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Der Klempnermeister des Silicon Valley
Kreativer Genius vom Bodensee, Superstar oder Märchenprinz des Silicon Valley? Sein Name ist Legende. Als Mittzwanziger gründete Andreas von Bechtolsheim mit Freunden die erfolgreiche Computerfirma Sun Microsystems. Heute arbeitet er als Vizepräsident bei Cisco Systems am Rückgrat des Internet.
Aus: Spiegel Online 30. Dezember 1998 (nur elektronisch publiziert). [Original]
Ein wenig verloren wirkt er schon, wie er da auf dem weiten Firmenparkplatz steht. Lang, schlaksig und leise, graue Wollsocken in Birkenstockschlappen und beige Hosen unauffällig und gar nicht selbstverliebt wie jemand, der in Dollarnoten baden und seinen Stammbaum bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen kann. "Hi, I'm Andy", sagt er schlicht. Später beschreibt er sich als "Loner", Einzelgänger. Ein echter Ingenieur eben. Gott sei Dank lebt der Mann im Silicon Valley. Hier können Menschen wie er aufblühen und ihren Ideenreichtum sprudeln lassen, zum digitalen Wohl der Menschheit.
"Ich wollte immer schon großen Einfluß auf die Welt haben", verriet Andreas von Bechtolsheim vor kurzem einem Wirtschaftsblatt. Das ist dem 43jährigen bisher gut gelungen. Seit zwei Jahren ist er im Einsatz für Cisco Systems, ein Unternehmen, das die "New York Times" im Frühjahr als die wichtigste amerikanische Firma bezeichnete, "von der noch nie jemand etwas gehört hat".
Das ist nicht verwunderlich, denn der Netzwerk- Gigant, der innerhalb von wenigen Jahren zum Darling an der Wall Street wurde, entwickelt Technologien, die auch für Computerkenner unsichtbar bleiben: Cisco arbeitet am Rückgrat des Internet, manche sprechen vom Klempner der digitalen Welt. Die von dem Unternehmen entwickelten Schaltstellen und Router sorgen dafür, daß elektronische Informationen problemlos um den Globus reisen. Inzwischen hat die 1984 in einer Garage gestartete Firma weltweit mehr als 16.000 Mitarbeiter.
Wer Bechtolsheim zuhört, ist nicht überrascht, daß er sich beim Internet- Klempner Cisco so wohl fühlt. Wenn es um das Netz und seine Zukunft geht, verwandelt sich der spröd-scheue Ingenieur zum schwärmerischen Enthusiasten. Für ihn steckt der Internet-Boom erst in den Kinderschuhen. Mehr als Flugzeug oder Automobil werde das Netz das nächste Jahrhundert verwandeln. Die Möglichkeiten hält er für grenzenlos. Gut seien die Zeiten auch für findige Unternehmer. Noch nie, sagt er, sei es so leicht gewesen, eine Firma zu gründen, wie heute. Nur Ideen muß man haben.
Davon hat Bechtolsheim genug: Seine Ideen reißen ihn manchmal aus dem Bett, dann steht er um vier Uhr früh auf und fährt ins Büro, nicht wie sonst um sechs. Dann ist es in der Firma ruhig und er kann bis neun Uhr morgens ungestört den Großteil seiner Arbeit tun. Die kreativen Geistesblitze sind sein Antrieb: "Wer die Welt verändern möchte, muß neue Ideen haben", verkündet er trocken sein Credo zwischen zwei Salatblättern.
An Einfallsreichtum und glasklarer Logik hat es dem Sohn eines Lehrers und einer Hausfrau vom Bodensee nie gefehlt. Als Sechsjähriger bastelte er Radios und Lautsprecher zusammen, aus dem Kosmos-Baukasten "Der kleine Elektriker". Nach dem Abitur entwarf er in seiner Heimatstadt Lindau einen Steuerungscomputer für Blechstanzmaschinen. Ein Unternehmer aus dem Nachbardorf verkaufte Tausende in die Sowjetunion. Bald hatte der 18jährige durch die Lizenzgebühren "mehr Geld als mein Vater". Weil er in Deutschland als Elektroniker seine Zukunft "nur bei der Bundespost oder bei Siemens" sah, bewarb er sich um ein Fulbright-Stipendium und landete in Pittsburgh an der Carnegie Mellon University. Tag und Nacht verbrachte er am Computer, bis er, wegen der kalten Winterstürme, erneut aufbrach: ins sonnige Kalifornien in das Tal, das mit Silizium Geschichte macht.
Hier, an der Stanford University, hatte er eine neue geniale Idee: Er wollte einen erschwinglichen Hochleistungscomputer bauen, der ähnliche Leistungsdaten aufwies wie die sperrigen teuren "Mainframes" von Giganten wie IBM. Diese kompakten Arbeitsstationen könnten von Ingenieuren, Technikern und Architekten zum Design genutzt werden, schwebte ihm auch der Markt gleich vor. Wie in seinen Baukasten-Zeiten entstand die erste vernetzte Workstation aus Einzelteilen eines elektronischen Supermarktes. Im Talentpool der Uni traf er auf Vinod Khosla, Billy Joy und Scott McNealy. An einem Wochenende gelang es ihnen, fünf Millionen Dollar Venture Capital lockerzumachen. Es folgte ein High-Tech-Märchen, das dem der Apple-Gründer Steve Jobs und Stephen Wozniak ähnelt. Den Namen der Firma Sun hatte Bechtolsheim aus Stanford University Network zusammengesetzt. Er fand den Klang "warm, phantasievoll und schön optimistisch".
Bis 1995 blieb er als Technologiechef bei Sun, dann faszinierte ihn eine neue Idee: Das Netzwerk Ethernet röchelte unter dem wachsenden Datenansturm von Bildern und Sound. Eine superschnelle Schalt-Technologie mußte her. Aus seinem Vermögen, das auf mehr als eine Milliarde Dollar geschätzt wird, steckte Bechtolsheim fünf Millionen Dollar in die von ihm gegründete Firma Granite. Nur ein Jahr später verkaufte er das Unternehmen für 220 Millionen Dollar an Cisco. Hier arbeitet er seither weiter an seiner Idee für High-Speed- Schaltstellen, als Manager für 60 Mitarbeiter, die Hardware und Chips entwerfen: "Ich bin die innere Schleife, der Stromkreis schließt sich in meinem Kopf", beschreibt er, ganz Ingenieur, seine Tätigkeit. Schwer zu glauben, daß es ihn bei Cisco halten wird, angesichts von soviel Ideenreichtum. Aber, versichert er höflich: "Ich werde keine andere Firma starten, Cisco gefällt mir wirklich gut".
In Deutschland muß nach Ansicht Bechtolsheims die Gesetzgebung vereinfacht werden, um Firmenneugründungen und -zusammenschlüsse zu erleichtern. Es ginge darum, Wettbewerbsnachteile zu entfernen, damit mehr Kapital im Land investiert wird. Bisher würden schätzungsweise 500 Millionen Dollar Venture Capital in deutsche Firmen investiert. Das seien nur fünf Prozent der 10 Milliarden Dollar, die in US-Startups flössen. Auch die Ortstarife in Deutschland sind ihm ein Dorn im Auge: "Das behindert die Nutzung des Internets". In den USA sind solche Gespräche kostenlos, das Surfen billiger. Bechtolsheim nutzt das Netz viel, er hat hunderte von Bookmarks gespeichert. Zu Hause hat er allerdings keinen Computer nur einen Videorekorder, mit dem der Spielberg-Fan gelegentlich Actionfilme und Thriller sieht.
Das "von" in seinem Namen verwendet er nicht mehr. Die Amerikaner schrieben es mit dem Nachnamen zusammen und dies war "zu lang für den Computerdisplay". Früher fehlte ihm im Silicon Valley der "Gemütlichkeitsfaktor". Seit es jedoch an jeder Ecke "Starbuck's" und "Noah's Bagel" gibt, hat er sich versöhnt: "Das ist zwar nicht gerade dasselbe, aber eine eigene Kultur". Dieser entflieht er gerne. Zweimal im Monat fährt er in seinem burgunderroten Porsche zwei Stunden Richtung Süden nach Big Sur. Dort an der Pazifikküste hat er ein altes Haus renoviert und durchsichtig gemacht. "Bis auf die Badezimmer" ist das ganze Gebäude aus Glas. Man kann das Meer sehen, selbst wenn man hinter dem Haus auf der Wiese steht, beschreibt Bechtolsheim zufrieden. Hier in seinem "Eden- Paradies" kann er ungestört mit seiner Freundin Wale und Seehunde beobachten und abschalten von seinem stressigen Alltag, bei dem er so oft "einem Arbeitsplan hinterher ist und einen Abgabetermin vor sich hat".
Hacker: Jetzt erst recht!
SPIEGEL-Online Interview mit Wau Holland alias Herwart Holland-Moritz, "Alterspräsident" des Chaos Computer Clubs (CCC) über den Hacker im Spannungsfeld zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, seine neue Rolle im digitalen Zeitalter, das Hacken von Haushaltsgeräten und die Aufgaben des Clubs nach dem Tod Trons.
Aus: Spiegel Online 4. Januar 1999 (nur elektronisch publiziert). [Original]SPIEGEL-Online: Der Tod Trons ist der zweite mysteriöse Todesfall in der deutschen Hackergemeinde. Die abstrusesten Verschwörungstheorien ranken sich um sein Ableben, das sogar angezweifelt wird. Wie gefährlich ist das Leben eines Hackers heutzutage?
Wau Holland: Nicht gefährlicher als das eines Autofahrers. Und den Theorien zu Trons Tod möchte ich keine weitere hinzufügen.
SPIEGEL-Online: Das Wissen von Hackern weckt Begehrlichkeiten seitens der Industrie oder der Geheimdienste. Wird der Hacker damit zum Spielball einst ungeliebter Kräfte?
Wau Holland: Das wichtigste Prinzip beim Hacken war schon immer Offenheit. Sie schützt davor, erpreßbar zu sein. Wenn man sein Wissen weitergibt, dazu um Fairneß gegebenüber allen Beteiligten bemüht ist und das Prinzip "kein Hack gegen Bezahlung" beachtet, kann eigentlich nichts schiefgehen.
SPIEGEL-Online: "No hacks for money" ist eine klare, aber auch clubintern umstrittene Devise. Banken und andere Großkonzerne werben verstärkt Hacker an, die Angriffe auf ihre Netzinfrastrukturen simulieren. Ist das ein Verstoß gegen die Hackerethik?
Wau Holland: Wir haben da eine ganz klare Clubpolitik: Der Chaos Computer Club macht solche Sachen nicht! Es gibt aber Firmen im Umfeld des Chaos Computer Clubs, die derartige Jobs erledigen. Das ist dann in Ordnung. Die Weitergabe einer solchen Anfrage geschieht "chaosöffentlich". Jeder weiß, wie das läuft; auf der Ebene können wir miteinander leben. Aber solche Angebote müssen vom Club ferngehalten werden, um Abhängigkeiten zu vermeiden. Aufkleber wie "Tested by CCC" sind nicht das, was wir wollen.
SPIEGEL-Online: Ihr seht Euch also nicht als zweites Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik, nicht als Prüfstelle aus dem Untergrund?
Wau Holland: Bestellte Sicherheitschecks werden von eigens aufgebauten, nichtstaatlichen "Prüfstellen" mit kreativen Leuten übernommen, aber nicht vom CCC. Solche Arbeiten langfristig auch auf eine institutionelle Basis zu stellen, könnte ich mir aber schon vorstellen.
SPIEGEL-Online: Wie steht es mit den rechtlichen Grundlagen der Hackerarbeit? Gibt es nicht eindeutige Gesetze, die ungewollte Angriffe auf Rechnersysteme untersagen? Agiert nicht jeder Freak in einer rechtlichen Grauzone?
Wau Holland: Vor einiger Zeit war bereits der Anschluß eines Modems eine Straftat. Wir hielten das damals für absurd und haben vielfach dagegen verstoßen. Heute sind die damals ergangenen Strafbescheide Ehrenurkunden aus unserer Historie. Ein vorausschauender Umgang mit Gesetzen ist also notwendig und nicht das sture Einhalten von Paragraphen. Auch Richter, Staatsanwälte, Polizisten sind Menschen, die nachdenken können und mit denen man sehr wohl diskutieren kann. Der Staatsanwalt, der vor zehn Jahren gegen den Chaos Computer Club ermittelte, war ein Jahr später auf dem Podium unseres alljährlichen Chaos Communication Congresses. Wir haben sehr heftige und intensive, aber auch faire Gespräche geführt. Diese Form des Umgangs werden wir auch weiterhin pflegen.
SPIEGEL-Online: Welches ist die wichtigste Hackermaxime? "Have fun"? Oder überwiegt ein gesellschaftskritischer Auftrag?
Wau Holland: Die Frage nach der wichtigsten Devise ist mir zu statisch. Ich versuche unsere Arbeit lieber als dynamische Struktur zu begreifen. Ich sehe ein Stück weit die Aufgabe des Chaos Computer Clubs darin, vom Spieltrieb zu profitieren. Der Spieltrieb ist etwas, mit dem man die Menschen greifen kann, es gibt ihn sogar bei Tieren: Robben krabbeln im Winter das vereiste Ufer hoch und rutschen wieder runter. Und wenn man diesen Antrieb nutzen kann, um die Wißbegier zu fördern, dann ist das eine gesellschaftlich positive Kraft. Der Spieltrieb ist also unverzichtbar.
SPIEGEL-Online: Kann man Euch irgendwo einordnen in die Lobbyformation von Datenschützern und Bürgerrechtlern?
Wau Holland: Das alte Motto lautet: "Private Daten schützen, öffentliche Daten nützen". Die Unterscheidung zwischen beiden Bereichen wird immer schwieriger. Diese Problematik wahrzunehmen und darüber nachzudenken, ist eine wichtige Aufgabe. Die einseitige Festlegung auf Datenschutz ist etwas, was ich von Anfang an für problematisch gehalten habe, denn Hackern geht es um Datenöffnung. Gleichzeitig gilt es zu überlegen, mit welcher Verantwortung das verbunden ist. Ein Beispiel dafür waren Kreditkarteninformationen, die wir durch verantwortungsloses Handeln einer Firma erhalten haben. Diese hatte ihre komplette Firmenbuchhaltung inklusive der Kreditkartenabrechnungsunterlagen offen im Netz. Wir haben darauf aufmerksam gemacht. Gleichzeitig wanderten die Daten in unseren "Giftschrank": Selbstverständlich müssen wir die Daten einerseits archivieren, um beweisen zu können, was da passiert ist. Selbstverständlich dürfen wir diese Daten andererseits niemals zugänglich machen. Das ist in vielen Fällen eine Gratwanderung. Wir versuchen sie dadurch zu bewältigen, daß wir gemeinsam darüber reden, wie wir diese Probleme lösen, und uns auf ein Vorgehen einigen.
SPIEGEL-Online: Läßt sich so das Bild des Hackers in der Öffentlichkeit wirklich rein halten? Es gibt ja auch eine Art "Culture Clash" zwischen dem Sendungsbewußtsein des CCC und anderen Hackerorganisationen vor allem in den USA, die sich eindeutig dem Cracken von Softwarecodes und dem "böswilligen" Eindringen in Netzwerksysteme verschrieben haben.
Wau Holland: Ich sag' es positiv: Der CCC hat als eine der wenigen Organisationen auf der Welt den Spagat zwischen Hackern, Systembetreibern und Staat geschafft. Die unterschiedlichen Auffassungen und Kulturen aller drei Gruppen zu respektieren und Kommunikations- oder zumindest diplomatische Beziehungen zwischen ihnen zu etablieren und zu pflegen, ist eine diffizile Aufgabe.
SPIEGEL-Online: Reicht das für die Abgrenzung gegenüber den USA?
Wau Holland: In den USA gibt es verschiedene Bewegungen. Die ElecTronic Frontier Foundation (EFF) etwa hat das Projekt, einen DES-Knacker zur Entschlüsselung des offiziellen amerikanischen Verschlüsselungsalgorythmus zu bauen, was wir vom CCC im letzten Sommer auch beschlossen hatten, tatsächlich realisiert im Gegensatz zu uns. Da waren die einfach schneller und besser. Auf der anderen Seite hält der CCC auch Kontakte zur Hackervereinigung "2600". Und in der "2600" sehen viele die EFF bereits als "die Bösen da oben", die schon fast zum Establishment gehören. Diese Brüche jenseits des Atlantiks sind einfach schade. Die amerikanische Hackerkultur wird nach unserer Einschätzung sehr stark zusammengehalten von dem Motiv "Free Kevin" zur Befreiung des eingekerkerten "Musterhackers" Kevin Mitnick und das ist zuwenig. Mir fehlen einfach die inhaltlichen Perspektiven, etwa im Umgang mit milliardenschweren Technologien wie Chipkarten.
Nach dem Tod von Tron heißt hierzulande die klare Devise: Jetzt erst recht! Also, ISDN-Verschlüsselungs- Telefon bauen, wie er es in seiner Diplomarbeit beschrieben hat. Und bei Chipkarten auf Teufel komm' raus hacken und zerlegen, was zu zerlegen ist. Und wenn's die Geldkarte ist, die dabei plattgemacht wird da gibt es keine Rücksicht. Nach Tron kann es da keine Rücksicht mehr geben.
SPIEGEL-Online: Braucht die Hackerbewegung in einer Zeit, in der die Einführung immer neuerer und komplexerer Technologien das "digitale Zeitalter" ankündigt, allgemein eine neue Ausrichtung?
Wau Holland: In Zukunft kommt auf jeden das Problem zu, ein Stück weit Hacker zu werden, um mit der Technisierung des Alltags klarzukommen. Die Menschen könnten die Geräte, die sie in die Finger bekommen und die mehr und mehr technische Funktionalität enthalten zum Teil auch gesperrte Funktionalität, in einer Art neuer Heimwerkerbewegung zerlegen und verbessern. Wenn man nur bestimmte Codes an seinem Handy ändern muß und dann hat das Gerät plötzlich noch einen Taschenrechner wer möchte das nicht? Die Luxusfunktionen einer Mikrowelle freizuschalten, die man bei einem Billiganbieter erstanden hat und die aber letztlich dieselben Funktionen besitzt wie eine teurere, nur daß eben einige Register versteckt sind also, daß das Hacken von Haushaltsgeräten zu einer verbreiteten Bewegung des Hackertums werden wird, das glaube ich schon.
Telekom kündigt Interconnection-Verträge
Aus: Spiegel-Pressemeldung 16. Januar 1999 zum Kurzartikel "Sommer kündigt Verträge" im SPIEGEL 3/1999, 18. Januar 1999, Seite 77 (Trends).HAMBURG. Telekom-Chef Ron Sommer will seinen Wettbewerbern die Mietpreise für die Nutzung seiner Telefonnetze deutlich erhöhen. Nach Informationen des Nachrichten-Magazins DER SPIEGEL kündigte die Bonner Telekom mit Wirkung zum 31. Dezember letzten Jahres alle Interconnection- Verträge der Wettbewerber, in denen die Konditionen der Netzzusammenschaltung geregelt sind. Gleichzeitig ließ Sommer neue Vertragsentwürfe an die Konkurrenten schicken, die für helle Aufregung sorgten. Laut Analyse des von Konkurrenten beauftragten Telekommunikations- Beraters Bernd Jäger verteuert das neue Modell die Preise für fast alle Telekom- Konkurrenten um "deutlich über 30 Prozent". Für neue Firmen auf dem Markt könnten die Zuschläge noch deutlich höher ausfallen. Weil sich die Regulierungsbehörde erst im April mit dem Thema befassen will, erwägen einige Anbieter nun eine Beschwerde bei der EU-Wettbewerbskommission. Sie soll in dem Milliardenpoker um Mietleitungspreise die nötige Planungssicherheit per Anordnung herstellen. [EU warnt Regulierer Gegen zu harte Auflagen]
Kommunen: Kein Geld für Leitungen
Aus: Spiegel Online 21. Januar 1999 (nur elektronisch publiziert).KARLSRUHE. Städte und Gemeinden können für die Verlegung von Telefonleitungen in ihren Straßen kein Entgelt verlangen. Das Bundesverfassungsgericht lehnte eine Verfassungsbeschwerde ab. Die Beschwerde richtete sich gegen eine Vorschrift des TKG, die eine kostenlose Nutzung ermöglicht. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht sei durch die Vorschrift nicht verletzt, befand die 2. Kammer des Zweiten Senats.
Im Zuge der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes war an die Stelle des früheren Netzmonopols der Post eine Regelung getreten, nach der der Bund öffentliche Straßen unentgeltlich für die Verlegung von Telekommunikationsleitungen nutzen darf. Dieses Nutzungsrecht überträgt er an Lizenznehmer. Gegen diese Vorschrift aus dem Jahr 1996 hatten zehn Städte und Gemeinden geklagt, darunter Wiesbaden und München.
Die Regelung verletzt nach den Worten der Kalrsruher Richter weder die Planungs- noch die Finanzhoheit der Kommunen. Ihnen würden keine Aufgaben mit örtlichem Charakter entzogen. Daß ihnen einzelne Einnahmen aus der Nutzung ihrer Straßen verwehrt blieben, beschränke die im Grundgesetz festgeschriebene Selbstverwaltungsgarantie nicht, entschied die Kammer. [Az. 2 BvR 929/97]
Telekom: Engpaß bei ISDN-Anschlüssen
Die Telekom kann derzeit keine ISDN-Anschlüsse mehr legen.
Aus: Spiegel Online 23. Januar 1999 (nur elektronisch publiziert).KIEL. Nach Informationen der "Welle Nord" des Norddeutschen Rundfunks (NDR) hat es bei der Produktion der sogenannten Adapter, die zwischen der Leitung und den Endgeräten geschaltet werden, ein technisches Problem gegeben [t-off berichtete am 20. Januar]. Das bestätigte laut NDR der Sprecher der Telekom in Schleswig-Holstein, Helmut Ritter.
Betroffen sind alle Telekom-Kunden, die seit dem 19. Januar einen Antrag auf Installation eines ISDN-Anschlusses gestellt haben. Sie müßten nach Auskunft von Telekom-Beratern nun Wartezeiten von rund drei Monaten in Kauf nehmen. Die Telekom selbst habe deshalb schon ihren Service für Ersatzgeräte auf ein Minimum herunterfahren müssen, sagte Ritter. Alle Anträge kämen derzeit auf eine Warteliste und würden nach Aufnahme der neuen Lieferungen kontinuierlich abgearbeitet.
Ein Sprecher der Telekom in Bonn nannte demgegenüber gegenwärtige Wartezeiten für ISDN-Anschlüsse von lediglich zwei bis drei Wochen. Diese seien durch die hohe Zahl von Bestellungen und vorübergehende Lieferengpässe bedingt. Bereits Ende Februar werde es wieder normale Lieferzeiten von etwa einer Woche geben.
Internet: Billiger ins Netz
Aus: Der Spiegel 4/1999, 25. Januar 1999, Seite 78 (Medien).Die Deutsche Telekom will die Telefongebühren für den Zugang zu ihrem Internet-Dienst T-Online drastisch senken. In dieser Woche wird Telekom-Chef Ron Sommer seinen Vorstandskollegen ein Modell vorschlagen, nach dem die Telefonkosten für den Zugang zu den Einwahlknoten des Online-Netzes auf bis zu einen Pfennig gesenkt werden sollen. Zur Zeit fallen zusätzlich zur Grundgebühr [Ed: 8 DM] und den Minutenpreisen für die Internet-Nutzung Telefonkosten von 8 Pfennig pro Minute in der Haupt- und knapp 5 Pfennig in der Nebenzeit an. Sommer reagiert mit dem drastischen Preisnachlaß auf die zunehmende Konkurrenz von Telefonfirmen wie Arcor, Otelo oder Viag-Interkom, die seit einigen Wochen eigene Internet-Dienste anbieten.
Smart Cards: Schöne neue Kartenwelt
Chipkarten dringen in immer mehr Lebensbereiche vor und werden zum Minicomputer in der Hosentasche, der Türen öffnet, den Einkauf bezahlt oder die Identität speichert. Verhindern sie auch, daß die sensiblen Daten in falsche Hände geraten?
Aus: Spiegel Online 27. Januar 1999 (nur elektronisch publiziert).EC-Karte reiht sich an Kreditkarte, die Telefonkarte steckt neben Krankenversicherten- oder Kundenkarte: Buntes Plastik beherrscht die Brieftaschen und Geldbörsen der Verbraucher. Besonders smart sind die meisten Karten, die heute im täglichen Gebrauch sind, allerdings nicht. Viele arbeiten noch mit Magnetstreifen, die sich nur sehr geringe Datensätze merken und an ein Terminal weitergeben können.
Die momentan auf den Markt kommenden Karten haben schon deutlich mehr auf dem Chipkasten. Die in Kunststoff gebetteten Zwergrechner erreichen "Leistungswerte wie die PC-Riesen vor 10 Jahren", erläutert Isabel Münch vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Platz genug ist auf den millimeterkleinen Chips damit auch für eine speziell entwickelte Version von Suns Wunderwaffe Java. So könnte es in Zukunft deutlich einfacher werden, die unterschiedlichsten Applikationen wechselweise auf die Karten zu spielen. Geht man von einer weiteren Fortentwicklung der Mikroprozessoren im gewohnten Tempo mit einer Verdoppelung der Leistungskapazität alle 18 Monate aus, scheint es für die Einsatzvarianten der Smart Card kaum noch Grenzen zu geben. Jürgen Dethloff setzt deswegen große Hoffnungen in sein Kind der Hamburger hat für die vom ihm mitentwickelte Chipkarte 1968 Patent angemeldet: Auf der Omnicard-Konferenz Mitte Januar in Berlin bezeichnete der Erfinder und Unternehmensberater die Smart Card als "ein mächtiges Werkzeug, weit bedeutender als der PC es als quasi anonymes Arbeitsmittel geworden ist und je werden wird."
Eines der technischen Meisterwerke, das rund 45 Millionen Deutsche bereits fast täglich in Händen halten, ist die Geldkarte. Die meisten Bankkunden nutzen sie zwar nur als "bessere" EC-Karte, da trotz des großen potentiellen Nutzerkreises bisher kaum sinnvolle Anwendungsfelder für die elektronische Geldbörse existieren. Doch Industrie und Kommunen entdecken langsam, was in dem Zauberkärtchen steckt. Durchsetzen könnte sich die Geldkarte etwa als Zusatzkarte für das Homebanking via PC oder Handy sowie als elektronischer Fahrschein im Öffentlichen Personenverkehr. Die Reisenden würden ihr Ticket dann nicht nur mit der bis zu 400 Mark reichenden Zahlungsfunktion kaufen, sondern auch auf der Karte gespeichert mit sich führen. Die Suche nach Kleingeld am Automaten würde damit genauso entfallen wie das Wühlen nach dem Fahrschein in Tüten und Taschen im Falle einer Kontrolle. Tests sollen noch in diesem Frühjahr in Bremen und Berlin sowie im Rhein-Main-Gebiet anlaufen. In München sind die elektronischen Tickets sogar schon im Einsatz.
Ein nächster Schritt wäre, den Fahrschein nicht mehr am "Entwerter" auf eine Karte zu buchen, sondern den gesamten Kauf- und Abrechnungsprozeß zu automatisieren: Passiert ein Passagier beim Ein- und Aussteigen eine Schranke am Verkehrsmittel, wird die Fahrt auf dem Chip gespeichert und entweder sofort oder nach einem bestimmten Zeitraum vom Konto abgebucht.
Zum nächsten Großprojekt im Bereich Smart Cards könnte der Elektronische Patientenausweis, die nächste Generation der Krankenversichertenkarte, werden. Genaue Pläne sind nicht bekannt, der Koalitionsvertrag von SPD und Grünen sieht pauschal die "Modifizierung der Krankenversicherungskarte (Arztwechsel)" vor. Die Bundesregierung will vor allem dem Ärzte-Hopping einen Riegel vorschieben: Wer in einem Quartal mehr als zwei verschiedene Praxen aufsucht, müßte zuzahlen. Falls sich diese Pläne konkretisieren, müßte die jetzige Karte auf jeden Fall ersetzt werden, da sie nur über einen Festspeicher minimaler Größe verfügt.
Und wenn schon ein Prozessorchip in die Taschen der Patienten kommt, könnte man ihn auch gleich für Zusatzanwendungen wie die Speicherung von elektronischen Rezepten, Befreiungsvermerken, freiwilligen Notfalldatensätzen sowie Angaben über die Bereitschaft zur Organspende oder einer digitalen Signatur zur Einwilligung in Operationen tauglich machen. Die Weiterentwicklung hätte allerdings ihren Preis. Rainer Hess, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung rechnet mit einem erforderlichen Kapitaleinsatz von mehreren 100 Millionen Mark für das Chipdesign sowie die Ausstattung der Ärzte und Apotheker mit neuen Lesegeräten. Marktreif wäre die neue Karte zudem nicht vor 2003.
Doch nicht nur die Kosten könnten die Einführung der neuen Versichertenkarte behindern. Die Anhäufung derart sensibler Daten auf einem Stück Plastik wird keineswegs einstimmig begrüßt. "Die Patientenchipkarte genügt keineswegs den Anforderungen an das Recht auf informationelle Selbstbestimmung", fürchtet zudem Werner Kessel, Datenschutzbeauftragter von Mecklenburg-Vorpommern. Dort gespeicherte Daten unterlägen nicht mehr der ärztlichen Schweigepflicht und befänden sich nicht mehr allein in der Verfügungsgewalt der Patienten, falls beispielsweise auch Sicherheitsbehörden Zugriffe auf die Karten hätten oder Arbeitgeber ihre "freiwillige" Überprüfung wünschten. Die Datenschützer hatten aus diesen Gründen Mitte der 90er bewußt die minimalen Speichermöglichkeiten für die Versichertenkarte durchgesetzt.
Auch Erfinder Dethloff fragt sich angesichts der Funktionsvielfalt der Chipkarten und ihrer Mißbrauchsmöglichkeiten, ob er mit seiner Erfindung nicht die "Büchse der Pandora" geöffnet habe: Zwar könnten durch Verschlüsselung Zugriffsrechte für die einzelnen Datensätze verteilt werden sowie im Fall der Geldkarte kontoungebundene "Geldbörsen" (WhiteCards) die Privatsphäre der Nutzer bewahren helfen. Doch der ins System integrierte Datenschutz stößt an Grenzen, da die Multifunktionalität der Karten gerade dadurch attraktiv wird, daß unterschiedliche Kartenleser Zugang zu gemeinsamen Informationen haben. Thomas Denny, Sicherheitsberater der Debis IT Security Services, schwärmte auf der Omnicard etwa von einem "Pool" von Datensätzen, den "nicht nur ein, sondern eine Gruppe von Anbietern" benutzen kann. So könnten den Karteninhabern "Verbund-Dienstleistungen" angeboten werden: Der Parkhausbesitzer trägt einen elektronischen Parkschein in den Pool ein, das Kaufhaus "knipst" ihn an der Kasse im Kartenleser ab und übernimmt die Gebühren. Auch auf der Geldkarte sieht Denny noch Speicherplatz für derartige Zusatzanwendungen.
Zu den datenschutzrechtlichen Bedenken kommen sicherheitstechnische Abwägungen hinzu. "Vom Prinzip her sind alle Chipkarten zu knacken", weiß Frank Rieger, Pressesprecher des Chaos Computer Clubs (CCC), der auf seinen Webseiten unter anderem eine "Anleitung" zum Klonen von Mobilfunkkarten bereithält. Die Geldkarte "aufzumachen", ist eines der erklärten Ziele der Hackergemeinde. Dazu haben die Technikfreaks extra eine German Smartcard Hackers Organisation gegründet, die alle Geheimnisse der Mikroprozessoren entschlüsseln will.
Auch bei der Geldkarte hätten vor dem Zulassungsverfahren vor rund zwei Jahren sicherheitstechnische Bedenken bestanden: "Wir haben den Banken etliche Hausaufgaben aufgegeben", erinnert sich Security-Expertin Isabel Münch vom BSI. Die CCC-Anstrengungen sieht sie nun als eine "Herausforderung" für die Kreditwirtschaft. Große Hoffnung will sie den Hackern allerdings nicht machen: "Die Sicherheitslösungen der Banken sind extra auf Angriffe versierter Outsider angelegt. Da müßte schon jemand mit einem Budget von 10 Millionen Mark und mehr kommen, um die Karte zu cracken."
Telekom schmiedet Allianz mit Kirch
Aus: Spiegel-Pressemeldung 30. Januar 1999 zum Artikel "Gegner Nummer eins" im SPIEGEL 5/1999, 1. Februar 1999, Seite 8889 (Wirtschaft).HAMBURG. Die Deutsche Telekom steht im Multimedia-Geschäft vor einer Ehe mit der Münchner Kirch-Gruppe. Wie das Nachrichten-Magazin DER SPIEGEL in der neuen Ausgabe berichtet, soll Kirch mit Filmen, Serien, Musikprogrammen und Informationssendungen das Kabelnetz und das Online-Angebot der Telekom aufwerten. In den Geheimverhandlungen des Telekom-Vorstands Gerd Tenzer mit Kirch geht es um eigene Spielfilmpakete sowie um eine Kooperation bei Kanälen der Hollywood-Studios, die Kirch den Amerikanern zugesichert hat. So soll die Kooperation bald mit einem Filmkanal von Universal Pictures beginnen.
Die Telekom setzt bei ihren neuen Plänen auf eine Weiterentwicklung des Kirch- Fernsehdecoders d-Box, der es schon bald ermöglichen soll, auch Internetangebote über den TV-Bildschirm zu empfangen. Deshalb will sich die Telekom, so der SPIEGEL, nun an der Forschungsfirma Beta Research der Kirch-Gruppe beteiligen. Sie soll an die Börse gebracht werden; der Preis für die Telekomanteile richtet sich dann nach dem dort erzielten Aktienwert. Für den Datendienst T-Online sollen Kirch und der Axel Springer Verlag als Inhalteanbieter gegen den Bertelsmann-Ableger America Online auftreten. Eine interne Studie der Telekom hat ergeben, daß der Medienkonzern Bertelsmann "der Gegner Nummer eins" ist und es dem einstigen Monopolisten in diesem Wettstreit noch an attraktiven Inhalten und Programmen fehlt.
Aufsteiger: Die Lach-Nummer
Kein anderer deutscher Unternehmer hat sich so raffiniert selbst vermarktet wie der Mobilcom-Chef Gerhard Schmid. Dieses Jahr wird das nicht mehr reichen.
Aus: Der Spiegel 6/1999, 8. Februar 1999, Seite 9596 (Wirtschaft). [Original]Der Vorstandsvorsitzende liebt es lustig. Scharen putziger Porzellan-Clowns bevölkern das Büro von Mobilcom-Chef Gerhard Schmid, 46. Der eine spielt Karten, der nächste Trompete, der dritte klar mit einem Handy. Schmid spielt dazu den Philosophen.
Clowns seien für ihn der Inbegriff von Freudenspendern: stets unterhaltsam, nie auf Kosten anderer. Natürlich sieht er sich genauso. Aber wenn Schmid an diesem verregneten Abend lacht, dann hart und hämisch mit unangenehm-kämpferischer Hab'-ich's-euch-nicht-gesagt-Attitüde. Sein Tag war voll von kleinen Katastrophen. Und nebenher hat sich Schmid wieder kräftig zum Kasper machen müssen.
Schon morgens um 9 Uhr testete er fürs "Manager Magazin" den Audi TT. Auch ein PR-Genie wie er muß für eine große Story sonst mehr tun, als 20 Minuten über die Autobahn zu kacheln. Mittags fragte ihn ein junger Radio-Reporter nach der Telekom-Reklame, die Schmids Firma als "Mogelcom" beschimpft hatte. Unter seinem schütteren Blondschopf lief der Chef dunkelrot an und schnaufte, daß er auf so eine Frage gar nicht eingehe. Er antwortete trotzdem, klang aber gar nicht mehr lustig.
Danach wurde er eine Stunde vom "Wall Street Journal" ausgequetscht. Und schließlich wollte ein Kameramann vom NDR, daß er zur Bebilderung einer Geschichte über den Telefonpreiskrieg "die Treppe runterrennt". Ob er auch hinauflaufen dürfe, fragte Schmid, dem Kommentare schwanten von der Sorte: Jetzt geht's abwärts.
Es geht übrigens tatsächlich abwärts: Beamte der Regulierungsbehörde torpedieren seine Expansionspläne, Verbraucherverbände seine Werbekapriolen und die Konkurrenten seinen einstigen Dumpingtarif von 19 Pfennig pro Minute. Die 01019-Vorwahl droht zur Lach-Nummer zu werden, weil längst etliche billiger sind. Die Telekom lähmt den Konkurrenten mit allerlei Unterlassungserklärungen. Und Mobilcom? Lähmt sich selbst.
Unangenehm ist es, wenn "Handy-Kunde Heinz" sich in "Bild" beschwert, daß er seit fast einem Jahr auf eine Telefonrechnung warte. "Ihr braucht doch auch das Geld!" schimpft Heinz, was das Boulevardblatt mit der Spitze garniert: "Schmid ist bereits Milliardär." Das klingt wie: Der hat eure paar Kröten nicht mehr nötig. "Neid verkauft sich gut", sagt Schmid bemüht teilnahmslos. "Fast so gut wie Sex."
Furchtbarer trifft es den Neu-Milliardär, wenn Hacker ihm vorwerfen, daß sie im Mobilcom-Rechner die Daten seiner Internet-Kunden aufspürten. Soviel Transparenz verträgt nicht einmal der neue Großraum-Glaspalast seiner Firma im schleswigschen Nest Büdelsdorf.
Und ganz schrecklich wird es, wenn zwei Service-Leute ihn beim Kantinenessen damit zu trösten versuchen, daß sich ohnehin nur wenige in seinem Netz verfangen. Die Leitungen seien hoffnungslos überlastet. Es hagle Kundenproteste. So was zieht Schmid noch tiefer runter als die schwere Soße auf dem Zigeunerbraten.
Der eilends kontaktierte Techniker schwadroniert über "Cisco-Router" und "Traffic Shaping". Am Ende des Gesprächs ist klar, daß eine Woche Zeit bleibt, das Problem zu lösen. Genauer gesagt: "Siebenmal 24 Stunden". Bis dahin darf der Kundendienst die Beschwerden in "Schlimm" und "Besonders schlimm" einteilen. "Scheiße", schnarrt Schmid. Genauer gesagt: "Alles Scheiße!"
Telekommunikation ist ein kompliziertes Geschäft. Und es war bisher die Stärke des Maurersohns aus dem fränkischen Selb, es so simpel wie möglich zu verkaufen, seit er anfing, damit reich zu werden.
Als Assistent im Hutschenreuther-Management hatte er gelernt, wie große Werke und ihre Mitarbeiterheere funktionieren. Als Kurdirektor des Ostseebades Damp war ihm klargeworden, wie man Kunden bei Laune hält. Und als Sixt-Vorstand hatte er verstanden, daß es nicht genügt, einen Markt zu entdecken. "Man muß ihn sich nehmen." Schmid nahm sich das Telefongeschäft. Wenn der Alt-Monopolist Telekom mit seinem riesigen Netz ein Straßenbauer war, dann wollte er der schnellste und billigste Spediteur sein. 1997 versorgte die Börse seine Mobilcom AG mit dem nötigen Geld. Postminister Wolfgang Bötsch steuerte eine strahlende Zukunft bei.
Nur 2,7 Pfennig, entschied er, müßten die Leitungsuntermieter im Schnitt pro Gesprächsminute zahlen. Doch während sich Otelo, Talkline oder Arcor zunächst im Dickicht des selbstkultivierten Preisdschungels verloren, schlug Schmid mit dem Immer-und-überall-Traumtarif von 19 Pfennig pro Minute und lustiger Werbung eine Bresche in Herzen und Hirne der verwirrten Kundschaft.
Telefonieren mit Mobilcom "kann sich jeder Praktikant leisten", titelte er zu einem Foto von Bill Clinton und Monica Lewinsky. Schmid konnte sich solche Späße leisten, weil er keinen schwerfällig-ängstlichen Mutterkonzern im Nacken hatte, der ihm den Mund verbot. Da stand er nun, der Rächer der Entnervten, der Robin Hood von Festnetz-Forest. Sein Name war fortan Nachricht, auch wenn die Nachricht nicht immer namhaft war.
Mal posaunte er heraus, Teile von Hagenuk Telecom zu übernehmen. Wenige Tage später zog er das Angebot zurück. Mal avisierte er, daß Ex-Postminister Bötsch bald den Mobilcom-Aufsichtsrat garnieren werde. Bis zur Hauptversammlung hatte Bötsch es sich anders überlegt. Im Oktober bot Schmid dem Daimler-Chrysler-Konzern sogar an, dessen Tochter Debitel für über zwei Milliarden Mark zu übernehmen.
Absichten eines Clowns? Vielleicht hätte er sich damit auch selbst übernommen, doch die Debitel-Manager lachten nur herzlich. Noch lauter lachten Schmids Aktionäre, die sich über immer neue Rekordmarken freuen konnten (siehe Grafik). Dank Aktienoptionen sollen allein 125 Mobilcom-Mitarbeiter zu Millionären in spe geworden sein.
Schmid trat derweil an der Seite abgehalfterter Schauspielerinnen in Talkshows auf und parlierte ohne Scheu mit "Gala" oder "Neue Revue". Einmal traf er sich sogar mit Ron Sommer von der Telekom. Die beiden Vorstandschefs sind die einzigen Popstars in der Goldgrube der von grauen Ingenieuren dominierten Telekommunikation. Aber im Vergleich zum alerten Sommer ist Schmid eher der Peter Maffay der Branche.
Ein bulliger Ex-Eishockey-Halbprofi. Ein Malocher ohne Milliardärsallüren, der seine Briefe immer noch selbst schreibt und statt Rolex lieber eine Mobilcom-Plastikuhr zur Schau trägt. Ein Underdog, sagt Schmid über Schmid. Ein Parasit, giftete die Telekom nach dem Gipfeltreffen.
Berauscht von der eigenen Medienmacht, schrieb sich Schmid eine neue Hauptrolle: die des rotzfrechen David im Kampf gegen den bösen Goliath Telekom. "Kein Sehfehler", titelte er in pinkfarbenen Anzeigen, die denen des Konkurrenten täuschend ähnlich sahen: "Die günstige Vorwahl für Telekom-Kunden."
Prompt mußte Telekom-Werbeträger Manfred Krug seine "Tatort"-Dreharbeiten verschieben, um sich im hastig produzierten Gegen-Spot(t) mit der Anzeige eine Zigarre anzuzünden und zu murmeln: "Das ist gar nicht von der Telekom, sondern von der Mogelcom."
Erst verehrten Schmid die Anleger, dann die Kunden und schließlich die Journalisten, die dankbar jedes neue Werbescharmützel aufgriffen. Business ist Show. Und die Show ist Schmid.
"Wir müssen polarisieren", sagt er. Mobilcom werde geliebt oder gehaßt. Die Grauzone dazwischen überläßt er anderen. Seit Ende vorigen Jahres lieben ihn vor allem Anwälte. Rund 30 Verfahren seien mittlerweile anhängig. Zwischen all den Strafanzeigen, Unterlassungserklärungen und Betrugsvorwürfen konnte man glatt aus den Augen verlieren, daß alle Konkurrenten irgendwann billiger waren als der Ex-Telefon-Aldi.
So entdeckte Schmid die Steigerung von günstig: umsonst. An Weihnachten lockte er erstmals mit Gratis-Telefonaten. Natürlich brachen die Leitungen zusammen. Dann koberte er mit einer Freiminute bei Ferngesprächen. Der Haken: Nur fest registrierte Mobilcom-Kunden konnten anfangs gratis telefonieren. Auch die nur zwischen 19 und 24 Uhr. Und wer länger als 60 Sekunden an der Strippe hing, mußte das Gespräch komplett bezahlen. Mittlerweile ist auch das wieder Makulatur. Aber das Geschrei ebbt nur langsam ab.
"Anrüchig" nennt Wilhelm Hübner vom Deutschen Verband für Post und Telekommunikation solche Köder. "Irreführend", schimpft Reiner Münker von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs und klagte beim Landgericht Kiel. Schmid habe "hier und da die Bodenhaftung verloren", lästert Telekom-Sprecher Jürgen Kindervater. Der Kampf gegen Goliath hat David groß gemacht. Nun droht er zum Meister des Kleingedruckten zu werden.
Von diesem Jahr an entscheide nicht mehr Preis, sondern Service, ahnt Schmid. Von seinem Service kann er nur Stammkunden überzeugen. Und um die zu ködern, dreht er wieder am Preis. Künftig will er auch Autos oder Flugreisen verlosen, um Leute zu locken. Aber solche Aktionen drücken nicht nur die Profite, sondern auch das Image, denn sie klingen eher nach Drückerkolonne als nach Dumping-Charme.
Und weil Image überhaupt das wichtigste ist, engagierte Schmid nun das Kreischigste, was die Werbeszene zu bieten hat: die Hamburger Agentur "Zum Goldenen Hirschen", die ihre Bürofenster an der Alster mit roten Lämpchen schmückt wie einen Reeperbahnpuff. Normalerweise würden sie von ihren Kunden eher zurückgepfiffen, sagt Agentur-Mann Bernd Heusinger. Schmid könne es dagegen gar nicht wild genug sein. Beide eint ein Hang zum Groben.
Kürzlich verteilten die goldenen Hirschen weiße Kleckse, die man sich ans Revers heften kann. Als "Bill-Clinton-Solidaritäts-Fleck". Da ist der Grat schon ziemlich schmal zwischen Lacher und Lächerlichkeit.
"Massiver Druck"
Telekom-Chef Ron Sommer, 49, über den Streit um die Telefongebühren im Ortsnetz
Aus: Der Spiegel 6/1999, 8. Februar 1999, Seite 85 (Wirtschaft).SPIEGEL: Das Gefeilsche um den Preis für den sogenannten Teilnehmeranschluß ist beendet. Die Telekom darf von den privaten Telefonfirmen monatlich rund 25 Mark kassieren, wenn sie ihnen einen Anschluß im Ortsnetz überläßt. Werden Sie dagegen klagen?
Sommer: Ich kenne den Beschluß noch nicht. Sollte die Zahl stimmen, halte ich die Entscheidung für falsch, denn für unsere Forderung von 37 Mark haben wir der Regulierungsbehörde umfangreiches Zahlenmaterial vorgelegt. Wir werden sie aber trotzdem akzeptieren.
SPIEGEL: Vor kurzem haben Sie noch behauptet, ein Preis unter 37 Mark stürze die Telekom ins Elend.
Sommer: Zweifellos entsteht jetzt erneut massiver Druck, und wir werden gewaltig an der Kostenschraube drehen müssen.
SPIEGEL: Was bedeutet das für die Arbeitsplätze?
Sommer: Auswirkungen auf unsere Arbeitsplätze sehe ich derzeit nicht. Der enorme Kostendruck könnte aber Konsequenzen für unsere Investitionspläne und damit indirekt auch für Arbeitsplätze in anderen Bereichen haben. Immerhin hat die Telekommunikationsbranche im vergangenen Jahr 11 Milliarden Mark in Deutschland investiert, und 10 Milliarden kamen von uns.
SPIEGEL: Werden die Preise im Ortsbereich jetzt genauso schnell fallen wie bei den Ferntarifen?
Sommer: Einen so dramatischen Preisverfall erwarte ich nicht. Bei den Citytarifen ist längst nicht soviel Spielraum wie bei den Ferntarifen. Zum anderen sind die privaten Anbieter gezwungen, einiges zu investieren, wenn sie uns im Citybereich Konkurrenz machen wollen. Damit hätten wir endlich echten Wettbewerb, den der Innovatoren und Investoren.
Verbände: VATM vor der Spaltung
Aus: Spiegel Online 9. Februar 1999 (nur elektronisch publiziert).BONN. Die größte Branchenorganisation der deutschen Telefongesellschaften, der VATM in Köln, steht offenbar vor der Spaltung. Die Spitzen mehrerer Unternehmen treffen sich am Mittwoch in Frankfurt, um über die Gründung eines neuen Branchenverbandes zu beraten.
An dem Gespräch nehmen neben den Vorstandsvorsitzenden der drei großen überregionalen Telekom-Konkurrenten Mannesmann Arcor, Otelo und Viag Interkom auch die Spitzen ihrer jeweiligen Mobilfunk-Ableger teil. Außerdem sind die Chefs mehrerer Citynetz-Betreiber dabei, unter anderem von NetCologne in Köln und Isis in Düsseldorf, sowie die regionale Telefongesellschaft tesion.
Die Telefonbranche sei inzwischen so heterogen, daß eine einzige Organisation kaum mehr für alle Wettbewerber der Deutschen Telekom sprechen könne, hieß es aus Kreisen dieser Unternehmen. Zur Zeit gehören dem VATM (Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten) noch 40 Firmen an. Sechs weitere haben eine Aufnahme beantragt.
Mit der Zusammenkunft in Frankfurt zeichnet sich ab, daß die Telefongesellschaften mit eigenen Netzen auf der einen Seite und kleinere Anbieter ohne größere Infrastruktur auf der anderen Seite getrennte Wege bei der Vertretung ihrer Interessen einschlagen werden. Unter Branchenbeobachtern wurde dies im Hinblick auf eine sich abzeichnende Marktbereinigung bereits seit längerem erwartet. Wegen des zunehmenden Preis- und Wettbewerbsdrucks wird allgemein damit gerechnet, daß es schon in diesem Jahr auf dem Telefonmarkt verstärkt zu Unternehmenszusammenschlüssen kommen wird.
Unter den großen Gesellschaften macht sich wachsende Unzufriedenheit über bestimmte vom VATM öffentlich vertretene Positionen breit. Dies gelte unter anderem für dessen vehemente Forderung nach möglichst geringen Interconnection- Gebühren für die Durchleitung von Telefongesprächen durch das Netz der Telekom. Da man selbst Milliardenbeträge in eigene Netze investiert habe, bringe man möglicherweise mehr Verständnis als kleinere Anbieter dafür auf, wenn der ehemalige Monopolist bei der Regulierungsbehörde auf die Festsetzung kostendeckender Preise poche. Nach SPIEGEL ONLINE-Informationen ist eines der zentralen gemeinsamen Anliegen der großen Anbieter, die Kontrolle über die Fernbereichs-Gebühren der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post zu entziehen. Ein gemeinsamer Verband der Großen könnte versuchen, politisch durchsetzen, sämtliche Interconnect-Vereinbarungen ab 50 Kilometer Entfernung der Verhandlungsmacht der einzelnen Firmen zu überlassen.
Für Unmut bei den Großen sorgten auch Äußerungen einzelner VATM- Mitglieder wie MobilCom-Chef Gerhard Schmid. Dieser hatte sich vor einiger Zeit dafür ausgesprochen, bisher nur im Festnetz mögliche Call-by-Call-Gespräche auch im Mobilfunk möglich zu machen. Dadurch müßten Arcor, Otelo und Viag Interkom ihre Investionen in diese Systeme bedroht sehen, hieß es.
VATM-Geschäftsführer Gerd Eickers sagte, er könne sich nicht vorstellen, daß die am Mittwoch zusammenkommende Runde die Gründung einer neuen Organisation beabsichtigte. Er verwies darauf, daß alle Verbandsentscheidungen einstimmig getroffen worden seien. Dies gelte auch für die VATM-Position zum Thema Interconnection. Im übrigen sei Arcor über den Mutterkonzern Mannesmann selbst im Vorstand vertreten.
NetCologne-Geschäftsführer Werner Hanf bestätigte, daß seine Firma an dem Gespräch teilnehmen wird. Eine Verbandsspaltung halte er allerdings nicht für sinnvoll. "Wir fühlen uns im VATM gut aufgehoben", sagte er. Auch mit Telefonfirmen, die über kein größeres Netz verfügten, hätte man viele Gemeinsamkeiten. Als Beispiel nannte Hanf das Interesse an einem diskriminierungsfreien Zugang zu den Leitungen der Telekom.
Digital-TV: Allianz ohne Kirch
Aus: Spiegel Online 12. Februar 1999 (nur elektronisch publiziert).MÜNCHEN. Zur Durchsetzung des digitalen Fernsehen in Deutschland hat sich am Freitag eine neue Medien- und Technikallianz gegründet. Das Bündnis will eine nach eigenen Angaben unabhängige Plattform für Digital-TV bieten. Zu den Initiatoren des "Free Universe Network" (FUN) zählen nach eigenen Angaben verschiedene Sender, Medien-Unternehmen und Endgeräte-Hersteller.
Nicht dabei ist die Münchner Kirch-Gruppe, die im digitalen Fernsehen in Deutschland eine zentrale Rolle spielt. Kirch hatte erst vor kurzem die Öffnung seiner digitalen Decoder-Technik für Angebote anderer Anbieter bekanntgegeben. Kritiker in der Branche bemängelten mehrfach, Kirchs Technik sei nicht für jeden Anbieter digitaler TV- Programme diskriminierungsfrei nutzbar.
Kernstück der neuen Allianz sei die "Definition einer universellen technischen Plattform", erklärte FUN. Sowohl alle frei empfangbaren Programme als auch die kostenpflichtigen Angebote, etwa Pay-TV, sollen so nutzbar werden. Möglich werde die durch die sogenannte DVB- Common-Interface-Technologie und ein Betriebssystem, das auch die vom Internet bekannte Programmiersprache Java verarbeitet. Ziel sei es auch, Verbrauchern, Unternehmen und dem Handel Investitionssicherheit zu geben.
Bei digitalem Fernsehen seien "Wettbewerb, Vielfalt, Meinungsfreiheit und ein ungehinderter Zugang für alle Markteilnehmer" nötig. Die Allianz wolle national und international auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und die Standardisierung der Technologie vorantreiben, hieß es. [mehr]
Ortsgespräche: Wo ist der Wettbewerb?
Aus: Der Spiegel 7/1999, 15. Februar 1999, Seite 82 (Medien).Für den größten Teil der Deutschen wird das Telefonieren im Citybereich vorerst kaum billiger. Zwar wollen Arcor (Mannesmann-Konzern) und Otelo (RWE/Veba) ihre Dienste in bis zu zehn Großstädten anbieten und die Kunden mit Minutenpreisen zwischen 5 und 9 Pfennig ködern [Ed: wo es derzeit bei der Telekom auf die Minute umgerechnet zwischen 3 und 8 Pfennig kostet]. Doch die Angebote werden gekoppelt an umfangreiche Dienstleistungspakete wie ISDN und Internet-Zugang [t-off berichtete], die bei einer monatlichen Grundgebühr von etwa 45 Mark nur für Firmen und fleißige Vieltelefonierer interessant sind.
Das ist die Konsequenz aus dem hohen Mietpreis von monatlich 25,40 Mark, den die Telekom von ihren Konkurrenten für die Überlassung des sogenannten Teilnehmeraanschlusses kassieren kann. Arcor will deshalb die "wettbewerbsfeindliche Preisvorgabe der Regulierungsbehörde" gerichtlich überprüfen lassen. Am weitesten wagt sich MobilCom- Chef Gerhard Schmid vor: Er will in 26 Städten mit der Telekom konkurrieren und lockt mit kostenlosen Ortsgesprächen [t-off berichtete]. Die gelten aber nur für MobilCom- Kunden untereinander alle anderen Gespräche kosten 9,5 Pfennig pro Minute und sind damit bis zu dreimal so teuer wie der heutige Minutenpreis der Telekom.
Yahoo-Gründer Jerry Yang attackiert deutsche Regierung
Aus: Spiegel-Pressemeldung 20. Februar 1999 zum Interview "Größe ist am wichtigsten" im SPIEGEL 8/1999, 22. Februar 1999, Seite 104106 (Wirtschaft).HAMBURG. Yahoo-Gründer und Multimilliardär Jerry Yang wirft der Bundesregierung vor, das Internet zu behindern. Da im Telefon-Ortsnetz noch immer kein Wettbewerb herrsche und die Preise daher zu hoch seien, stoße das Zukunftsgeschäft "auf eine künstliche Grenze". Yang in einem Gespräch mit dem Nachrichten- Magazin DER SPIEGEL: "In Deutschland muß man für Ortsgespräche noch immer bezahlen, in den USA ist diese Basiskommunikation fast kostenlos". Yang fordert von der Regierung einschneidende Maßnahmen: "Die Telekommunikationsindustrie muß unbedingt dereguliert werden, das ist eine echte Wachstumsbremse. Im Internet läuft eine friedliche Revolution ab, die es sich lohnt zu fördern. Auch die Deutschen sollten Revolutionäre sein."
Internet: Aggressive Telekom
Aus: Spiegel-Pressemeldung 20. Februar 1999 zum Artikel "Aggressive Telekom" im SPIEGEL 8/1999, 22. Februar 1999, Seite 89 (Trends).HAMBURG. Die Deutsche Telekom will mit großen Technik- Investitionen ihre Multimedia- Vorherrschaft sichern. Das Mitte des Jahres geplante neue Angebot ADSL soll 1999 bei rund 80.000 Kunden installiert werden, berichtet das Nachrichten- Magazin DER SPIEGEL. Mit der neuen Technik, die aus Telefonleitungen moderne Infobahnen macht und Daten bis zu 70mal schneller als das digitale ISDN transportiert, plant die Telekom auch eine systematische Förderung ihrer Konzerntochter T-Online. Sie sei als "alleiniger Vermarktungskanal" eingeplant, zitiert DER SPIEGEL aus internen Telekom- Papieren, andere Online-Dienste sollen keinen Zutritt erhalten.
Der Konzern will zunächst für 25 Stunden ADSL pro Monat 250 Mark verlangen; jede weitere Stunde kostet acht Mark. Angepeilt werden etwa Computerfreaks oder kleine Werbeagenturen. Die Hochpreispolitik diene "der Nachfragesteuerung", heißt es im Telekom- Papier, um nicht die Vermarktung von ISDN zu stören.
21.2.1999 (t-off). In Deutschland hat sich ja unlängst die Regulierungsbehörde für "nicht zuständig" bei der Deregulierung von Datenverbindungen erklärt, wohl weil bislang der Protest vor allem aus den Reihen der Verbraucher und relativ schwacher ISPs kommt. Anders in den USA: Der US-Regulierer FCC hat z. B. bestimmt, daß eine Telefongesellschaft (common carrier) den ADSL- Netzzugang nicht mit einem (eigenen) Internet- Providerangebot bündeln darf. Eine sehr sachgerechte Regulierungsmaßnahme. Es bleibt zu hoffen, daß wenigstens Brüssel das auch so sieht.
22.2.1999 (t-off). Unterdessen wurde noch bekannt, daß die Übertragungsrate beim Telekom-ADSL auf zunächst 768 kBit pro Sekunde begrenzt wird. Zum Start sollen T-Online-Kunden in acht Großstädten ADSL nutzen können. Der Ausbau in 43 Städte sei bis zum Jahresende geplant.
"Durch den SPIEGEL-Bericht sieht sich AOL Deutschland in seiner Ansicht bestätigt, daß die Deutsche Telekom ihre marktbeherrschende Stellung im deutschen Telekommunikationsmarkt unzulässig weiter ausnutzt", protestiert der Online-Dienst in einer Pressemitteilung. "Der Zugang zu ADSL als neuem Hochgeschwindigkeits-Zugang zum Internet muß den Kunden von allen Online- und Internetdiensten zur Verfügung stehen", fordert AOL-Sprecher Frank Sarfeld. "Wir prüfen, ob dieser erneute Versuch der Telekom, den Wettbewerb weiter zu verzerren, in die bereits bei der EU-Kommission anhängige Beschwerde von AOL Europa aufgenommen werden kann." [mehr]
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