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Internet-Handel: Bytes plus Mehrwertsteuer
Die EU-Kommission hat sich nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf einheitliche Regeln für Online- Mehrwertsteuern verständigt. Firmen aus nicht-europäischen Ländern müssen sich künftig für ihr Privatkunden-Geschäft in einem EU-Land registrieren lassen.
Aus: Spiegel Online 2. Juni 2000, 16.45 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BRÜSSEL. In einem bislang noch unveröffentlichten Entwurf zur Novellierung der sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie, die voraussichtlich am kommenden Mittwoch vorgestellt werden soll, werden die steuerrechtrechtlichen Verhältnisse für das Online- Geschäft geklärt. Unter die neuen Regelungen fallen Geschäfte mit Videos, Softwareprogrammen, Musik und anderen digitalen Inhalten, die Kunden per Download beziehen können, sowie elektronische Informationsdienste und das Bezahl- Fernsehen.
Mehrwertsteuerrechtlich will die Kommission die elektronischen Lieferungen als Dienstleistungen einstufen. Unterschiede wird es künftig bei der Behandlung von Privat- und Geschäftskunden geben: So gilt bei Lieferungen zwischen Unternehmen das Bestimmungsland-Prinzip. Demnach muss der Käufer die Steuer in der Höhe des Mehrwertsteuersatzes seines Landes abführen. Privatpersonen hingegen müssen die Steuer in der Höhe der Steuer des Mitgliedstaates zahlen, in dem der Internet-Anbieter seinen Sitz hat. Laut FAZ erwächst für den Anbieter daraus ein steuerliches Haftungsrisiko, da der Lieferant den Steuerstatus seines Kunden selbst identifizieren muss.
Kathrin Bremer, Rechtsreferentin im IT-Verband Bitkom äußerte SPIEGEL online gegenüber die Ansicht, es entstünde den Unternehmen durch diese Regelung ein Ñerheblich größerer Aufwandì, da sie auf Rechnungen Privatkunden gesondert ausweisen müssen. Zudem hätten Unternehmen in EU-Staaten mit einem höheren Mehrwertsteuer-Satz Standortnachteile. Tatsächlich kann die Regelung dazu führen, dass größere Unternehmen Tochterfirmen für das Privatkunden-Geschäft in Luxemburg gründen. Hier werden derzeit die niedrigsten Mehrwertsteuern erhoben. Konventionell bezogene Softwareprogramme beispielsweise werden dann teurer sein als Programme per Internet- Download.
Auch nicht-europäische Unternehmen werden von den europäischen Mehrwertsteuerregeln erfasst. So können sich beispielsweise US-Unternehmen in einem EU-Land ihrer Wahl anmelden und dort die Steuer entrichten. Ausnahme: Anbieter mit einem Jahresumsatz von weniger als 100.000 Euro. Damit kam die Europäische Kommission den Einwänden der amerikanischen Handelskammer in Brüssel entgegen, die befürchtet hatte, dass die US-Firmen unterschiedliche Steuersätze in jedem einzelnen EU-Land abführen müssen.
Bislang mussten europäische Kunden keine Mehrwertsteuern auf US-Internetprodukte zahlen. Dies benachteiligte jedoch die europäischen Firmen. Schon jetzt ist abzusehen, dass die neue Richtlinie nicht nur die Online-Geschäfte indirekt fördert, sondern auch den Wettbewerb in Sachen Mehrwertsteuern unter den Mitgliedstaaten.
Internet-Handel: Bundesrat billigt verbesserten Verbraucherschutz
Der elektronische Einkauf soll nach Willen des Bundesrates künftig sicherer werden. Überraschend schnell einigte sich die Länderkammer auf einen verbesserten Verbraucherschutz für E-Shopper, nachdem das Gesetz in den letzten Wochen zunächst durch Lobby-Vertreter des Buchhandels stark kritisiert wurde. Der befürchtete zu hohe Kosten durch Warenrücksendungen.
Aus: Spiegel Online 9. Juni 2000, 23.30 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BONN. Nach dem Bundestag hat auch der Bundesrat Verbesserungen beim Verbraucherschutz für Geschäfte im Internet nach Änderungen im Vermittlungsausschuss gebilligt. Außerdem nahm die Länderkammer heute in Bonn das neue Stiftungsrecht ebenfalls in der vom Vermittlungsausschuss geänderten Fassung an. Beide Gesetze können damit in Kraft treten.
Mit dem so genannten Fernabsatzgesetz werden die Rechte der Verbraucher im Versandhandel jeder Art gestärkt. Es gilt für alle Geschäfte, bei denen sich Verkäufer und Käufer nicht zu Gesicht bekommen, ob per Telefon, Brief, Fax, E-Mail oder Internet. Unter anderem wird eine einheitliche Widerrufsfrist von sieben Werktagen eingeführt.
Unbestellt zugesandte Waren müssen die Kunden weder zurückschicken noch aufbewahren. Um betrügerische Gewinnversprechen einzudämmen, wird ein gesetzlicher Anspruch auf Auszahlung des Gewinns eingeführt. Werden Kreditkartendaten missbräuchlich durch Dritte verwendet, trägt das Kreditinstitut die Beweislast. Die Bank muss nachweisen, dass der Verbraucher selbst mit seiner Karte gezahlt hat.
Im Vermittlungsverfahren wurde entschieden, dass der Käufer bei Widerruf die Rücksendekosten selbst tragen müsse, wenn der Warenwert bis zu 80 Mark beträgt. Ursprünglich sollten die Rücksendekosten immer zu Lasten der Händler gehen. Die Länder sahen darin aber eine zu große Belastung für den Buchhandel, da dort die Rücksendequote bereits zwischen fünf und zehn Prozent betrage. Aus Gründen der Gleichbehandlung soll die Grenze nun für alle Branchen gelten. Der Händler hat weiter die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware nicht der bestellten entspricht.
Verwaltung online Nummer ziehen
Die deutsche Großwirtschaft hat das Ruder herumgeworfen und nimmt immer stärker Kurs auf das Internet. Dagegen dümpelt der öffentlichen Dienst, was das Web angeht, immer noch in der Flaute.
Aus: Spiegel Online 15. Juni 2000, 11.12 Uhr (nur elektronisch publiziert) von PETER GLOTZ. [Original]Die Tanker Bertelsmann und SAP sind schon auf neuen Kurs gebracht; Thomas Middelhoff und Hasso Plattner sitzen die Mützen noch schief von der Anstrengung. Aber auch die Großchemie organisiert schon Internet-Apotheken, drei Automobilriesen planen einen Ersatzteilmarkt und Siemens kauft amerikanische Internetfirmen. Es tut sich etwas am Stillstandort Deutschland.
Was aber passiert im öffentlichen Dienst? Wer einen Pass oder einen Führerschein will, muss in aller Regel auch heute noch ein "Kreisverwaltungsreferat" wie das in München heißt aufsuchen, eine Nummer ziehen, warten, einen Antrag ausfüllen, Passbilder abgeben und ein paar Tage später noch einmal persönlich vorsprechen, um das Dokument abzuholen. Das ist das Gänsemarsch-Prinzip.
Der Bürger ist in dieser Prozedur Untertan. Übrigens oft genug ein schlecht Behandelter. Die niedere Bürokratie ist schlecht bezahlt und überlastet. Wer ein paar Stunden lang unkundigen Ausländern oder gehetzten Kleingewerbetreibenden die heute erzwungenen Prozeduren erklären muss, wird leicht übellaunig. Wie lange werden sich die Bürger diese Behandlung noch gefallen lassen?
Denn natürlich wird es bald möglich sein, ein amtliches Dokument online zu bestellen und zu bekommen. Noch ist die Datensicherheit Stichwort: elektronische Signatur vielleicht nicht weit genug. Bald aber wird das gesamte deutsche Meldewesen revolutionierbar sein.
Aufhaltbar ist die Zukunft nicht
Der Widerstand gegen die Elektronisierung von Verwaltungsprozessen wird so groß sein wie der gegen die Liberalisierung des Ladenschlusses. Es gibt wohlorganisierte Interessengruppen, die ihre Klientel vor Veränderungen zu bewahren suchen und die Massen der "Verbraucher" nicht weiter wichtig nehmen. Die Elektronisierung der Verwaltung kostet natürlich langfristig Arbeitsplätze des öffentlichen Dienstes. In Zukunft wird die Qualität einer Verwaltung aber daran gemessen werden, wie bequem die Bestellung eines Dokumentes ist und wie kurz die Zeitspanne bemessen sein wird, in der Pinneberg oder Murnau Baugenehmigungen erteilen.Schon kann man in Dortmund seine Einkommenssteuererklärung über das Web einreichen. Die Zukunft ist verzögerbar. Der Wettbewerbsdruck, der die Post zur Telekom verwandelte, fehlt. Wer in München wohnt, kann sich seinen Pass nicht in Hamburg ausstellen lassen. Aber aufhaltbar ist die Zukunft nicht. Administration by E-mail wird sich spätestens im zweiten Jahrzehnt des kommenden Jahrhunderts eingebürgert haben. Man kann also nur raten, dass sich die öffentliche Verwaltung eine stärkere Service-Orientierung zulegt und die Kommunalverwaltung auf das sogenannte Neue Steuerungsmodell umstellt. Die Verwaltung muss mit weniger Mitteln mehr Leistungen erbringen.
Standing in line to online
Was erwartet der Bürger? Er möchte vor allem von "Standing in line to online" gelangen. Das heißt: Er möchte, dass die moderne Informations- und Kommunikationstechnik Bereitstellungsprozesse von Formularen, Meldeprozesse, Erklärungsprozesse, Bewilligungsprozesse und Kontrollprozesse nachhaltig vereinfacht. Auf dem Weg von der genehmigenden zur dienstleistenden Behörde sollen Prozesse, die heute noch sequenziell ablaufen, parallel ausgeführt werden. Das wird dadurch ermöglicht, dass ein Papier nicht mehr von einem Schreibtisch zum nächsten wandern muss, sondern dass alle Beteiligten gemeinsam auf die selben Daten zurückgreifen. Der Bürger wird in die Abläufe eingebunden und hat selbst Zugriff auf seine eigenen Daten.Am weitesten sind dabei Modellkommunen, zum Beispiel Esslingen am Neckar, Bremen oder Nürnberg. Sie beteiligten sich beim deutschen Wettbewerb Media@Komm. Jeder Bürger wird mit einer Smartcard ausgestattet, die die eigene digitale Signatur trägt. Das Projekt sieht vor, nicht nur existierende Dienstleistungen ins Netz zu stellen, sondern sie umzustrukturieren. Ziel ist es, Anwendungsprozesse so zu reorganisieren, dass vorher getrennte Vorgänge einer Dienstleistung zusammengefasst werden. Intern sollen die Dokumentenaufnahme und -verwaltung sowie die Terminplanung verbessert und verschiedenartige Prozesse untereinander vernetzt werden, damit ein optimaler Nutzen entsteht.
Wer diese Richtung geht, kann viel ändern: Meldeprozesse, Steuererklärungen, aber auch Bewilligungen (Führerschein, Pass) könnten online erteilt werden, ohne mehrfache Besuche und langwieriges Anstehen bei irgendeinem Amt. Und niemand sollte sagen, das seien utopische Forderungen. In Santa Monica (Kalifornien) gibt es bereits entsprechende Angebote. Dort kann man online eine Lizenz für ein Unternehmen beantragen, ein Fahrrad oder ein Haustier anmelden. Die Bezahlung bei Behörden geschieht über der Internet per Kreditkarte.
Langsame Gangart
Die Realität in den durchschnittlichen Städten unseres Landes ist, damit verglichen, bescheidener, man könnte auch sagen kümmerlicher. Man gibt allen Ämtern eine eigenen E-mail-Adresse, ihre Anschriften und Öffnungszeiten werden auf der Webpage bekannt gegeben, eine Stadtkarte weist auf ihren Standort hin. Für viele Ämter existieren Beschreibungen über Ablauf und Gebühren verschiedener Verwaltungsprozesse, vereinzelt werden Formulare zum Herunterladen oder falls diese ohne Signatur abgeschickt werden können zum Online-Versand bereitgestellt. Das Schulamt informiert über seine verschiedenen Schulen, ein Ferienplan wird auf dem Internet veröffentlicht, die Schulzahnklinik informiert ausführlich über die Pflege von Kinderzähnen, das Sportamt stellt ein Online-Formular zur Verfügung, mit dem man ein Gesuch zur Turnhallennutzung stellen kann. Das ist es im allgemeinen dann auch schon. Das aber heißt: Die Zukunft hat noch nicht begonnen.Schuld an der langsamen Gangart sind nicht einfach die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes und ihre Organisationen, obwohl die das Arbeitsplatzrisiko spüren und natürlich vorsichtig sind. Die eigentliche Verantwortung liegt bei der Politik, die erstens das Gänsemarschprinzip verinnerlicht hat und nicht recht für veränderbar hält, zweitens viel zu wenig in die neue Infrastruktur investiert (weil man die Rationalisierungspotentiale unterschätzt) und drittens mit wichtigen Truppenteilen tief in den Achtziger Jahren steckt. Bei der Kryptografie bremsen Innenverwaltungen, Polizei und Geheimdienste, beim Datenschutz die Grünen, bei der elektronischen Signatur viele Repräsentanten der juristischen Berufe.
Die Koalition der Verzögerer ist mächtig. Die Netizens müssen sie hörbarer attackieren.
Ostdeutschland wird multimedial verkabelt
"Klammheimlich", ohne viel PR-Rummel hat das Unternehmen PrimaCom damit begonnen, den Osten der Republik breitbandig zu verkabeln. So soll Magdeburg bereits Anfang 2001 zur bestverkabelten Stadt der Republik werden.
Aus: Spiegel Online 16. Juni 2000, 15.15 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]MAGDEBURG. Den Empfang von mehr als 50 TV-Programmen und Einkaufen per Fernbedienung macht das interaktive Fernsehen möglich. In die Installation der dafür benötigten Breitbandübertragungsnetze investiert allein die PrimaCom AG in diesem Jahr über 300 Millionen Mark.
Unklar ist noch, welche Zugangstechnik sich durchsetzen wird, da die Anbieter dabei auf die verschiedensten Modelle setzen. Die Palette reicht von der Ausnutzung der modernen Breitbandkabeltechnologien bis hin zum Internet-Anschluss aus der Steckdose, wie Andrea Scherner vom Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten (VATM) in Köln berichtet.
Die PrimaCom AG investiert schon kräftig. Fast unbeachtet von der Öffentlichkeit lässt das Unternehmen in zahlreichen Städten in Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen graben. Über 300 Millionen Mark investiert es in den drei Bundesländern allein in diesem Jahr, um eines der modernsten Breitbandübertragungsnetze Europas zu installieren, wie Geschäftsführer Marcel Nijhoff sagt. Das Kabel ist zwar nur wenige Millimeter dick, verfügt aber mit 862 Megahertz über nahezu die doppelte Leistung des alten Netzes und liefert den Angaben zufolge die Basis für Highspeed-Internet, Digital-TV und interaktive Pay-per-view- Dienste.
"Das ist das Tor zur multimedialen Welt, in der Fernsehen, Internet und Telefonie immer mehr verschmelzen", schwärmt Thomas Chojnacki von der PrimaCom-Außenstelle in Magdeburg. In der Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt sollen bis zum Frühjahr 2001 alle Haushalte die Möglichkeit haben, die Vorteile nutzen zu können. Ohne großen Aufwand, mit einer in der Wohnung installierten Buchse sowie einem Decoder können dann mehr als 50 TV-Kanäle empfangen werden. Antennen und Schüsseln sind nicht mehr nötig. Mit Pay per view, also dem Bezahlfernsehen, können sich die Nutzer aus der virtuellen Videothek die neusten Spielfilme auf den Bildschirm holen, für sechs Mark pro Film.
Im Gegensatz zum alten Kabel, das Filme und Sendungen in die Haushalte liefert, verfügt das PrimaCom-Netz zusätzlich über einen Rückkanal für Kundenwünsche. Damit können per Fernbedienung Möbel, Lebensmittel und andere Produkte aus dem Fernsehshop ausgewählt und bestellt, Reisen gebucht und das Konto geführt werden, wie Chojnacki erklärt. Der Fernseher übernehme damit die Funktionen, die heute noch dem Computer vorbehalten seien. Zudem kommen die Internet-Freunde auf ihre Kosten. "Unsere Glasfaserkabel ermöglichen ein Internet-Surfen mit 16facher ISDN-Geschwindigkeit", preist Nijhoff sein Produkt an.
Die PrimaCom entstand 1998 aus dem Zusammenschluss der Unternehmen Süweda und KabelMedia und ist seit Februar des vergangenen Jahres am Neuen Markt in Frankfurt am Main und an der amerikanischen NASDAQ notiert. 1999 erzielte das Unternehmen mit Hauptsitz in Mainz einen Umsatz von rund 207,2 Millionen Mark, was einem Wachstum von rund 114 Prozent entspricht. Dass sich PrimaCom als drittgrößter Kabelanbieter der Bundesrepublik vor allem in Ostdeutschland engagiere, sei kein Zufall, sagt Nijhoff. Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zählten schließlich zu den dynamischsten Regionen Europas. Mit 18,8 Prozent Marktanteil ist PrimaCom nach eigenen Angaben der größte private Kabelnetzbetreiber in den neuen Bundesländer.
QSC: Schnell ins Ausland
Aus: Der Spiegel 25/2000, 19. Juni 2000, Seite 78 (Trends).Nach dem Start in Deutschland will das Kölner Unternehmen QSC auch in den Beneluxstaaten sowie in Italien schnelle Zugänge ins Internet anbieten. Entsprechende Pläne und Verträge will die Firma, die im April unter der Federführung der Investmentbank Morgen Stanley Dean Witter am Neuen Markt gestartet war, in dieser Woche vorstellen.
Die von zwei ehemaligen Thyssen-Telekom-Managern gegründete Firma bietet in Deutschland als erstes Unternehmen neben der Telekom so genannte SDSL- Breitbandanschlüsse an, bei denen die Kunden über die normale Telefonleitung mit Geschwindigkeiten von bis zu 2,3 Megabit pro Sekunde im Internet surfen und in ISDN-Qualität telefonieren können. Bis Ende 2000 will QSC seine Flat-Rate-Tarife (ab 144 Mark) in über 60 deutschen Großstädten anbieten und der Telekom langfristig Marktanteile von bis zu 10 % abjagen.
[QSC-Marktoffensive macht Internet-Standleitung jetzt auch für kleine Firmen erschwinglich]
PSINet: Klage gegen die Deutsche Telekom?
Nach Ansicht von PSINet Germany stellt die Deutsche Telekom ihren Konkurrenten für die letzte Meile zu den Kunden viel zu geringe Leistungen zur Verfügung. Das bremst nach Meinung der Firmenleitung den Wachstumsmarkt Internet. Daher will das Unternehmen jetzt Klage gegen die Telekom bei der EU-Kommission einreichen.
Aus: Spiegel Online 20. Juni 2000, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BERLIN. Wenn die Telekom die Leitungspreise für die Mitbewerber senke, einen besseren Service und bessere Qualität biete, könne der Internetmarkt in Deutschland innerhalb von zwölf Monaten um 400 % wachsen, sagte PSINet-Chef Pete Wills in Berlin. In Deutschland seien rund 15 bis 20 % der Bevölkerung online, in Großbritannien liege die Quote bei 40 % und in Skandinavien bei fast 60 %.
Die Deutsche Telekom sei viel zu langsam bei der Bereitstellung der Leitungen für die "Last Mile", die eigentlich nicht die "Letzte Meile", sondern die "First Mile" sei, erklärte Wills weiter. Die Unternehmen seien die Geisel der Telekom, da diese für eine bessere Marktdurchdringung mitspielen müsse. PSINet könne aber nicht warten und müsse Alternativen suchen. So will man mit lokalen Netzanbietern bei der "Last Mile" zusammenarbeiten, die bereits eine Verbindung zu den privaten Kunden anbieten. Für die Kommunikation zwischen den Ballungszentren stehe dann das eigene Glasfasernetz zur Verfügung.
Besser als die Mutter
Otelo erwartet 1.000.000sten Kunden
Aus: Der Spiegel 26/2000, 26. Juni 2000, Seite 75 (Trends).In den kommenden ein bis zwei Wochen hat die Kölner Telefongesellschaft Otelo Anlass zum Feiern: Dann nämlich wird das Unternehmen [Ed: dank Kundenfang mit Drückerkolonnen] den einmillionsten Festkunden in seinem Netz verbuchen können sehr zum Ärger der Muttergesellschaft Mannesmann- Arcor [Ed: die Vodafone-Airtouch gehört]. Die hatte Otelo im April vergangenen Jahres von den Stromkonzernen RWE und Veba gekauft und ganz andere Ziele im Sinn: Während sich Arcor als Premiummarke für Unternehmen und zahlungskräftige Festkunden etablieren wollte, sollte Otelo eher zur Discountmarke für nicht fest gebundene Kunden zusammengestaucht werden.
Doch es kam ganz anders. Während sich Otelo ein Jahr nach der Übernahme bei den Festkunden noch weit vor MobilCom (rund 700.000 Kunden) als ernsthafter Konkurrent der Deutschen Telekom etablierte, verfehlte Arcor-Chef Harald Stöber das selbst gesteckte Ziel, zur Nummer eins aufzusteigen, deutlich: Mit offiziell 630.000 Kunden rangiert das Frankfurter Telefonunternehmen lediglich auf Platz drei.
Telekom auf der Suche
Der Kommunikationsgigant steht vor einer tief greifenden Zäsur: Den dramatischen Gewinneinbruch in Deutschland will Ron Sommer durch den Aufbau neuer Wachstumsbereiche ausgleichen. Voraussetzung für den Erfolg dieser Strategie sind Fusionen oder Übernahmen im Ausland.
Aus: Der Spiegel 26/2000, 26. Juni 2000, Seite 9293 (Wirtschaft). [Original]Der Auftritt in der Frankfurter Börse war so ganz nach dem Geschmack des Telekom-Chefs. Wochenlang hatte sich Ron Sommer über die düsteren Prognosen von Finanzexperten geärgert. Eine "Zitterpartie", so argwöhnten sie, könne der vierte Börsengang der Telekom werden. Das Papier sei überbewertet, die Anleger nach den Kursstürzen der vergangenen Monate "extrem verunsichert".
Umso größer war Sommers Genugtuung, als er am vergangenen Montag in Frankfurt eine Erfolgsbilanz präsentieren konnte, die kaum jemand für möglich gehalten hatte: 200 Millionen Aktien zum Preis von je 130 Mark hatte die Telekom angeboten, gut 700 Millionen hätten die Anleger ihr abgenommen.
Dass Sommer mit seinem unumstrittenen Verkaufstalent Aktionäre begeistern und mitreißen kann, hat er in den vergangenen vier Jahren mehrfach unter Beweis gestellt. Der neue Run auf die T-Aktie jedoch ist mit rationalen Argumenten kaum noch zu erklären. Nie zuvor klafften Unternehmensdaten und Börsenbewertung weiter auseinander, nie zuvor mussten die Anleger mehr Vertrauen in die visionären Versprechungen des Telekom-Chefs setzen.
Das Unternehmen steht vor einer tief greifenden Zäsur mit unüberschaubaren Folgen. Seit Monaten muss die Telekom in ihrem Kerngeschäft herbe Rückschläge hinnehmen. Viel schneller als erwartet schlug der Wettbewerb beim Telefonieren auf die Margen durch. Um die Kunden nicht scharenweise an die Konkurrenz zu verlieren, musste Sommer die Tarife drastisch senken. Die Folge: Die Gewinne sinken und zwar dramatisch.
Nur durch Verkäufe von Teilen des TV-Kabelnetzes oder aus dem umfangreichen Immobilienbesitz kann das Ergebnis noch ausgeglichen werden. Und an dieser Entwicklung, befürchtet der neue Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick, werde sich vorerst nichts ändern. "Der Verkauf von nicht mehr benötigten Unternehmensteilen in Milliardenhöhe", so Eick, "wird in den nächsten zwei bis drei Jahren zu einem festen Bestandteil der Ergebnisplanung." Dann jedoch, hoffen die Telekom-Lenker, werde der Konzern das Tal der Tränen durchschritten haben.
Konsequent hat Sommer auf die Einbrüche im Telefongeschäft reagiert und dem Konzern einen rigorosen Umbauplan verordnet. Neben dem Festnetzgeschäft, das allein in diesem Jahr mit Investitionen von rund zwei Milliarden Mark auf breitbandige Anschlüsse (T-DSL) zur schnellen Datenübertragung aufgerüstet wird, soll das Geschäft künftig auf drei weiteren Säulen basieren: den zukunftsträchtigen Bereichen Mobilfunk, Internet und Datenkommunikation.
Alle drei Sparten sollen durch Zukäufe zu globalen Spitzenreitern ausgebaut werden und die Verluste im Festnetz ausgleichen. Was nicht mehr ins neue Konzept passt, wird verkauft.
Auch die Funktionen des bislang achtköpfigen Vorstands sollen dem neuen Modell angepasst werden. Zwar werden Einzelheiten erst auf einer Klausurtagung in den nächsten Wochen beschlossen. Es gilt aber als sicher, dass eine Art Holding-Vorstand aufgebaut wird, in dem sich voraussichtlich auch ein neuer Vorstand um Inhalte für die verschiedenen Telekom-Dienste kümmern soll.
Geht Sommers Planung auf, steht der Telekom tatsächlich ein enormes Wachstum bevor. Denn kaum ein anderer Telefonkonzern hat sich ähnlich breit aufgestellt wie der Ex-Monopolist aus Bonn. Chris Gent beispielsweise konzentriert sich mit Vodafone allein auf den Bereich Mobilfunk, Steve Case mit AOL auf das Internet, IBM auf Datenlösungen, und selbst Telefonmultis wie Worldcom wollen mit Festnetztelefonie und Mobilfunk demnächst nur zwei Bereiche abdecken.
Voraussetzung für Sommers ehrgeizige Pläne ist jedoch, dass es ihm gelingt, das Unternehmen mit seinen vier Säulen auch international erfolgreich zu positionieren. Genau daran hapert es aber noch gewaltig. Seit die geplante Fusion mit der Telecom Italia im vergangenen Jahr scheiterte und auch der internationale Brückenkopf Global One wegbrach, den die Deutschen zusammen mit der France Télécom und der US-Firma Sprint aufgebaut hatten, gerät Sommer mit seinen Auslandsplänen immer stärker unter Zugzwang.
Nicht einmal zehn Prozent des Umsatzes, musste sich der Telekom-Chef auf der letzten Hauptversammlung von aufgebrachten Aktionären vorwerfen lassen, erziele die Telekom im Ausland. Sommer, wetterte Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz in Hessen, habe sich als reiner "Ankündigungsweltmeister profiliert". Ganz so untätig wie es den Aktionären scheint, waren Sommer und seine Mannen aber nicht. Und das nicht nur, weil mit den Börsengängen erst die notwendige Papier-Währung von rund 100 Milliarden Euro geschaffen wurde, um den teuren Auslandsfeldzug überhaupt zu finanzieren.
Nach dem Fiasko mit der französischen Allianz, in der sich Sommer und sein Pariser Kollege Michel Bon aufrieben, hat der Telekom-Chef strenge Regeln aufgestellt. "Eine Minderheitsbeteiligung oder ein Joint Venture, bei dem beide Partner gleich viel zu sagen haben", betont Auslandsvorstand Jeffrey Hedberg, "kommt für die Telekom erst gar nicht in Frage." In einem Konzern, so Hedberg, könne nur einer die Richtung angeben ‚ und das soll natürlich die Telekom sein.
Eine Minderheits- beteiligung kommt für die Telekom erst gar nicht in Frage Auch eine Übernahme, bei der sich das Management mit hohen Abfindungen aus dem Staub macht, wie es etwa bei Mannesmann nach der Übernahme durch Vodafone geschah, kommt für die Telekom nicht in Frage. Die Lücken mit eigenen Managern zu besetzen oder neue Spitzenleute zu suchen sei viel zu langwierig und könne den Erfolg einer Übernahme komplett in Frage stellen, meint Hedberg. Klar, dass die Partnersuche bei so strengen Vorgaben nicht einfacher geworden ist. Besonders in Europa, stöhnt ein Vorstand, sei die Situation "äußerst schwierig". Nicht selten scheitern selbst sinnvolle Bündnisse an nationalem Prestigegerangel.
Zum Beispiel hatten Sommers Manager wochenlang mit der spanischen Telefónica über eine Fusion verhandelt. Über alle grundsätzlichen Fragen, bestätigt ein Telekom-Manager, bestand Einigkeit. Doch der greifbar nahe Abschluss, der das weltweit wohl schlagkräftigste Telekommunikationsbündnis besiegelt hätte, scheiterte an der Standortfrage für die Firmenzentrale: Die Telekom lehnte Madrid ab, die Telefónica Bonn. Selbst dem von den Deutschen vorgeschlagenen Kompromiss, die Holding in Amsterdam anzusiedeln, wollte Telefónica-Chef Juan Villalonga nicht zustimmen.
Völlig umsonst, so ein Telekom-Manager, seien solche Verhandlungen trotzdem nicht: "Der Druck, sich zu schlagkräftigen Einheiten zusammenzuschließen, wächst täglich." Bei neuen Gesprächen in einigen Wochen oder Monaten könne dann zumindest auf bereits ausgehandelte Zwischenergebnisse zurückgegriffen werden.
So hat sich die Telekom beispielsweise bei der Telecom Italia eine Rückfallposition aufgebaut. Zwar würde eine Übernahme auch diesmal an nationalen Ressentiments scheitern, glaubt ein Telekom-Manager. Der Weg, beide Konzerne über die Gründung einer völlig neuen Gesellschaft zusammenzuführen, stehe aber offen.
Vorerst jedoch will sich die Telekom auf den Erwerb von UMTS-Lizenzen beispielsweise in Frankreich, der Schweiz oder Österreich konzentrieren. Über die begehrten Mobilfunkfrequenzen und den Aufbau eigener Netze soll der Einstieg in die Auslandsmärkte gelingen.
Die immer wieder unterstellten Gespräche mit der britischen Telefongesellschaft BT, so ein Telekom-Vorstand, gebe es dagegen "definitiv nicht". Interessanter sei da schon BT-Konkurrent Cable & Wireless. Dort sind die Führungsstrukturen zurzeit allerdings so unklar, dass sich Gespräche äußerst zäh entwickeln.
Das Hauptaugenmerk für größere Investitionen liegt deshalb jetzt wieder einmal auf dem US-Markt. "Dort", so ein Telekom-Vorstand, "haben wir vier bis fünf aussichtsreiche Bälle in der Luft." Interesse hat die Telekom beispielsweise an dem größten regionalen US-Telefonanbieter Bell Atlantic/GTE. Mit dem erst kürzlich fusionierten Unternehmen, das über rund 63 Millionen Festnetzanschlüsse und 25 Millionen Handy-Kunden verfügt, wäre ein idealer Einstieg auf dem US-Markt möglich. Aber auch die abgebrochenen Verhandlungen mit der US-Gesellschaft Qwest könnten wieder belebt werden.
Ob solche großen Fusionen in den nächsten Wochen tatsächlich abgeschlossen werden, ist ungewiss. "Wir lassen uns", hat Sommer seinen Mitarbeitern erst vor wenigen Tagen eingebläut, "keinesfalls unter Druck setzen." Nur wenn sich eine wirklich gute Chance ergebe, werde die Telekom zum großen Schlag ausholen.
Bis dahin will der Telefonmulti seine vier Säulen mit kleinen, aber feinen Zukäufen verstärken. Schon in den nächsten ein bis zwei Wochen soll ein solches Geschäft abgeschlossen werden. Bis dahin nämlich will die Telekom den größten englischen Internet- Anbieter Freeserve übernehmen. "Der riesige Coup", so ein Telekom- Manager, sei das noch nicht. Die internationale Position der Internet-Tochter T-Online werde dadurch aber erheblich gestärkt.
Cybermüll: Ist das Internet krank?
Ist es wirklich schon so weit, dass die virtuelle Welt im eigenen Abfall erstickt? Bedarf es eines neuen, eines "digitalen" Umweltbewusstseins? Nach Auffassung der "Umweltorganisation" BIOS ist es dafür allerhöchste Zeit.
Aus: Spiegel Online 26. Juni 2000, 13.16 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BERLIN. Genau wie in den Anfangsjahren von Greenpeace begrüßen auch die Enthusiasten von BIOS die Besucher mit einem weisen Apachen-Spruch aus der Ära vor Hard- und Software: "Wenn der weiße Mann die Natur zerstört hat, wird er sich einen Lebensraum schaffen, der keinen Ort hat, um seine Fehler zu wiederholen". Doch diesmal scheint die Rettung so einfach, sie soll schon einen Klick weiter liegen! Ganz so einfach ist es natürlich nicht, aber BIOS versteht sich als erste Organisation, die für den Schutz des Internets als menschlichen Lebensraum kämpft. Klar, dass da erst einmal ein digitales Umweltbewusstsein geschaffen werden muss!
Denn das Internet ist krank. Kränker geht es kaum noch. Es wird an allen möglichen Ecken verschmutzt und zugemüllt: mit schlechten, veralteten Webseiten, Junkmails und mausetoten Links [Ed: besonders ärgerlich bei den Medienprofis sprich Zeitungen]. Suchmaschinen stehen nach Auffassung der Retter im Pakt mit den digitalen Umweltverschmutzern und lassen den Suchenden in der virtuellen Welt umherirren [Ed: und der Gebührenzähler tickt]. Millionen von fortschrittlichen, intelligenten Menschen verheddern sich so in ergebnislosen und zeitraubenden Recherchen.
Suchmaschinen geben zwar vor, ein Mittel gegen das Chaos zu sein, doch es gibt auch eine andere Logik: Je mehr orientierungslose User, desto mehr Traffic beschert dies den Suchmaschinen. Und je mehr gescheiterte Suchanfragen, desto länger die Verweilzeiten, und das bedeutet nicht nur mehr Mausklickerei, sondern für die Betreiber vor allem mehr Einnahmen für die Werbebanner.
Zugegeben, bei manchen Suchmaschinen liegt dieser Eindruck nahe, vor allem wenn auf eine Anfrage unzählige Male nur dieselbe Webadresse ausgespuckt wird.
Aller Anfang ist schnell
Die Schaffung eines Umweltbewusstseins gelang Organisationen wie Greenpeace in der realen Welt erst nach Jahren. In der virtuellen, schnelllebigen Welt soll es aber im Handumdrehen gehen. Gerade Anfang Mai wurde von (echten) Menschen aus der Berliner "Start-up- und Multimedia-Szene" BIOS gegründet. BIOS steht für "Better Internet Orientation Squad For Digital Environment", also für eine Truppe, die sich eine bessere Ausrichtung des digitalen Lebensraums Internet zum Ziel gesetzt hat.Natürlich waren sich die Gründer darüber im Klaren, dass sich die reale von der virtuellen Umwelt unterscheidet. Niemand braucht gute Websites zum Atmen. Aber zur gezielten, befriedigenden Information oder zum problemlosen Buchen, Einkaufen und Kommunizieren ohne Verlust von Zeit, Geld und Nerven ist ein "sauberes" Internet-Milieu die Voraussetzung. Das notwendige Bewusstsein dafür zu schärfen und zu entwickeln ist das Ziel von BIOS.
Richtig in Aktion setzte sich BIOS bei der Internet World in Berlin. Nach eigenen Angaben "sprengte" die Schar der digitalen Umweltschützer die offizielle Eröffnungsveranstaltung. Ganz so radikal war es dann nicht. Nicht nur die Messe war überschaubar, auch die Störaktion. Anfangs reagierte der Eröffnungsredner aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, der Parlamentarische Staatssekretär Siegmar Mosdorf, auf die Plakataktion mit Unverständnis. Nach einem kurzen Gespräch lud er die Aktionisten dann zu einem Gespräch ins Ministerium. Ähnlich interessiert soll sich Florian Langenscheidt vom Vorstand der Brockhaus AG gezeigt haben.
Nach der Plakataktion wurden die Besucher direkt vor den Toren der Messehallen an einem Aktionsstand begrüßt und von den "Umwelt-Polizisten" aufgeklärt. Trotz allem begeistert der missionarische Eifer von BIOS nicht alle Netzmenschen. Im Messageboard der Netz-Ökologen prophezeit "Eddy" ihnen schon den baldigen Untergang, denn "die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche ... Und so wird diese sinnlose Site verschwinden, wie sie auftauchte, aus dem Müll".
Eine Menge BIOS im Müll...
Vielleicht liegt er gar nicht so weit daneben, denn die meistgehasste Seite des Webs in der "digitalen Trashcan", einer Einrichtung zur Entsorgung der miesesten Webseiten durch jedermann, ist die BIOS-Seite selbst. Chris Knipping, einer der Mitbegründer von BIOS, gibt sich aber optimistisch, denn "das Thema digitaler Umweltschutz ist auf dem Tisch." Zensur ist seine Sache nicht, der bessere digitale Lebensraum soll durch "eine Art freiwilliger Selbstkontrolle" verwirklicht werden, aus "Rücksichtnahme auf die Ressourcen Zeit und Aufmerksamkeit aller anderen User".Wer keine große Lust auf einen digitalen "Kampf" hat, der kann sich auf der altbewährten "Müllseite" des Webs amüsieren. Die endgültige Müllseite ehrt besonders missratene Seiten des Webs durch eine Erwähnung in den regelmäßig erscheinenden Newslettern schon seit 1997. Die höchste Auszeichnung erringt, wer den nur einmal jährlich erhältlichen "Ultimate Trash Site Award" bekommt.
Dieser "besteht aus einer massiven Pixel-Masse und ist 18 Kilobyte schwer". Im neuesten Newsletter kann die E-Commerce-Ruine der Firma Osan viel Anerkennung verbuchen, doch das Gästebuch der Müllseite strotzt vor Neidern, die sich alle um den seltenen und heiß begehrten Award bewerben.
Die Konkurrenz im Netz der Netze ist eben hart. Selbst um die schlechtesten Seiten herrscht schon der allgegenwärtige Verdrängungswettbewerb.
Telekom: Aktie kraftlos Sommer schweigt
Die T-Aktie ist durch mehrere Spekulationen unter Druck geraten: Wird für die Übernahme des US-Konzerns Sprint ein überteuertes Angebot gemacht? Wofür wird die Riesenanleihe gebraucht? Warum wurde der Kurs gestützt? Das Unternehmen schweigt eisern.
Aus: Spiegel Online 30. Juni 2000, 2.15 Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]FRANKFURT AM MAIN. Die Telekom will sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Ron Sommer hatte in den vergangenen Monaten zwar vollmundig Übernahmen angekündigt, konkret will aber momentan niemand werden." An solchen Spekulationen beteiligen wir uns nicht", sagte Telekom-Sprecher Ulrich Lissek zu einem Bericht der Londoner "Times". Diese hatte berichtet, die Telekom stehe kurz vor einem Angebot für Sprint in Höhe von 99 Milliarden Dollar (204 Milliarden Mark).
In einem insgesamt schwachen Marktumfeld brachen die Aktien der Telekom bei sehr hohem Umsatz in der Spitze um sieben Prozent auf 59 Euro ein. Damit kosteten die Aktien weit weniger als bei der Platzierung im Juni mit 66,5 Euro. Privatanleger, die besonders früh zeichneten, hatten nur 63,5 Euro bezahlt. Händler sagten, der Kurseinbruch sei auf Befürchtungen von Investoren zurückzuführen, der Kaufpreis für Sprint sei zu hoch und die Telekom könnte sich damit übernehmen. Noch bis vor kurzem hatten Händlern zufolge Akquisitions-Gerüchte die Telekom-Titel beflügelt. "Wenn Übernahmegerüchte Realität zu werden scheinen, verblasst die Fantasie am Markt und der Aktienwert sinkt", sagte ein Händler. Ein anderer fügte hinzu: "Am Markt kursieren Gerüchte, die Telekom werde nur Teile von Sprint kaufen und dafür 35 bis 40 Milliarden Dollar zahlen."
Händler verwiesen auch darauf, dass die an der Platzierung im Juni beteiligten Konsortialbanken den Kurs offenbar gestützt und ein Absinken unter die 63,5-Euro-Marke verhindert hatten. In Medienberichten hieß es, die Banken hätten zusammen mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) rund 1 Milliarde Euro vom Markt genommen. Diese Stützungskäufe seien nun ausgelaufen und belasteten zusätzlich den Kurs. Analysten erwarten von der Telekom seit längerem einen Zukauf in den USA, um den Konzern international voranzubringen. Seit Tagen kursieren Gerüchte, die Telekom könne die gescheiterte Fusion zwischen Sprint und Worldcom zu einem erneuten Übernahmeversuch bei Sprint nutzen. Bereits im Herbst vergangenen Jahres war die Telekom an Sprint interessiert, hatte sich jedoch aus dem Bietergefecht mit Bell South und Worldcom zurückgezogen. Der von Worldcom gebotene Kaufpreis von 129 Milliarden Dollar einschließlich Verbindlichkeiten war von der Telekom damals als überhöht bewertet worden.
Nach den Worten von Telekom-Chef Ron Sommer arbeitet der Bonner Konzern mit Hochdruck an der von Analysten geforderten Expansion in den USA. Die für Akquisitionen zur Verfügung stehende "Kriegskasse" der Telekom beläuft sich nach Unternehmensangaben auf rund 100 Milliarden Euro. [mehr]
[Kurspflege: Der Markt wurde leergekauft] [Ron Sommer: Der Ankündigungsweltmeister]
Regierung verbessert Schutz der Urheberrechte für moderne Medien
Aus: Spiegel-Pressemeldung 1. Juli 2000, 12.17 Uhr zum Artikel "Abgabe für CD-Brenner" im SPIEGEL 27/2000, 3. Juli 2000, Seite 86 (Trends).HAMBURG. Die Bundesregierung will Musiker, Autoren und Verlage stärker gegen den Missbrauch ihrer Urheberrechte in modernen Medien schützen, berichtet das Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL. Im bislang unveröffentlichten Vergütungsbericht, über den am kommenden Mittwoch das Kabinett berät, kündigt die Regierung dazu Abgaben auf moderne Datenträger und Speichermedien an, ähnlich wie schon bisher für herkömmliche Bild- und Tonträger. Die Einnahmen daraus sollen den Urhebern von Musikstücken, Texten, Bildern oder Multimedia- Werken zugute kommen.
Neue Vervielfältigungstechniken ermöglichen schnelle und kostenfreie Raubkopien zum Beispiel von Musik-CDs von Popstars. Seit langem kämpfen deshalb die Urheber für entsprechende Abgaben. Nach den Regierungsplänen könnten Hightech- Produkte wie DVD-Recorder, CD-Brenner, MP3-Player und Computerfestplatten teurer werden. Außerdem will die Regierung, so berichtet DER SPIEGEL, die schon bestehenden Urheber- Abgaben, die seit 1985 unverändert gelten und etwa für herkömmliche Vervielfältigungsgeräte wie Kopierer oder Videorecorder erhoben werden, angemessen erhöhen. Künftig sollen zudem nicht nur Privatleute, sondern auch Behörden und Unternehmen Urheber- Abgaben zahlen, wenn auch zu "ermäßigten Vergütungssätzen".
TV-Kabel: Sonderrolle in Berlin
Aus: Der Spiegel 27/2000, 3. Juli 2000, Seite 107 (Medien).Die Deutsche Telekom hat für Verkaufspläne im Kabel-TV-Geschäft neue Mitspieler gefunden. So soll in Berlin eine israelische Software- und Kabelfirma einsteigen. Die Mehrheit aber will die Telekom behalten weil sie in der Hauptstadt ein Multimedia- Vorzeigeprojekt braucht und wegen angeblicher Sicherheitsfragen. E-Mails und Datentransfers der Regierung über das Kabel sollen dank der Telekom, mehrheitlich immer noch im Bundesbesitz, streng geschützt werden.
Für die Kabelnetze in Norddeutschland sowie in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen soll dem US-Investor Gary Klesch auch die US-Investmentbank Goldman Sachs zur Seite stehen. Die Milliarden- Inevstitionen will Klesch in Hessen, wo er schon den Zuschlag bekam, mit einem großen Partner teilen: dem britischen Konzern NTL. [mehr zu Berlin] [mehr zu Klesch]
TV-Konzerne: Hochzeit mit Hindernissen
Leo Kirch hat erreicht, was er immer angestrebt hatte: Der Münchner Medienunternehmer kontrolliert den mächtigsten Fernsehkonzern der Republik. Verlierer im Kampf um die Vorherrschaft im deutschen TV-Geschäft ist der Springer-Verlag, der Kirch jahrelang Widerstand geleistet hatte.
Aus: Der Spiegel 27/2000, 3. Juli 2000, Seite 110112 (Medien). [Original]Über eine Stunde am Tag rannte der drahtige Mann mit den kurz geschorenen Haaren in den vergangenen Wochen des Öfteren über das Laufband eines Fitnesscenters in Berlin-Mitte. Über Walkman hörte er dazu vorzugsweise harte Rockmusik, die er laut mitsang. Fred Kogel, 39, hielt sich fit für die letzten großen Gefechte in seiner Zeit als Chef des Fernsehsenders Sat 1. In Dutzenden von nervenden Meetings und Hunderten von Telefonaten rang der Fernsehmanager um Details einer neuen TV-Organisation, in die Sat 1 aufgehen sollte.
Sein Widerpart erwies sich als harter Brocken, erbittert wurde um Positionen, Standorte, Kompetenzen und Firmennamen gestritten. Urs Rohner, 40, brachte seine ganze Erfahrung als langjähriger Schweizer Wirtschaftsanwalt ein und sein Gewicht als Chef der Münchner Pro Sieben Media AG, zu der mit Pro Sieben, Kabel 1 und N24 gleich drei Sender gehören. So war selbst am Spätnachmittag des vergangenen Dienstags offenbar noch nicht klar, wie das angestrebte gemeinsame Unternehmen eigentlich heißen sollte. Erst dann gelang es Kogel und seiner Crew, so erzählen es jedenfalls Mitarbeiter, den Namen des eigenen Senders auftauchen zu lassen: Pro Sieben Sat 1 Media AG heißt nun das neue Ungetüm im deutschen TV-Markt, wie eine gemeinsame Pressemitteilung am Dienstagabend dann verkündete.
Es sei eine "Liebesheirat", erklärten Rohner und Kogel danach unisono Vernunftehe wäre wohl richtiger. Denn ein isolierter Sender Sat 1 hätte in dem härteren Wettbewerb kaum bestehen können und auch das im Quotenkampf mäßig erfolgreiche Pro Sieben braucht Stimulanz. Mit seiner Neuschöpfung hat der Münchner TV-Unternehmer Leo Kirch, 73, offiziell bekundet, was in der Branche ohnehin bekannt war: Er dominiert das Geschäft. Seine Dachgesellschaft KirchMedia kontrolliert zu fast 90 Prozent die allein stimmberechtigten Stammaktien (siehe Grafik), und auch auf anderen Feldern des Fernsehmarkts hat er großen Einfluss.
Jahrzehntelang wirkte Kirch vornehmlich hinter den Kulissen, kritisch beäugt von Politikern und Medienwächtern. Mit Tricks und Täuschungsmanövern baute er seine Macht aus, weder Gesetze noch gelegentlicher Kapitalmangel konnten ihn stoppen. Nun ist Kirch am Ziel: Allein die neue TV-Konstruktion mit dem schwer auszusprechenden Namen bringt es auf jährlich vier Milliarden Mark Umsatz und 400 Millionen Mark Gewinn fast jede zweite TV-Werbemark landet in Kirchs Kassen. Zum Vermögen gehören auch noch das Deutsche Sport-Fernsehen, das allerdings hoch defizitäre Pay-TV-Monopol von Premiere World sowie ein starker Filmhandel und etliche TV-Produktionen.
Nun ist
Kirch am ZielIn diesem Reich kann Kirch künftig nach Belieben schalten und walten. Er kann zentral Programme kaufen und produzieren, sie füreinander Werbung machen lassen und sie nach allen Regeln der Kunst vermarkten eine komplette Kette. Es sei "ein großer Wettbewerbsvorteil, dass wir vier Sender voll kontrollieren", sagt Rohner, der seinen Mitarbeitern nun als Motto vorgibt: "Die Nummer eins sein und bleiben." "Die größte Wertschöpfung im Fernsehen entsteht inzwischen bei den Sendern", doziert Kirchs Stellvertreter Dieter Hahn, "deshalb sind sie so wertvoll geworden." Der Manager gilt als starker Mann im Hintergrund des neuen Verbunds.
Gegen das Kirch-Kombinat fällt sogar der Bund des Dauerkonkurrenten Bertelsmann rund um den Marktführer RTL ab. Denn egal ob Vox, RTL 2 oder Super RTL: Die Gütersloher müssen sich ihre Macht mit Partnern teilen, hauptsächlich mit dem belgischen Finanzier Albert Frère, aber auch teilweise mit dem Disney-Konzern, dem Filmhändler Herbert Kloiber oder dem Bauer-Verlag. Die öffentlich-rechtlichen Gruppen von ARD und ZDF wiederum, die auch über viele Kanäle und Firmen verfügen, haben oft zu verkrustete Strukturen, um gegen die entfesselten Kräfte der Privaten mithalten zu können.
Mit der Verschmelzung von Pro Sieben und Sat 1, die Ende August abgeschlossen sein soll, ist die Aufbau- und Entwicklungsphase des deutschen Kommerzfernsehens endgültig ausgelaufen. Jahrelang stritten Verlage, Filmkaufleute und ausländische Investoren um die Claims für den ersehnten Goldrausch. Jetzt, wo viele Sender nach herben Anlaufverlusten tatsächlich Profite machen, zeigt sich, dass ausgerechnet einst wichtige Mitspieler auf der Strecke blieben.
Zu den Verlierern gehört der Axel Springer Verlag, der von 1983 an zu den Initiatoren beim damaligen "Verlegerfernsehen" Sat 1 gehörte. In vertraulichen Kungelrunden in der Mainzer Staatskanzlei mit anderen Verlagen sicherte sich Springer damals mit Hilfe der CDU etwa eine große Mitwirkung bei den Nachrichten und einzelne Spezialsendungen. Doch für viele Sendetermine fand sich kein Verlag als Interessent, sondern nur der Anwalt Joachim Theye, der munter für einen Klienten Ansprüche anmeldete für Kirch, wie sich im Nachhinein herausstellte.
So wurde der Filmhändler über viele Umwege später auch Hauptgesellschafter von Sat 1. Sein Sohn Thomas gründete zudem 1988 den zweiten Sender Pro Sieben der Vater durfte nach den damals gültigen Gesetzen einen weiteren Sender nicht kontrollieren. Natürlich bestritten Vater und Sohn stets, dass, wie Medienwächter vermuteten, der junge Kirch im Auftrag des alten handelte.
Dem Springer-Verlag wurden die ausholenden Aktivitäten im Lauf der Zeit unheimlich. Ende der achtziger Jahre wollte der damalige Konzernchef Peter Tamm Sat 1 in mehreren Prozessen aus dem Griff Kirchs lösen. Doch Tamm scheiterte ebenso wie der spätere Springer-Chef Jürgen Richter, der zwischen 1995 und Ende 1997 dem Münchner Widerstand geboten hatte. Richter kaufte reihenweise die Anteile kleiner Zeitungsverlage auf und okkupierte schließlich sogar die Hälfte der Aufsichtsratsposten.
Mit diesem Trumpf wollte sein Nachfolger August Fischer dann Springer noch einmal zur Fernsehmacht aufpäppeln, zum TV-Großproduzenten doch vor allem der Kauf einer teuren Talkshowfirma sowie das inzwischen gefloppte Seicht-Magazin "Newsmaker" mit Susan Stahnke sind bisher in der Öffentlichkeit aufgefallen.
Nun hat Springer den einst so wertvollen Sat-1-Anteil gegen eine Beteiligung an der neuen Free-TV-Holding Kirchs eingetauscht um sie wohl im nächsten Jahr, wenn der Verkauf von Unternehmensbeteiligungen voraussichtlich von der Steuer freigestellt wird, gegen reichlich Bargeld an Kirch zu verkaufen. Der Verkaufspreis wurde in den gemeinsamen Gesprächen auf immerhin rund 1,8 Milliarden Mark taxiert. Außerdem will sich Springer im Jahr 2001 von einem 50-Prozent-Anteil an der profitablen Sportrechteagentur ISPR trennen auch dieses Paket wird Kirch mehrere hundert Millionen Mark kosten. Das Geld will er sich über den Börsengang seiner Dachfirma KirchMedia holen.
Auf der Springer-Hauptversammlung vergangene Woche redete ein müde wirkender Fischer lieber über eine anstehende 100-Millionen-Mark-Investition in das Internet als über neue Abenteuer im TV-Geschäft. "Springer hat sich im Fernsehen immer saudumm angestellt", resümiert ein langjähriger Kirch-Manager.
Die künftigen Versuche Kirchs, über eine Bündelung der bislang verstreuten Aktivitäten mehr Geld im Fernsehen zu verdienen, können die Springer-Manager dann aus der Ferne begutachten. Die Kirch-Manager haben, unterstützt von Beratern der Boston Consulting Group, immerhin ein zusätzliches Ertragspotenzial von über 200 Millionen Mark ausgemacht.
Zielgruppengenau, etwa für junge Männer bis 30, sollen nun über Sender hinweg Werbeplätze im Kirch-Imperium angeboten werden ein paar Spots bei der "Harald-Schmidt-Show" auf Sat 1, einige bei einem Kinoknüller auf Pro Sieben, weitere rund um Nachrichten auf N24. Für solch "attraktive Leistungspakete" (Rohner) soll es dann auch Top-Zuschläge geben sprich: Die Preise ziehen an.
Proteste von der Werbewirtschaft sind gewiss. Solche Pakete würden Marken und Produkten nicht dienen, sagt Alexander Schmidt-Vogel, Chef der großen Mediaagentur Mediacom, die Gefahr sei groß, dass weniger attraktive Spotplätze mit verkauft würden. "Mich erinnert das an einen Zehner-Pack CDs: obenauf ein Hit, darunter neun weniger attraktive Scheiben."
Die Kirch-Gruppe erwägt sogar die Gründung einer eigenen Mediaagentur: Sie soll die komplette Abwicklung von Werbeaufträgen für Programme und die Firma Pro Sieben Sat 1 Media AG übernehmen einen Etat von über 100 Millionen Mark. Mittelfristig könnte die Agentur ihre Dienste auch Dritten anbieten. Weitere Zugewinne erhofft sich Kirchs neuer TV-Chef Rohner vom zentralen Programmeinkauf und von der systematischen Nutzung im eigenen Sendergeflecht. So sollen Top-Filme nicht mehr gegeneinander laufen zu Feiertagen etwa lösen sich künftig Pro Sieben und Sat 1 mit Kinoknüllern ab. Auch die tägliche Pro-Sieben- Comedy von Stefan Raab, die im Herbst startet, wird genau vor der Schmidt- Konkurrenz auf Sat 1 platziert.
Insgesamt soll Sat 1 stärker auf Eigenproduktionen, Shows, Sport und Comedy konzentriert werden, das bei den Quoten fast gleich starke Pro Sieben dagegen auf internationale Spielfilme und Serien. Als Wiederholungskanal für die aufwendigen Eigen- und Auftragsproduktionen steht der Sender Kabel 1 zur Verfügung. Die Straffung der Nachrichten und Informationen im Kirch-TV-Reich dürfte zusätzlich einige Millionen Mark bringen. Über Zentralredaktionen, organisiert über den nach Berlin abwandernden Newskanal N24, sollen Pro Sieben, Sat 1 und Kabel 1 versorgt werden, organisiert über jeweilige Unterredaktionen der einzelnen Kanäle. Das kostspielige Netz der Sat-1-Regionalstudios wird umgewandelt in ein Korrespondentennetz für das Gesamtsystem. Das seien nur "organisatorische Fragen", so Rohner, "die journalistische Freiheit der einzelnen Sender bleibt davon unberührt".
Viel erinnert in Kirchs Fernsehfabrik nicht mehr an den jahrelangen Kuschelsender Sat 1, der in der Frühzeit des Privat-TV das "Glücksrad" drehte, den "Bergdoktor" auf die Alm schickte und Magarethe Schreinemakers die Zeit totquasseln ließ. Senderchef Kogel wird die Geschäfte nur noch bis zum Jahresende führen, künftig soll er als Aufsichtsrat die Geschäfte der Pro Sieben Sat 1 Media AG kontrollieren. Der Ex-Radiomoderator hatte dem Sender zu seinem Dienstantritt vor über fünf Jahren eine Radikalkur verordnet. Etliche Formate flogen raus, neue Großproduktionen liefen an. Er sei stolz, dass es "heute so gut wie keine Schnarchecke mehr bei Sat 1 gibt", sagt Kogel und verweist auf Harald Schmidt und die "Wochenshow".
Andere Versuche freilich scheiterten, etwa Shows mit Thomas Gottschalk und Fritz Egner oder ein auf 20 Uhr vorverlegter Beginn des Abendprogramms. Und am Vorabend wechselten die Sendungen im Rhythmus der Jahreszeiten. Längst vergessen ist Kogels Anspruch, Sat 1 innerhalb kurzer Zeit zum Marktführer zu machen. Selbst in der Kernzielgruppe der 14- bis 49-Jährigen sind in seiner Ära die Marktanteile von 14,9 Prozent (1995) auf 12,8 Prozent (1999) geschrumpft. Dafür bekam er die Vermarktung und die Kosten in den Griff dieses Jahr soll der einst chronisch verlustreiche Sender rund 70 Millionen Mark Gewinn machen. "Wenn wir nicht eingegriffen hätten, wäre Sat 1 vielleicht schon 1996 in einem ,unfriendly takeover' übernommen worden", sagt Kogel, so aber habe es eine "Liaison unter fast Gleichwertigen" mit der Pro-Sieben-Gruppe gegeben.
Lange Zeit war der Manager selbst auch als Chef der neuen Fernsehfamilie im Gespräch, schließlich erhielt er das Angebot, unter dem Juristen Rohner Programmvorstand zu werden. Kogel lehnte ab. Nun strebt er eine "unternehmerische Position in einem Konzern" an, aber auch ein bisschen Urlaub kann sich Kogel vorstellen: "Ich bin 15 Jahre lang wie ein Rennpferd gelaufen."
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