommt. Die Programmmacher aber werden nur dann viel Geld in Sport oder Filme investieren, wenn diese nicht ins Leere gesendet werden. Eine Blockade.
Man kann auf diese Situation auf zweierlei Art reagieren: paläo-liberal oder industriepolitisch. Man kann entweder achselzuckend warten, ob genialisch risikofreudige Unternehmer durch große Vorab-Investitionen einen Käufermarkt aus dem Boden stampfen oder man kann durch eine Initialzündung Rahmenbedingungen schaffen, die Wachstum generieren und den Wert des vergrabenen Kabels steigen lassen. Die Initialzündung verlangt allerdings medienpolitische Kenntnis der Örtlichkeit und Mut gegenüber der veröffentlichten Meinung.
Eine Initialzündung würde ausgelöst, wenn der Bund dem amerikanischen Beispiel folgte und für die Digitalisierung gesetzlich eine kurze Frist setzte. Wenn festgelegt wäre, dass im Jahr sagen wir 2004 nur noch digitale Programme verbreitet werden dürften, wäre die Nachfrage nach Set-Top- Boxen bald so groß, dass diese für 250 Mark statt für 1000 zu haben wären. Weniger als ein Zehntel der erwarteten Erlöse der UMTS-Lizenzen müssten (volkswirtschaftlich) aufgewendet werden, um alle Kabelhaushalte instand zu setzen, einige hundert Videostreams zu empfangen. Wer eine elegante Paket-Lösung zustande brächte, könnte unter Umständen sogar zu einer den Verbraucher entlastenden Teilsubventionierung der Endgeräte kommen. Die Folge wäre eine deutliche Belebung bei neuen Diensten und digitalen Produkten sowie bei hochwertigen Arbeitsplätzen der New-Economy.
Ein ordnungspolitisches Problem wäre solch eine Politik schon. Sie stellte die technische Standardisierung in den Dienst der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik. Darüber kann man streiten. Hoffentlich streitet die deutsche Politik nicht so lange bis der Medienstandort Deutschland in der Wende zum Internet-Zeitalter endgültig als zweitrangig festgeschrieben ist.
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