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Telekom-Regulierung 1998 khd
Stand:  11.9.1999   (22. Ed.)  –  File: Reports/Telekom_Regulierung_1998.html




In den Newsgruppen "de.comm.service+tarife", "de.comm.misc", "de.soc.politik.deutschland" und "de.soc.politik.texte" des deutschsprachigen UseNets wies der Publizist Hendrik Levsen am 26. Oktober 1998 auf seinen Report zur "Telekom-Regulierung 1998" (Ortsgespräche und das Internet) hin. Das Original dieses zusammenfassenden Berichts ist im Internet unter dem Pfad http://levsen.org/deutsch/telekom/ zu finden.

Die Dokumentation dieses Reports vom August 1998 erfolgt hier im Rahmen des Internet- Magazins "t-off", um Beleg- Links zu einzelnen Thesen anbringen zu können. Der Report basiert auf der Vorarbeit von t-off. Aktuelle Kommentare und Verweise sind mit [Ed: ...] hinzugefügt. Die Verweise (Links) zu weiterführenden Informationen sind vom Autor mit * angegeben. Die externen Links wurden (noch) nicht überprüft.

Inhalt:

  1. Die Telekom und die Bundesregierung.
  2. Die "letzte Meile" bringt das Geld.
  3. Fatale Folgen.
  4. Verschleierungstaktiken der Telekom.
  5. Fortschritt? Nein danke!
  6. Fazit.


Telekom-Regulierung 1998

Ortsgespräche und das Internet

Report von

Hendrik Levsen

25. August 1998




Seit Jahren schützt die Bundesregierung ihr Staatsunternehmen "Telekom" vor Verlusten durch Wettbewerb und Fortschritt, zum erheblichen wirtschaftlichen Nachteil seiner 40 Millionen Kunden und dem Land als Ganzen. Ein Bericht von Hendrik Levsen.



1. Die Telekom und die Bundesregierung

Die Telekom ist trotz aller "T-Aktien"-Augenwischerei ein Staatsunternehmen, und zwar zu 75 % *. 75 % aller Aktien gehören der Bundesregierung, und sind dort dem Finanzministerium zugeordnet. Das Interesse des Finanzministeriums (und damit der Bundesregierung) am Wohlergehen der Telekom ist kolossal * *. Vor allem soll der ab Anfang 2000 geplante schrittweise Verkaufs des Restanteils (soweit man 75 % überhaupt einen "Restanteil" nennen kann) möglichst viel erbringen.

Als ob damit noch nicht genug wäre, sind einige Regierungsbeamte natürlich gute Freunde der Telekom als ehemaliger Behörde * * *. Außerdem sind 200.000 Mitarbeiter als Ganzes sind ein nicht zu vernachlässigender Wähleranteil und die Postgewerkschaft, die u. a. die Telekommitarbeiter vertritt, hat seit eh und je ein viel zu hohes Machtpotential in Bonn. Das sind keine Schwarz-auf-weiß-Fakten, lassen aber vieles unverständliche in der im folgenden beschriebenen Zusammenarbeit von Regierung und Telekom plausibler erscheinen.

Mit 75 % der Aktien hat die Regierung nun natürlich nicht nur das größte Interesse am Wohlergehen der Telekom, sondern auch das alleinige Sagen, wofür im Prinzip auch schon nur 51 % der Aktien gereicht hätten. (Ein schrittweiser Verkauf von weiteren 25 % auf dem Umweg über die Kreditanstalt für den Wiederaufbau ist geplant. Damit würde der Bundesanteil knapp unter 50 % und damit unter die absolute Stimmehrheit fallen, wenn man die KfW als unabhängige Einheit betrachtet. Ein Sinken des Anteils unter 50 % wäre jedenfalls meldepflichtig und ist bisher nicht gemeldet worden. *) Alles Gerede vom "unabhängigen Unternehmen", mit dem sich die Telekom gerne schmückt, ist daher Bla-bla. Chef Ron Sommer und diverse andere Vertreter tun nur ihre Pflicht und "Abstimmungen" bei Aktionärsversammlungen sind wohl eher dazu da, die Aktionäre bei Laune zu halten, zu sagen haben sie eigentlich nichts.

Die Bundesregierung ist nun aber auch verpflichtet, den Wettbewerb zwischen der Telekom und Konkurrenzunternehmen zu fördern und die Ausnutzung von Monopolen durch entsprechende Regulierung zu verhindern – im allgemeinen sowieso und im speziellen seit Anfang 1998 durch einen EU-Beschluß und ein Abkommen mit der WTO. Förderung des Wettbewerbs und Schutz vor Monopolen rentieren sich jedoch nur langfristig, während der Verkauf von Telekom-Aktien zwar verhältnismäßig kleine, aber kurzfristige Bilanzerfolge bringt, sich damit besser "verkaufen" läßt und zur Zeit auch zum Erreichen der Euro-Kriterien sicher nicht ungelegen kommt.

Mit der Wahrung des Wettbewerbs und der Verhinderung von Monopolen befaßt sich speziell für den Telekommunikationsmarkt die Regulierungsbehörde. Diese soll im Prinzip unabhängig von der Regierung sein (im Gegensatz zum BMPT, aus dem sie hervorging), und damit den Interessenkonflikt der Bundesregierung als Eigentümer und Regulierer entschärfen. Geschäftsordnung und Personalpolitik unterstehen dem Wirtschaftsministerium. Die Wahrung des Wettbewerbs geschieht dort (in der Regulierungsbehörde) vor allem durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen und Überwachung allgemeiner Auflagen * im Sinne des Telekommunikationsgesetzes und unterscheidet sich nicht wesentlich von der Arbeit des Bundeskartellamtes. In gegebenen Monopolsituationen muß die Regulierungsbehörde aber konkret dafür sorgen, daß ein "Unternehmen für den Aufwand angemessene Preise verlangt", soll heißen, daß die Telekom in ihre Monopolstellung nicht durch zu hohe Preise ausnutzt. *



2. Die "letzte Meile" bringt das Geld

Ein Monopol hat die Telekom vor allem bei Telefongesprächen und Datenverbindungen im Ortsbereich *. Kein gesetzliches, sondern ein De-Facto- Monopol, im juristischen Jargon "marktbeherrschende Stellung". Dies hat verschiedene, vor allem technische Gründe und ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man sich ansieht, daß es in Ländern wie z. B. Großbritannien oder USA, in denen der Wettbewerb im Telekommunikationsmarkt schon lange fest etabliert ist, auch keinen Wettbewerb im Ortsnetz gibt. (Ausnahmen siehe weiter unten.)

Diese läßt sich nun trefflich Ausnutzen um Mißerfolge in anderen Geschäftsbereichen zu kompensieren [Ed: z. B. Global-One, Auslandsexpansion, defizitäres TV-Kabelnetz, Endgerätegeschäft, ...]: Die Preise für Ortsverbindungen können beliebig hoch angesetzt werden und deren Gewinne den Erfolg des Unternehmens als Ganzem garantieren. (Quersubvention)

Bei der Behandlung dieser Angelegenheit muß zu erst sorgfältig getrennt werden, was man als "zu hohe Preise" bezeichnet. "Zu hohe Preise" im Sinne des Telekommunikationsgesetzes sind Preise, die wesentlich über den Kosten für die erbrachte Dienstleistung liegen, plus einem dem Unternehmen zugestandenen Gewinn *. Solcherart überhöhte Preise wären eindeutig gegen das Gesetz. Darüberhinaus ist es für die Wirtschaft als ganzes natürlich notwendig, daß die Kosten möglichst gering sind. Zu solcher Effizienz darf die Regulierungsbehörde die Monopolunternehmen leider nicht anhalten. (Vgl. z. B. auch Preisegestaltung bei Strom, Fernsehen).

Der Ortsbereich ist dabei kein Klein-Klecker- Geschäftszweig. Nach Telekom-eigenen Angaben sind 77 % der privaten Gesprächsminuten Ortsgespräche, der OECD-Warenkorb für Ortsgespräche enthält 70 % privat, 65 % geschäftlich *. Der Anteil an den Einnahmen ist wegen der niedrigeren Preise gegenüber Fernverbindungen natürlich geringer, andererseits muß auch beachtet werden, daß ja auch Ferngespräche über das Ortsnetz vermittelt werden und dort auch noch mitverdient wird. Die Anteile werden gehütet wie ein Staatsgeheimnis, aber eine Aufstellung von 1991 (da waren Ortsgespräche noch billig!) gibt für den Ortsbereich 37 % der Einnahmen an, heute dürfte dieser Anteil also weit höher liegen.

Die Beweislast für überhöhte Preise im Sinne des Regulierungsgesetzes ist erdrückend:

Wie sind diese hohen Preise möglich?



3. Fatale Folgen

Diese überhöhten Preise für Ortsverbindungen fügen den Kunden der Telekom im Einzelnen und der Volkswirtschaft als Ganzem einen enormen Schaden zu.



4. Verschleierungstaktiken der Telekom

Obwohl die Ortstarifthematik und vor allem die angesprochenen Konsequenzen in der Bevölkerung und in den Medien nur wenig Interesse finden, wird sie zumindest ab und zu wieder aufgegriffen * * *. Die Telekom hat dafür eine Reihe von Verschleierungstaktiken, um eine aufkommende Diskussion im Keim zu ersticken.



5. Fortschritt? Nein danke!

Die oben erwähnte Situation in anderen Ländern, wonach auch dort kein Wettbewerb im Ortsbereich stattfindet, gilt nur mit Einschränkungen. Man arbeitet an verschiedenen Techniken, die es erlauben, alternative Zugänge unter Ausnutzung existierender Techniken zu den Haushalten zu erstellen. Alles, was es erlaubt eine Verbindung herzustellen, ohne teure neue Kabel in die Erde legen zu müssen, wird in Betracht gezogen. * Das sind z. B. Richtfunkstrecken, die Übertragung per Satellit, über das Stromnetz und sogar über Wasserleitungen. Schon ausgereift und im Einsatz jedoch ist vor allem die Herstellung von Datenverbindungen über das TV-Kabelnetz * *, das dazu schon nach kleinen Modifikationen imstande ist (mit Rückkanal, im Gegensatz zu einigen Presseberichten), sogar mit wesentlich höheren Geschwindigkeiten als sie ein Telefonanschluß hergibt *, und nach etwas größeren Modifikationen sogar für Telefonverbindungen geeignet ist *.

Bemerkenswert, daß vor allem Deutschland hier wohl wieder den schwarzen Peter gezogen hat, hier gehört das Kabelnetz nämlich auch der Telekom und die wird sich wohl kaum selber Konkurrenz machen. * Stattdessen brüstet man sich dort lieber damit, daß inzwischen bis zu 123 TV-Kanäle über das Kabel zu empfangen sind *. Na toll.

Eine weitere bemerkenswerte Entwicklung ist die ADSL-Technologie (manchmal auch "X-DSL"). Obwohl man für diesen technischen Begriff noch keine griffige Bezeichnung gefunden hat, stellt diese Technik den Schlüssel für die flächendeckende Einführung von Datenkommunikation in jeden Haushalt dar. * ADSL ist keine Konkurrenztechnik zu den Telefonleitungen wie das oben erwähnte TV-Kabel. ADSL ermöglicht vielmehr die Nutzung einer gegebenen Telefonleitung (ohne große technische Umrüstung) zur Nutzung für die Datenkommunikation zugleich neben der herkömmlichen Verwendung zum Telefonieren.

TV-Kabel- und ADSL-Verbindungen sind nicht nur wegen der hohen möglichen Datengeschwindigkeiten eine echte Lösung für reelle Datenkommunikation (dieser Aspekt wird gerne in den populären Medien hervorgehoben), sondern vor allem wegen der auf Datenkommunikation ausgelegten technischen Konzipation, die oben erwähnten Unzulänglichkeiten normaler Telefonleitungen gibt es dort nicht. In den vielen Orten in den USA und Kanada, wo ADSL bereits eingesetzt wird, hat man die Konsequenz daraus gezogen und auch die Abrechnung an die Datenkommunikation angepaßt, also mit monatlichen Pauschalen oder nach Berechnung nach Datenaufkommen * *. Wichtig: Trotz der vielfach höheren Geschwindigkeit werden nur im Vergleich zur Telefonleitung geringfügig höhere Preise verlangt * *.

Bei der Telekom ist ADSL inzwischen auch bekannt. (Heißt dort dann "T-DSL"). Große Lust hat man dort dazu jedoch anscheinend nicht, denn alles, was man dort zu bieten hat, ist ein mickriges Pilotprojekt, das gerade erst begonnen hat *, und das wohl vor allem dazu herhalten soll, daß die Telekom allerorts behaupten kann, auch sie mache ADSL, während die richtige Einführung bis 2003 warten soll, was angesichts des Vorsprungs der USA eine Katastrophe ist. Verständlich ist dies auch angesichts der von der Telekom forcierten Verbreitung der ISDN-Technik, in die sie praktisch im internationalen Alleingang viel Geld gesteckt hat, und die, da gegenüber ADSL hoffnungslos unterlegen, überflüssig würde. *

Und auch wenn ADSL nun doch kommen sollte, so stellt sich einer ernsthaften Verbreitung die absurde Preisgestaltung im Wege, die der Telekom so vorschwebt. Obwohl die Telekom noch keine konkreten Preise bekanntgeben will, ließ sie bereits durchblicken, daß sie die telefonähnliche (zeitbasierte) Abrechnung wieder auf die Datenkommunikation übertragen und dabei gleich noch mit einem Faktor versehen will, die angemessene Netzanbindung bleibt also aus *. So soll die ADSL-Leitung inklusive beliebiger Internetnutzung, die in den USA z. B. schon für pauschal ca. 100 DM/Monat zu haben ist, bei der Telekom rund 1000 DM/Monat kosten (mündl. Auskunft auf der CeBIT 98). Das liegt vielleicht auch daran, daß der Telekom bei den Privatkunden statt Internet-Anbindung mehr Tinnef wie Videos auf Abruf etc. vorschwebt. Und das, wo ADSL das Zeug dazu hat, die Industrieländer später einmal in solche zu unterteilen, die es haben, und solche die es nicht haben. Na dann, gute Nacht.



6. Fazit

Man könnte alles haben wenn man nur wollte. Die Bundesregierung könnte kurzfristig als Noch-Eigentümer der Telekom und langfristig über die Regulierungsbehörde den Anschluß an den Fortschritt und die Gewinnung eines Technologievorsprungs für Deutschland durchsetzen und sichern. Stattdessen nutzt sie das De-Facto-Monopol der Telekom bei Ortsverbindungen und ihren Einfluß auf die Regulierungsbehörde, um auf Kosten der Telekom- Kunden kurzfristige Gewinne aus ihrem Anteil an dem Unternehmen zu ziehen. Wichtige Technologien bei der Etablierung der Datenkommunikation über das Internet werden ignoriert oder verhindert und Deutschland damit der Anschluß an die fundamentalen Entwicklungen der Informationstechnologie verwehrt.

[
Und wer hat nun schuld an der deutschen Internet-Misere?]



© Copyright 1998 – Hendrik Levsen. AllRights Reserved.

Mein Dank gilt Herrn Karl-Heinz Dittberner von der Freien Universität Berlin, der seit Jahren Informationen zum Thema sammelt und im Internet unter „t-off“ veröffentlicht, und ohne dessen Arbeit dieser Bericht nicht möglich gewesen wäre.




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