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Die Telekommunikation im SPIEGEL – Teil 36 khd
Stand:  18.7.2002   (18. Ed.)  –  File: Spiegel/36.html




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  • Neuere SPIEGEL-Berichte   (37. Teil).
  • 16.07.2002: Chronologie: Die Ära Sommer.
  • 15.07.2002: Ron Sommer: Phantom auf Durchreise.
  • 15.07.2002: T wie Tiefpunkt. (Sommer-Opfer)
  • 13.07.2002: Tenzer soll neuer Telekom-Chef werden.
  • 12.07.2002: Sommer-Theater: Interne Lösung immer wahrscheinlicher.
  • 12.07.2002: Welche Fähigkeiten muß der neue T-Chef haben?
  • Ältere SPIEGEL-Berichte   (35. Teil).



    PERSONALPROFI  KIENBAUM  ZUR  SOMMER-NACHFOLGE

    „Krönung einer Manager-Karriere“

    Die Suche nach einem Nachfolger für Telekom-Chef Ron Sommer gestaltet sich ausgesprochen schwierig. SPIEGEL ONLINE sprach mit dem Personalberater Jochen Kienbaum über die Fähigkeiten, die der Neue für eine solche Aufgabe mitbringen muss.

    Aus:
    Spiegel Online – 12. Juli 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). Das Interview führte MICHAEL KRÖGER. [Original]

    Jochen Kienbaum wurde 1946 geboren. Nach einer Bankausbildung absolvierte er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der TU Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom- Kaufmann baute er die Beratungsgesellschaft Kienbaum Berlin auf. Im Jahr 1986 übernahm er als Vorsitzender der Geschäftführung die Leitung der 1945 von seinem Vater Gerhard Kienbaum gegründeten Kienbaum Consultants International. Die Kienbaum Executive Consultants ist nach eigenen Angaben Marktführer der deutschen Personalberatungen, die Kienbaum Management Consultants GmbH zählt zu den führenden deutschen Managementberatungen.

    SPIEGEL ONLINE: Herr Kienbaum, hat schon jemand bei Ihnen angerufen, um sie mit der Suche nach einem Nachfolger für Ron Sommer zu beauftragen?

    Jochen Kienbaum: Nein. Aber ich rechne auch nicht damit, schließlich werden ja schon viele Alternativen in der Öffentlichkeit diskutiert. Ich gehe davon aus, dass da schon einiges im Vorfeld geschehen ist.

    SPIEGEL ONLINE: Würden Sie als Personalberater so einen Auftrag überhaupt annehmen? Immerhin ist die Neubesetzung an der Spitze der Deutschen Telekom ein Politikum ersten Ranges.

    Kienbaum: Es würde mich trotzdem reizen, auch wenn es nicht leicht sein dürfte, den Richtigen für diese Position zu finden. Aber solche Positionen werden nicht oft neu besetzt. Und sie bedeuten für starke Unternehmerpersönlichkeiten die Chance, ihrer Karriere die Krone aufzusetzen.

    SPIEGEL ONLINE: Aber mit der sonst so gerne geübten Diskretion ist es in diesem Fall nicht weit her. Ihnen würde ein ganzes Volk von Kleinaktionären gegenüber stehen und nicht nur ein professioneller Aufsichtsrat.

    Kienbaum: Solche Umstände muss man ignorieren. Am Ende entscheiden die zuständigen Gremien im Aufsichtsrat, mit denen muss man sich auseinander setzen.

    SPIEGEL ONLINE: Hätten Sie in ihrer Kartei schon ein paar Kandidaten, die sie präsentieren können, oder müssten Sie völlig neu mit der Suche beginnen?

    Kienbaum: Zunächst erstellen wir in solchen Fällen ein Anforderungsprofil. Danach folgt eine Liste mit Kandidaten, die den Ansprüchen genügen würden. Am Ende sollten 3 bis 4 Unternehmerpersönlichkeiten zur Diskussion stehen.

    SPIEGEL ONLINE: Würde die Aufgabe nicht ausufern? Wenn Sommer geht, werden ihm doch bestimmt viele Manager folgen?

    Kienbaum: Ich glaube nicht, dass ihm viele folgen werden. Aber das würde abhängig sein von dem Neuen, der ja nach einer Bestandsaufnahme seine Akzente setzen würde. Dann könnte es in dem einen oder anderen Fall doch noch zu einer Veränderung kommen.

    SPIEGEL ONLINE: Welche Talente müsste denn der Nachfolger von Ron Sommer denn mitbringen?

    Kienbaum: Für die Deutsche Telekom ist ein Hochleistungsmanager erforderlich, der dem Unternehmen eine Fitnesskur verordnet. Das kann nur einer, der bereits als Vorstand eines großen international agierenden Konzerns gearbeitet hat.

    SPIEGEL ONLINE: Was muss er denn besser können als Sommer?

    Kienbaum: Mit der Beantwortung dieser Frage würde ich über Sommers Arbeit urteilen, das steht mir nicht zu. Ich würde es deshalb lieber abstrakt formulieren: Für die Telekom würde ich einen Manager suchen, der die Effizienz eines Unternehmens in kurzer Zeit erheblich steigern kann, denn die Telekom sollte möglichst bald Gewinne machen. Außerdem muss er sich mit behördenähnlichen Strukturen auskennen, denn da sind bei der Deutschen Telekom noch einige Reflexe zu beobachten. Speziell in Sachen Kundenorientierung besteht noch erheblicher Nachholbedarf. Auf der anderen Seite müsste er im Bereich Marketing und Strategie trittsicher sein. Es ist gut möglich, dass die bisherige Strategie noch einmal überdacht werden muss: Stichwort "Reduzierung aufs Kerngeschäft".

    SPIEGEL ONLINE: Klingt nach einem Sanierer.

    Kienbaum: Der Posten an der Spitze der Deutschen Telekom ist eine sehr komplexe Aufgabe, die bestimmt auch die Talente eines Sanierers erfordert.

    SPIEGEL ONLINE: Branchenkenntnisse stehen in Ihrem Profil nicht unbedingt an erster Stelle?

    Kienbaum: Es kommt immer darauf an, wen man zur Verfügung hat. Wenn man einen findet, der alles kann und darüber hinaus über die Persönlichkeit verfügt, gegen den Strom zu schwimmen und sich auch gegen Kritiker im Vorstand durchzusetzen, ohne sie zu verprellen, dann wäre das sehr gut. Innerhalb der Branche wird es da nicht sehr viele geben, deshalb muss man den Kreis zwangsläufig erweitern. Wer einen technik- und markenartikelorientierten Konzern geführt hat kommt in Frage. Insgesamt gibt es schon einige Persönlichkeiten.

    SPIEGEL ONLINE: Für die Telekom wird das bestimmt sehr teuer, der Kandidat wird sich sein heikles Engagement sicher teuer bezahlen lassen?

    Kienbaum: Die Aufgabe ist heute schon gut dotiert, und sie wäre so reizvoll, dass man ohne großartige Aufschläge auskommen müsste. Man könnte aber über leistungsabhängige Prämien nachdenken – Prämien, die am Gewinn orientiert sind wohlgemerkt.

    SPIEGEL ONLINE: Apropos Gehalt – welches Honorar würde Ihnen denn solch ein Mandat einbringen?

    Kienbaum: Normalerweise berechnen wir 20 bis 30 % des Jahresgehalts der zu besetzenden Position. [mehr]

    [10.07.2002: Opposition: Regierung hätte Sommer besser kontrollieren müssen]
    [10.07.2002: Streit um Telekom-Chef Sommer: Kein Nachfolger, kein Rauswurf]
    [10.07.2002: Hintergrund: Das Szenario für Sommers Abwahl]
    [11.07.2002: Video: Was wird aus Ron Sommer?]
    [11.07.2002: Sommer-Chaos: Telekom droht eigenem Aufsichtsrat mit Klage]
    [11.07.2002: Telekom: Brandbrief gegen die Bundesregierung]



    S O M M E R - T H E A T E R

    Interne Lösung immer wahrscheinlicher

    Nach Protesten von Teilen der Belegschaft und Absagen externer Kandidaten wird wahrscheinlicher, dass Ron Sommers Nachfolger aus den eigenen Reihen kommt. Als aussichtsreichster Kandidat gilt Technikvorstand Gerd Tenzer. Bundeskanzler Schröder steht wegen des zähen Gerangels unter Beschuss.

    Aus: Spiegel Online – 12. Juli 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    BERLIN/BONN. Vorstandschef Ron Sommer hat im Kampf um seinen Job einige Punkte sammeln können. Den als Offenen Brief "an die politisch Verantwortlichen" bezeichneten Anzeigentext, der heute in Zeitungen erschien, haben laut Telekom mehr als 18.000 Mitarbeiter unterzeichnet. Damit bleiben indes rund 100.000 Beschäftigte, die nicht unterschrieben haben. Auch hat die Anzeigenkampagne Kritik provoziert, weil sie aus dem Etat der Mitarbeiterkommunikation finanziert wurde. Ein Sprecher wollte nicht sagen, welchen Preis der Konzern bezahlt hat.

    Möglich ist, dass die Kampagne vor allem eins bewirkt hat: Die "externe Lösung" für die Kandidatenfrage, die zunächst als wahrscheinlich galt, ist offenbar vom Tisch. Mit TUI-Chef Michael Frenzel hat heute ein weiterer konzernfremder Kandidat öffentlich abgesagt. Frenzel, dem Kanzler aus seiner Zeit als Ministerpräsident in Hannover bestens bekannt, soll neben Gerhard Cromme von ThyssenKrupp und Porsche- Chef Wendelin Wiedeking auf der Favoriten- Liste des Kanzlers gestanden haben. In Medienberichten hieß es immer wieder, Schröder bevorzuge einen externen Sanierer, der die Telekom unvoreingenommen unkrempeln solle. Das aber missfällt den Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat.

    So brachte Rüdiger Schulze von der Gewerkschaft ver.di, der Vizechef des Telekom- Aufsichtsgremiums, eine Neubesetzung des Führungspostens aus den eigenen Reihen ins Spiel. Im Falle eines Abganges Sommers, dem bis heute keine Fehler nachzuweisen seien, seien weder Frenzel noch DaimlerChrysler- Vorstand Klaus Mangold eine Alternative.

    So scheinen die Chancen für Technikvorstand Gerd Tenzer zu wachsen. Der Fernsehsender n-tv meldete bereits, Tenzer solle Sommer als Interims- Vorstandschef nachfolgen. Zuvor allerdings hatte der Sender noch berichtet, Tenzer solle zusammen mit Finanzchef Karl-Gerhard Eick nur die eine Hälfte einer Interims- Doppelspitze bilden. Weder die Bundesregierung noch das Unternehmen nahmen zu der Meldung Stellung.

    Verwirrung löste auch die Meldung der Tagesschau aus, wonach das Präsidium des Aufsichtsrats noch am Freitagabend [12.7.2002] eine Personalentscheidung fällen wolle. Die Nachrichtenagentur dpa berichtete demgegenüber unter Berufung auf Unternehmenskreise, am Abend gebe es definitiv keine Sitzung des Gremiums und es gebe auch noch keinen Kandidaten [Ed: vielleicht hat man ja telefonisch konferiert].

    Unionskanzlerkandidat Edmund Stoiber kritisierte derweil heute die Hektik, mit der personelle Konsequenzen diskutiert würden. Das schade dem internationalen Ansehen des Konzerns. Schröder habe in Sachen Telekom längst seinen Anspruch als Verfechter der sozialen Gerechtigkeit verwirkt.

    Nach Einschätzung von Analysten hat sich die Wahrscheinlichkeit für einen Verbleib Sommers heute erhöht. "Die Chancen von Sommer steigen von Stunde zu Stunde, dass er weiter Vorstandsvorsitzender bleibt", sagte Frank Rothauge von Sal. Oppenheim. Die Position der Bundesregierung sehen Analysten dagegen als zunehmend geschwächt an. Bei ihrer Suche nach einem "guten auswärtigen Kandidaten" liefere die Regierung eine "superpeinliche" Vorstellung. Nach dem "Problem Sommer" sehe es derzeit zunehmend nach einem "Problem Schröder" aus, sagte Rothauge.

    Schröder selbst bestritt, dass er eine Absetzung Sommers betreibe, und betonte wie das Finanzministerium die Verantwortung des Aufsichtsrats für die Personalentscheidung. "Der Vorstand braucht das Vertrauen vom Aufsichtsrat und dies muss geklärt werden", fügte Schröder vieldeutig hinzu. Ein Sprecher des Finanzministeriums wies jede Kritik am Vorgehen der Regierung zurück: "Ich stelle einmal fest, dass wir unserer Treuepflicht gegenüber dem Unternehmen bislang nachgekommen sind".

    Dem Aktienkurs bekam die Diskussion. Das Telekom-Papier legte wie schon in den Tagen zuvor zu und schloss am Abend bei 12,14 Euro, ein Plus von 4,6 %. Seit dem Allzeittief von 8,14 Euro am 26. Juni hat die T-Aktie um inzwischen wieder gut 50 % an Wert gewonnen, liegt aber immer noch unter ihrem Ausgabekurs von 14,47 Euro. Zur leichten Erholung beigetragen haben dürften die sich abzeichnenden relativ guten Halbjahreszahlen und Perspektiven, die sich aus einer Partnerschaft der US-Mobilfunktochter VoiceStream mit einem der größeren US-Mobilfunkunternehmen [Ed: AT&T wireless] ergeben könnten. [mehr]



    S O M M E R - N A C H F O L G E

    Tenzer soll neuer Telekom-Chef werden

    Entgegen aller Dementis haben am Freitagabend Präsidiumsmitglieder des Telekom-Aufsichtsrats hektische Telefonate geführt, und sich auf den bisherigen Technikvorstand Gerd Tenzer geeinigt. Mit einem freiwilligen Abgang Sommers können sie allerdings nicht rechnen.

    Aus:
    Spiegel Online – 13. Juli 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]

    HAMBURG. Wie aus Unternehmenskreisen zu erfahren war, lehnt der Telekom-Chef einen Rücktritt weiterhin strikt ab. Sommer sei sich nicht bewusst, einen Fehler gemacht zu haben, hieß es heute in Bonn. Der Telekom- Chef wolle im Amt bleiben und dem Rücktrittsdruck standhalten.

    Viel wird ihm sein Kampfgeist nicht mehr nützen. Am Freitagabend [12.7.2002] hatten die Präsidiumsmitglieder des Auftsichtsrats mit der Bundesregierung eine Übergangslösung vereinbart. Danach soll Sommer in der Sondersitzung des Telekom- Aufsichtsrats am kommenden Dienstag [16.7.2002] abgelöst werden. Die dazu notwendige Zweidrittelmehrheit will sich der Bund durch ein Zugeständnis an die Gewerkschaften sichern. "Die Mehrheit steht", erklärte ein hoher Regierungsbeamter.

    Neuer Interims-Chef soll demnach Gerd Tenzer werden, der bisherige Technik- Vorstand. Nur mit diesem Kandidaten will die Arbeitnehmerseite der Ablösung Sommers zustimmen. Die Gewerkschafter hätten Aufsichtsrats- Chef Hans-Dietrich Winkhaus vor die Alternative "Tenzer oder keiner" gestellt. "Auch wir unterstützen diesen Kandidaten", erklärte ein Vertreter der Bundesregierung. Die Übergangszeit solle für ein "geordnetes Personalfindungsverfahren" genutzt werden. [mehr]



    W A H L K A M P F

    T wie Tiefpunkt

    Die Telekom in der Krise: Konzernchef Sommer musste vor der Wahl geopfert werden – um der SPD bei den Kleinanlegern Stimmen zu verschaffen. Freund und Feind sind verwirrt. Bisher hatten Regierung und Aufsichtsrat den Manager stets begleitet – mit Sympathie und starken Sprüchen.

    Aus: Der Spiegel – 29/2002, 15. Juli 2002, Seite 28–32 (Deutschland) von FRANK DOHMEN, KLAUS-PETER KERBUSK, HORAND KNAUF, CHRISTIAN REIERMANN, WOLFGANG REUTER und GABOR STEINGART. [Original]

    Alle waren sie da: Im malerischen Sun Valley, US-Bundesstaat Idaho, trafen sich vergangene Woche die Bosse aus der Kommunikationsindustrie. Microsoft- Gründer Bill Gates, AOL-Time-Warner- Chef Steve Case, CNN- Gründer Ted Turner und Bertelsmann- Chef Thomas Middelhoff waren angereist. Wer mochte, konnte sogar seinen Nachwuchs mitbringen – für Babysitter war gesorgt.

    Einmal im Jahr ruft der nur Insidern bekannte Herbert Allen zum Mediengipfel, die Oberhäupter der digitalen Welt sind geladen. Fast alle kamen auch in diesem Jahr – Ron Sommer [„Phantom auf Durchreise“] aber hatte abgesagt. Der firmeneigene Jet war schon geordert, auch der Telekom- Chef wollte im Kreise der Großen entspannen und fernab der TV-Kameras ein wenig über die Zukunft der Medienindustrie plauschen. Diese Zukunft findet nun fürs Erste ohne ihn statt – nicht nur in Sun Valley. Auch an der Spitze der Telekom ist für den alert- energischen Sonnyboy kein Platz mehr.

    Sommer blieb zu Hause, um den Kampf seines Lebens zu kämpfen – gegen wütende Kleinaktionäre, gegen eine angriffslustige Opposition und gegen eine Bundesregierung, die ihn ohne Vorwarnung fallen ließ. Für diesen Dienstag plant der Aufsichtsrat seine Abberufung.

    In hektischen Telefonaten berieten am vergangenen Freitagabend Mitglieder des Präsidiums des Telekom- Aufsichtsrats, bestehend aus zwei Vertretern der Kapitalseite und zwei Vertretern der Arbeitnehmerreihen, um Sommers Schicksal zu besiegeln. Nach quälender Kandidatensuche schien eine Minimallösung zum Greifen nahe. Nachfolger Sommers, aber nur für den Übergang, soll demnach Technikvorstand Gerd Tenzer werden.

    "Die Mehrheit steht", erklärte ein hoher Regierungsvertreter. Die Gewerkschafter, sie stellen knapp die Hälfte der 20 Aufsichtsräte, wollten Sommer nur fallen lassen, wenn Tenzer seine Nachfolge antritt. Ultimativ hatten sie Aufsichtsratschef Hans-Dietrich Winkhaus vor die Alternative gestellt: "Tenzer oder keiner." Ein Regierungsinsider: "Auch wir unterstützen diesen Kandidaten." Die Übergangszeit solle für ein "geordnetes Personalfindungsverfahren" genutzt werden.

    Wenn das Polit- Theater nicht noch eine überraschende Wendung findet, kommt es mit der Sitzung am Dienstag zu einem Showdown, wie ihn die deutsche Wirtschaftsgeschichte noch nicht erlebt hat. Sicher ist aber schon jetzt – am Ende bleiben nur Verlierer. Die Telekom ist zum Spielball der Politik geworden, mit einem schwachen Übergangsverwalter an der Spitze. Der Aufsichtsrat fiel durch Dilettantismus auf, und auch die Regierung ist lädiert. Hilflos stolperte sie durch die Kulissen, auf der Suche nach einem vorzeigbaren Sommer- Nachfolger, vergebens. Ein Kandidat nach dem anderen schlug den Job aus. Ferdinand Piëch, den niemand gefragt hatte, winkte nach öffentlicher Aufregung ab. TUI-Boss Michael Frenzel ließ aus dem Urlaub verbreiten, der Chefsessel bei der Telekom sei ihm wegen eines möglichen Kanzlerwechsels im Herbst zu unsicher.

    Gerhard Schröders Rückhalt hatte Sommer zuletzt verloren. Auf die Frage eines Journalisten, was denn mit Sommer geschehen solle, hatte der Kanzler am vergangenen Dienstag nichts mehr für seinen einstigen Partner übrig – kein Dankeschön, kein Lächeln, kein In-Schutz- Nehmen. Nicht mal einen jener Sätze, die das Unvermeidliche ankündigen und dennoch ein Bedauern in sich tragen. Schröder machte vor laufenden Kameras unwillig auf dem Absatz kehrt. Das war die vorläufige Schlussszene – vielleicht nicht nur für Sommer.

    Denn mit Applaus darf der Kanzler nicht rechnen. Die Entscheidung der Regierung, im Aufsichtsrat mit zwei Stimmen präsent, ist erkennbar Teil eines Wahlkampfes, der nun, da die rot-grüne Koalition in sämtlichen Umfragen hinten liegt, mit aller Härte geführt wird.

    Noch bis vor kurzem stand Schröder fest zu Sommer: "Liebe Leute, es besteht kein Anlass, den Mann auszuwechseln, er hat gut gearbeitet", beschied er im "Stern"- Interview alle Zweifler. Noch Ende Juni, auf dem Weg zum G-8-Gipfel in den Rocky Mountains, waren sich Schröder und seine Wirtschaftsberater einig: keine Personalentscheidungen in Sachen Telekom, zumindest nicht vor der Wahl. Jede kritische Äußerung und erst recht jeder Eingriff würde als Politik der zittrigen Hand begriffen. Das gemeinsame Urteil der Schröder- Getreuen: zu riskant.

    Die Geschichte von Sommers Absturz ist daher bei allen Fehlern, die der Konzernchef selbst zu verantworten hat, vor allem eine Geschichte von Machtspielen, eines sich ständig verändernden Wahlkampfkalküls und aufkommender Panik im Regierungslager. Im Zentrum der Turbulenzen stehen ein Konzernchef und ein Kanzler, die beide einst als Inbegriff von modernem Management galten und die beide seit längerem schon die Fortüne verlassen hat. Den einen drücken die Tiefstände seiner Aktien, den anderen die kaum mehr aufholbaren Negativwerte bei den Umfragen. Unter dieser Belastung riss das Band, das beide Aufsteiger so lange miteinander verwob. Als Sommer die Fernsehbilder vom sich abwendenden Kanzler sah, musste er schlucken. "Das schmerzt", bekannte er im kleinen Kreis.

    Doch Schröder wurde selbst von der Dynamik der Ereignisse überrascht: Er sagt, dass die Entscheidung nicht im Kanzleramt fiel, sondern im Kreise der Aufsichtsräte. Zuständig für das weitere Vorgehen war dann der Finanzminister. Der Kanzler selbst hat, außer mit Hans Eichel, in dieser Sache keine Gespräche geführt – auch nicht mit Ferdinand Piëch, wie in manchen Blättern zu lesen war.

    Die Opposition konnte ihr Glück vergangene Woche dennoch kaum fassen. Edmund Stoiber betrachtete das Spektakel, das er selbst mit immer neuer Kritik an der Gehaltspolitik der Telekom angefacht hatte, mit wachsender Erregung. Auf eine Nachfolgedebatte will er sich nicht einlassen, nicht mal Sommer möchte er öffentlich kritisieren. Sein Gegner sei der Kanzler, niemand sonst, so Stoiber. Das Thema laufe, wenn man das Mitleid für Sommer hintanstelle, doch wunderbar, freute sich ein Berater des Unionskandidaten.

    Im SPD-Lager wurde die Entscheidung des Finanzministeriums derweil mit großem Unverständnis verfolgt. Dass die Treueschwüre von Eichel, der kürzlich noch sagte: "Die Position von Herrn Sommer steht in gar keiner Weise zur Disposition", plötzlich wertlos sein sollten, überforderte alle. Ein SPD-Minister: "Was der da treibt, schadet unserer Glaubwürdigkeit – international und zu Hause."

    Dass es kam, wie es kam, liegt vor allem an einem Mann, der bisher weder bei der Telekom noch in der Politik eine nennenswerte Rolle spielte: Bernhard Walter, Ex-Chef der Dresdner Bank, der seit Mai 1999 dem Aufsichtsrat des Telefonkonzerns angehört. In dieser Funktion suchte er in der vorvergangenen Woche den Kontakt zu einem der wichtigsten Eichel- Mitarbeiter, Staatssekretär Manfred Overhaus. Der gehört zwar offiziell gar nicht dem Aufsichtsrat der Telekom an, vertritt dort aber seinen schwer erkrankten Staatssekretärskollegen Heribert Zitzelsberger.

    In dem Gespräch der beiden Finanzexperten soll es hoch hergegangen sein, ohne die üblichen Tabus sei Tacheles geredet worden – über Milliardenschulden und eine angeblich verfehlte Firmenstrategie. Sommer und der gesamte Vorstand hätten dem Aufsichtsrat über den Zustand des Unternehmens die Unwahrheit gesagt, hieß es kurz darauf in Presseberichten, die sich auf Äußerungen Walters beriefen.

    Mit einem besonders hohen Risiko sei vor allem die amerikanische Mobilfunk- Beteiligung Voicestream behaftet. Bis zu 20 Milliarden Euro müssten abgeschrieben werden, da der damalige Kaufpreis (33 Milliarden Euro) heute, nach dem Platzen der Spekulationsblase, nicht mehr zu erzielen sei. Von so genannten Luftwerten war da die Rede – also von Unternehmensbewertungen, die ein hohes Maß an Goodwill beinhalten. Mit dem Goodwill wird jener Teil des Kaufpreises eines Unternehmens berechnet, der über dem tatsächlichen Vermögen des jeweiligen Unternehmens liegt.

    Ähnliche Überlegungen müssten für die UMTS-Lizenzen gelten, jene Hoffnungswerte, mit denen bald das ganz große Handy- Geschäft in Gang kommen soll. Rechne man hier ebenfalls den Spekulationsaufschlag heraus, sei das Eigenkapital spürbar abgeschmolzen. "Die Banken werden nervös", fasste ein Kabinettsmitglied die Stimmung zusammen.

    Walter bestritt später, die Äußerungen jemals gemacht zu haben. Intern aber wurde Overhaus aktiv. Er alarmierte Finanzminister Eichel, der aus seinem Feriendomizil in der Bretagne nach Berlin geflogen kam. Der Spitzenbeamte berichtete seinem Chef in dramatischen Worten über das, was sich auf der Kapitalseite tat. Nach der Unterredung eilte Eichel zum Kanzler, der sich nun von drei Seiten unter Druck sah: Gegen Kleinaktionäre, Opposition und Großkapital lässt sich nur schwer regieren - Sommer war objektiv zur Belastung geworden. Eichel übernahm das weitere Prozedere. Doch noch sollte nichts nach außen dringen. Eichel war klar, dass dieses Spiel ohne Ersatzkandidaten kaum zu gewinnen war. Die Opposition kalkulierte anders.

    Der Walter-Auftritt fand auf wundersame Weise seinen Weg in die Öffentlichkeit. Und auch Stoiber schlug am vorvergangenen Donnerstag beim Kandidatenduell in der "Bild"-Redaktion plötzlich schrille Töne an, wetterte gegen Schröder und seine Telekom-Politik. Die entsprechende Passage im Interview mit Kanzler und Kandidat geriet auch noch unverhältnismäßig lang. Sie sollte gestrichen werden, und zwar ersatzlos, regten die Kanzlerberater später an. "Kommt nicht in Frage", erwiderte Stoiber-Berater Michael Spreng. Er wollte den Kanzler verantwortlich machen für die Kapitalvernichtung, um so die diffusen Ängste der Anleger in Stimmen für Stoiber zu verwandeln. Also: Die Telekom-Passage musste bleiben – ungekürzt, unbedingt. Denn erstmals war Schröder von Sommer abgerückt: "Dieser Aufsichtsrat muss jetzt auch seine Verantwortung wahrnehmen."

    Die SPD ließ nun keinen Zweifel mehr an ihrer parteiischen Haltung, die im Wahlkampf Punkte bei den Kleinanlegern bringen sollte. SPD-Generalsekretär Franz Müntefering forderte geradezu apodiktisch die Kontrolleure zum Eingreifen auf. Es bestehe Handlungsbedarf, personelle Konsequenzen zu ziehen sei nun Angelegenheit des Aufsichtsrats. Der Kanzler schwieg.

    Einen Tag später wollte das vierköpfige Telekom- Präsidium in einer Telefon- Schaltkonferenz die Weichen für die Ablösung Sommers stellen. Staatssekretär Overhaus, der als Gast zugeschaltet wurde, bestätigte, dass die Regierung ohne Sommer plant und hat dann, so erinnert sich Aufsichtsrat Rüdiger Schulze von der Arbeitnehmerseite, "gleichzeitig auch gefordert, dass die Ablösung von Ron Sommer vorgenommen werden soll".

    Doch dazu kam es nicht. Die Konferenz war so kurzfristig angesetzt worden, dass die beiden Gewerkschaftsvertreter im Präsidium noch nicht von ihrem neuen Vorsitzenden, DGB- Chef Michael Sommer, informiert waren. Als Aufsichtsratschef Winkhaus und sein Stellvertreter den verdatterten Gewerkschaftern eröffneten, dass Sommer abgelöst werden solle, witterten die sofort einen Putsch des Kapitals.

    Sie fürchteten, der vergleichsweise umgängliche und bei den Gewerkschaften durchaus beliebte Sommer solle durch einen knallharten Sanierer ersetzt werden. Namen wie die des Brutalo- Sanierers Kajo Neukirchen kursierten. Undenkbar, sagten die Arbeitnehmer. Solange kein Nachfolger präsentiert werde, würden sie über eine Sommer- Ablösung nicht mal nachdenken. Der Vorwurf der Arbeitnehmer an die Adresse des nun ebenfalls beschädigten Aufsichtsratschefs Winkhaus: Dilettant. Am Mittwoch sickerte die Nachricht von der Uneinigkeit im Aufsichtsrat durch. Die Operation Telekom schien auf der Kippe.

    Noch am gleichen Tag mussten die beiden Gewerkschafter zum Rapport in der DGB-Zentrale antreten. Die Mehrheit für die Aufsichtsratssitzung am Dienstag dieser Woche stehe, versichern nun ranghohe Gewerkschaftsbosse. Sie sahen ein, dass der angeschlagene, weil um sein Sieger- Image gebrachte Sommer für einen Neuanfang kaum mehr zu gebrauchen sei.

    Denn die Probleme des Konzerns sind gewaltig. Über 67 Milliarden Euro Schulden hat die Telekom aufgetürmt, mehr als zu Beginn der Privatisierung. Von jedem Euro, den das Unternehmen von seinen Kunden einnimmt, gehen inzwischen rund zehn Cent allein für Zinsen drauf. Von Tilgung ist dabei nicht einmal die Rede.

    Der Handlungsspielraum für den Konzern, stöhnte Finanzvorstand Karl- Gerhard Eick auf einer Krisensitzung vergangene Woche, sei extrem eng. Seit Tagen schon arbeitet er mit einem Stab von Mitarbeitern an Plänen, die Verschuldung über weitere Verkäufe, den Aufschub von Investitionen und Kürzungen sämtlicher Budgets wenigstens abzufedern. Geplant sind Streichungen in Milliardenhöhe, die in Kürze verkündet werden sollen.

    Hauptgrund für die enorme Schuldenlast ist eine ehrgeizige Expansionsstrategie, die auf geplanten Einnahmen aus immer neuen Finanzanleihen und weiteren Aktienerlösen basierte. Die längst geplatzte Börsenblase entzog diesen Finanzplänen die Grundlage, das heiße Börsengeld fehlt nun, geblieben sind die Schulden.

    Viele Akquisitionen fielen in die Phase des überhitzten Marktes. Allein für die kleine US-Mobilfunkfirma Voicestream zahlte Sommer rund 33 Milliarden Euro. Gerade dieser Deal wird ihm heute von seinen Kritikern als schwerer Fehler vorgehalten. Unklar ist, ob die Firma nicht wieder verkauft werden muss. Denn: Um im gewaltigen US-Markt erfolgreich zu sein, muss die Telekom Jahr für Jahr mehr als fünf Milliarden Euro allein in den Netzaufbau von Voicestream pumpen. Dazu kommen weitere dreistellige Millionenbeträge für Werbung, Kundengewinnung und Lizenzen.

    Zwar könnte ein Zusammenschluss mit der Mobilfunktochter des US-Telefonriesen AT&T, über den die Telekom zurzeit verhandelt, die Investitionskosten verringern und das Unternehmen mit einem Schlag in die Oberliga des amerikanischen Marktes katapultieren. Ob die US-Regierung zu einem solchen Deal ihre Zustimmung gibt, ist jedoch mehr als fraglich.

    Denn zu deutlich steht das Polit- Theater dieser Woche im Widerspruch zu der im September 2000 vom Kanzleramt schriftlich abgegebenen Erklärung gegenüber der US- Regierung, sich nicht in die Belange des Unternehmens einmischen zu wollen. Entsprechende besorgte Signale, bestätigt die Telekom, seien aus Washington bereits eingegangen.

    Schon jetzt ist der finanzielle Bewegungsspielraum des Konzerns eher bescheiden. Denn nicht nur für Voicestream musste Sommer Milliarden investieren. Weitere zehn Milliarden Euro berappte er für die Mobilfunkfirma One 2 One in England. Dazu kamen 15,3 Milliarden Euro für UMTS- Lizenzen in Deutschland, England und Österreich. Eine ähnlich hohe Summe wird das Unternehmen in den nächsten Jahren noch einmal für die Anschaffung von Technik und den Bau neuer Netze in die Hand nehmen müssen.

    Ein Aufschub der Investitionen ist so gut wie unmöglich. Denn die Bundesregierung hat mit ihrer UMTS-Lizenzversteigerung im Sommer 2000 die einst boomende Mobilfunkbranche in eine schwere Krise gestürzt. Der Erwerb der Lizenz ist auch noch an harte Bedingungen geknüpft, die für viele Telefonfirmen einer Strangulierung gleichkommen. So mussten sich die Unternehmen verpflichten, ihre UMTS-Dienste in klar definierten Zeiträumen flächendeckend anzubieten. Geschieht dies nicht, fällt die Lizenz zurück an den Staat. Ein Verkauf an andere Unternehmen ist verboten.

    Ob die Milliardeninvestitionen unter solchen, vom Staat vorgegebenen Rahmenbedingungen jemals wieder eingespielt werden können, ist fraglich – zumal sich die Begeisterung der Kunden für Vorläufermodelle von UMTS bisher in engen Grenzen hält. Real sind derzeit nur die Schulden. Ursprünglich wollte Sommer sie in diesem Jahr unter 50 Milliarden Euro drücken. Ein Großteil des Geldes sollte aus dem Börsengang der Mobilfunktochter T-Mobile stammen. Doch die Vertrauenskrise der Anleger und die hohe Verschuldung der Branche führten an den Kapitalmärkten zu einem Kursverfall. Sommer hat den Termin für den Börsengang von T-Mobile bereits zweimal verschoben – vom Frühjahr auf den Herbst und schließlich ins nächste Jahr.

    Auch die zum Schuldenabbau eingeplanten Einnahmen aus dem Verkauf des TV-Kabels werden dramatisch geringer ausfallen als ursprünglich geplant. Und auch daran kann weder Sommer noch sein Nachfolger etwas ändern. Nicht ganz unschuldig ist der deutsche Staat, der seiner Telekom ein gigantisches Geschäft vermasselt hat. Jahrelang hatte die Politik das Unternehmen gedrängt, aus Wettbewerbsgründen seine Kabelnetze zu verkaufen. Doch als der Deal mit der US-Mediengröße John Malone endlich unterschriftsreif war, untersagte das Bundeskartellamt das Geschäft.

    Jahrelang war der Aufsichtsrat den Plänen des Telekom-Lenkers gefolgt, auch weil sie dem entsprachen, was alle Telefon- Chefs auf der Welt sich vorgenommen hatten. Jeder wollte (und will) in allen Bereichen der Kommunikation dabei sein, bei den Handys, den Festnetzen, der Online- Technik. Und alle wollten (und wollen) globale Giganten sein, vertreten auf den wichtigsten Märkten der Welt.

    Öffentlich war vom Aufsichtsratsvorsitzenden Winkhaus wie auch von seinem Vorgänger Helmut Sihler – beides ehemalige Manager beim Düsseldorfer Waschmittelkonzern Henkel – viel Lob über Sommer zu hören. Die Arbeitnehmerseite stand ebenfalls fest zum Telekom-Lenker. Dabei hatte es an Vorbehalten gegenüber dem smarten Ex-Sony-Chef nicht gemangelt, als er 1995 sein Amt in Bonn antrat. Doch spätestens seit der fulminanten Börseneinführung ist die Mehrheit der Telekom-Beschäftigten stolz auf ihren Chef.

    Denn der verbreitete nicht nur Zuversicht. Sommer schaffte auch das Kunststück, Zigtausende von Stellen zu streichen, ohne mit dem Betriebsrat und der starken Postgewerkschaft aneinander zu rasseln. Und auch wenn es bei den zahlreichen Umorganisationen im alten Telekom- Gebälk bisweilen mächtig knirschte, so wusste Sommer die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat immer wieder auf seine Seite zu ziehen – zuletzt durch einen großzügigen Lohnabschluss bei der jüngsten Tarifrunde mit einem Plus von 4,1 %.

    Kritik im Aufsichtsrat kam erst auf, als sich der Vorstand für 2001 eine saftige Gehaltserhöhung und großzügige Aktienoptionen genehmigen lassen wollte, während gleichzeitig die Kurse immer weiter abstürzten. In der Öffentlichkeit war von einer Gehaltszulage von 90 % die Rede – fälschlicherweise, denn diese Zahl enthielt auch die Abfindung für zwei ehemalige Vorstände.

    Auch gegen den Ausübungspreis für das Optionsprogramm 2001, der drastisch gesenkt werden sollte, sperrte sich der Aufsichtsrat. Erst nach längerem Hin und Her genehmigten die Kontrolleure ein Programm, das dem Vorstand 1,74 Millionen T-Aktien einbringt – wenn der Kurs auf 30 Euro ansteigt. Derzeit liegt er bei etwa 12 Euro. Als das Optionsprogramm und die Steigerung der Vorstandsgehälter bekannt wurden, war der Zorn der Aktionäre deutlich zu spüren. "Die Hürden sind so niedrig, dass die Athleten vor Lachen nicht mehr laufen können", schimpfte Lars Labryga von der Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre auf der Hauptversammlung. Ekkehard Wenger, Wirtschaftsprofessor an der Universität Würzburg, sprach gar von "kollektiv organisierter Selbstbedienung".

    Zwar verteidigte Aufsichtsratschef Winkhaus die Vergütung tapfer als "angemessen, marktüblich, leistungs- und erfolgsorientiert". Doch die Kleinaktionäre hatten für das generöse Vorgehen nur Pfiffe und Buhrufe übrig. Da half es auch nichts, dass Sommer 3 Wochen später medienwirksam verkündete, der Vorstand werde 2002 auf seine Aktienoptionen verzichten.

    Die Union sah ihre Chance zu punkten – und nutzte sie. Viele Menschen hätten mit dem Telekom-Kurssturz "gewaltig verloren", beklagte Kandidat Stoiber immer wieder. Der Bayer griff Schröder persönlich an: "Gleichzeitig steigen in einem Unternehmen, das in Ihrer Hand ist, das eine Mehrheitsbeteiligung des Bundes hat, die Gehälter der Vorstandsmitglieder ganz erheblich." Gleichwohl ist Stoiber klug genug, nicht frontal gegen den in Wirtschaftskreisen noch immer beliebten Sommer vorzugehen. So hatte es Unions- Berater Spreng den Telekom- Emissären versprochen, als die vor Wochen darum baten, man solle sie aus dem Wahlkampf heraushalten. Kein Sommer- Schlussverkauf, nur Schröder- Schelte.

    Derweil organisierte Ron Sommer in den vergangenen Tagen, nicht ohne taktisches Geschick, eine Abwehrschlacht, die Schröder und seine Regierung in Verlegenheit brachte. Zunächst ließ sich Sommer-Biograf und Ex-Telekom- Aufsichtsrat Peter Glotz mit einem Treueschwur für Sommer vernehmen. "Es ist doch naiv zu glauben, dass der Kurs der Telekom schon dadurch steigt, dass ein neuer Vorstandschef antritt." Auch die Wirtschaft sandte Solidaritätsadressen nach Bonn. Michael Rogowski, Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), erklärte, er halte Sommer keineswegs für einen schlechten Manager. Sein Vorgänger Hans-Olaf Henkel rief die Politiker auf, sich endlich aus dem Unternehmen herauszuhalten.

    Selbst Schröders Parteifreunde fielen dem Kanzler in den Rücken. Einer seiner Stellvertreter im SPD-Vorsitz, Nordrhein- Westfalens Ministerpräsident Wolfgang Clement, zollte Sommer für seine Verdienste "höchsten Respekt", in demonstrativer Abgrenzung zu Schröder und Müntefering.

    Am Freitag [12.7.2002] startete die Telekom eine publizistische Großoffensive gegen ihren größten Anteilseigner. So etwas hatte es in der deutschen Wirtschaftsgeschichte bis dahin noch nicht gegeben. Trotz gestutztem Werbeetat schaltete der Konzern eine Anzeige in überregionalen Tageszeitungen, in der sich 18.000 Telekom- Beschäftigte vor ihren Chef stellten. An die "politisch Verantwortlichen" appellierten sie, sich aus den inneren Angelegenheiten der Telekom herauszuhalten – was auch die Mehrheit der Bundesbürger fordert.

    Am Ende half alles nichts, am Freitag willigte Tenzer informell ein, den Sommer- Job vorübergehend übernehmen zu wollen. Ron Sommer musste einsehen, dass er wohl verloren hatte. Ende vergangener Woche kämpfte er vor allem um einen halbwegs eleganten Abgang. "Uns geht es um unsere Ehre", sagt einer der Sommer- Berater. "Wir wollen nach so vielen Jahren harter Arbeit nicht wie die Hunde vom Hof gescheucht werden."

    14.7.2002 (t-off). Zur Erinnerung: Schon 1998 – nach der letzten Bundestagswahl – wollte eine „SPD-Telekom-Connection“ Ron Sommer entmachten, was damals mißlang. Tenzer sollte schon damals T-Chef werden.



    M A N A G E R

    Phantom auf Durchreise

    Früher nannten sie ihn „Samtauge“, dann „the Wunderkind“, neuerdings einen „Blender“ – wer Ron Sommer wirklich ist, weiß er momentan womöglich selbst nicht genau.

    Aus:
    Der Spiegel – 29/2002, 15. Juli 2002, Seite 33–34 (Deutschland). [Original]

    Manchmal scheint es nicht viel zu sein, was den Chef der Deutschen Telekom von einem Masochisten unterscheidet. Wenn Ron Sommer abends nach Hause kommt, darf er das Grauen dieser Tage noch einmal erleben: In seinem Arbeitszimmer hängen die hässlichsten Karikaturen über ihn. Seine Frau schneidet sie aus. Die übelsten Schlagzeilen hängt sie gerahmt daneben. Ihr Mann kennt jeden Witz, den man mit seinem Nachnamen machen kann.

    Früher, als Sommer noch nicht "Vernichter des Volksvermögens" genannt wurde, als er "the Wunderkind" ("Business Week") war und Gerhard Schröder seine Hände für die Kameras noch zum Telekom-"T" formte–da füllte sich die Wand im Arbeitszimmer nur spärlich. In letzter Zeit kommt Sommers Frau mit dem Ausschneiden nicht mehr nach. Vielleicht hat sie es inzwischen auch sein lassen, denn was ursprünglich als Abhärtung gedacht war, beginnt ihrem Mann wehzutun. Er ist dünnhäutig geworden. Heißt es.

    Der 52-Jährige gilt inzwischen nur noch als "Blender" ("Max") oder "Bibelverkäufer" ("Bild"). Bei der Hauptversammlung im Mai buhten die Kleinaktionäre ihn nicht nur aus. Sie lachten über ihn. Sommer sagt: "Es ist ein Traumjob." Dabei sieht er aus, als spreche er über eine Gallenoperation. Dann erzählt er seine Geschichte, die er "Wachstumsstory" nennt. Sie handelt vom "Umbau" und "Aufbau", von "Skaleneffekten" und "Prozessverbesserungen". Sie wimmelt von Zahlen, und manchmal vertreibt sie die Menschen, wie zuletzt bei der Hauptversammlung: Manche Aktionäre verließen während seiner Rede entnervt den Raum.

    Er gilt als Marketinggenie, obwohl er sich bei solchen Auftritten ans Rednerpult klammert und abliest. Für Fernsehauftritte trainierte er früher tagelang, wie etwa im Januar 1996. Er war erst ein paar Monate im Amt und sollte in der Sendung "Talk im Turm" die Gebührenerhöhungen im Ortsnetz verteidigen. "Da hinten", sagt er und zeigt zur Tür seines Büros in der Bonner Telekom- Zentrale, "stapelten sich damals 300.000 Postkarten." "Bild" hatte seine Leser mobilisiert. Sommer bekam auch andere Post. "Was hat dieser Jude an der Spitze eines deutschen Unternehmens zu suchen?", schrieb jemand. Das war noch einer der harmloseren Briefe.

    Jürgen Kindervater, Kommunikationschef des Unternehmens, hatte ihm vorgeschlagen, in einem Fernsehstudio den geplanten TV-Auftritt zu simulieren. Er organisierte Sparringspartner, die Sommer so zusetzten, dass dieser später das mediale Tribunal umdrehte und eine Lehrstunde seiner wirtschaftspolitischen Vision daraus machte. Seit dieser Zeit hat Sommer zu keinem im Unternehmen einen engeren Draht als zu ihm. Kindervater ist sein Seismograf, einer, der Erschütterungen ahnt, Intrigen spürt und Mitarbeitern auch mal den Arm um die Schulter legt.

    Sommer würde so etwas nicht machen. "Er hat wenig Empathie für Mitarbeiter", sagt ein ehemaliger Vorstandskollege. Jahrelang habe er "mit Sommer zusammengearbeitet, ohne ihn wirklich zu kennen". Er würde seinen Chef "nie privat treffen", sagt Kindervater. Doch als er irgendwann auf dem Weg zur Hannover- Messe im Auto zusammenklappte und sofort auf die Intensivstation musste, da habe Sommer alles liegen lassen und sei sofort ins Krankenhaus gekommen. Der Telekom-Chef sah auf seinen bleichen Angestellten und sagte nur: "Kindervater, alles klar?"

    Es war nichts klar, aber es war Sommers Art zu zeigen: Ich bin da, es geht weiter. "Prioritäten kann ich setzen", sagt Sommer, wenn man ihn darauf anspricht. Und dann: "Das gehört aber zu den ... , nochmals ... , also ... , ja, ich würd's unter dem Aspekt zusammenfassen." "Nochmals" sagt Sommer oft. Es ist sein Mittel, von einer ihm unangenehmen Frage wegzukommen, von sich selbst wegzukommen und stattdessen zum 17. Mal die "Wachstumsstory" zu erzählen. Sommer schafft es, bei der Frage, wie seine Familie unter den Nazis gelitten hat, nach einem Satz auf den Aufsichtsrat seines Unternehmens abzulenken. Mitunter stellt er sich die Fragen auch selbst: Vor kurzem wollte Sandra Maischberger in einem TV-Interview etwas zu seiner Zeit als Student wissen. Sommer antwortete: "Und jetzt Ihre Frage: 'Glauben Sie an die Zukunft der Deutschen Telekom?'"

    Nur manchmal zieht er den Vorhang für Sekunden weg. "Es ist schon komisch, wenn sie mit sechs Jahren plötzlich jemand anderes von der Schule abholt." Das war 1955, in Haifa. Sommers Mutter, eine russische Jüdin, war 1938 als 18-jähriges Mädchen vor den Nazis nach Palästina geflüchtet. Dort heiratete sie einen Deutschen jüdischer Abstammung, Ron Sommers Vater. Er hieß Lebowitsch. Diesen Namen trug der Junge bis zu seinem Studium, als ihn sein Stiefvater, der Österreicher Richard Sommer, adoptierte.

    1955, nach der Trennung seiner Eltern, holte ihn also plötzlich sein neuer Vater von der Schule ab. Ein Jahr später siedelte die Familie nach Wien um. "Er schiebt seine jüdische Herkunft weg", sagt ein Vertrauter aus Sommers Zeit beim Elektronikkonzern Sony. "Sein Leben fing erst in Wien an." Sommer ist 18, als sein Stiefvater stirbt, wenige Monate nach seinem leiblichen Vater. Wer ihn fragt, was er von den beiden für sein Leben mitgenommen habe, dem antwortet er: "Keine Verweichlichung."

    Sommer schont sich nicht, studiert in Rekordzeit Mathematik und harrt selbst in Vorlesungen aus, die so kompliziert werden, dass am Ende nur noch vier Übereifrige im Hörsaal sitzen. Die Sekretärinnen an der Fakultät nennen ihn "Samtauge" – weil selten jemand unter den schüchternen Studenten sie so intensiv angeschaut hat. Sommer sei "blitzgescheit" gewesen, aber "kein Wissenschaftler", erinnert sich sein Doktorvater. "Mathematik sah er als ersten Stein seiner Karriere."

    Viele können sich an den Studenten jener Zeit erinnern, doch richtig greifen kann ihn niemand. In den Erzählungen erscheint er als Phantom, das mal auf Durchreise vorbeigeschaut hat. Der Medienwissenschaftler Peter Glotz hat sich tagelang mit Sommer unterhalten. Am Ende sei ihm klar gewesen, "dass ich nicht genug Stoff für ein Buch über ihn hatte", sagt Glotz – und schrieb ein Buch über Ron Sommer.

    Glotz schrieb auch in der "Bunten" über ihn und bewunderte dort den "Cybermanager", der "ein typischer Vertreter der globalen Elite" sei: rund um die Uhr erreichbar und kalt "wie eine Hundeschnauze". Das Buch hat eine ähnliche Melodie. Es ist eine Art Bauchrede des Telekom- Managers. Doch als es erschien, hingen Glotz' Sprachbilder eines "Satellitenstarts auf Cape Canaveral", einer "unaufhaltsamen Aufwärtsbewegung", bereits ziemlich schief, wenn es um Sommers Karriere ging.

    Der Kauf des US-Mobilfunkanbieters Voicestream hatte den Manager so unter Druck gesetzt, dass das Buch erst im Herbst erschien, weil der Verleger glaubte, der Porträtierte überstehe den Sommer nicht. Any time, any place, beschleunigte Gesellschaft, Manager als moderne Nomaden – Sommer gefiel das Buch. Es entsprach dem Bild, das er von sich produzierte, dem Bild des Überfliegers, eines Teflontypen, an dem jeder Zweifel abperlt. Die Telekom orderte etwa 70 % der Erstauflage.

    Der "Anker", der Sommer hält, sei seine Familie, schreibt Glotz. Ein ehemaliger Telekom- Vorstandskollege erzählt, wie er einmal in Sommers Büro kam und der ganz stolz erzählte, dass er sich eine direkte Nummer nur für seine Familie habe legen lassen. "Das hatte jeder, das war nichts Besonderes, nur keiner redete darüber." Sommer habe oft sehr "prätentiös" gewirkt. "Er will als Familienmensch dastehen und gleichzeitig ständig verfügbar sein, ohne dass die Familie leidet. Ich habe ihm das nicht abgenommen."

    Er habe oft versucht, "Sommer zum Schreien zu bringen", sagt Peter Hoenisch, früherer Kommunikationschef bei Sony. Ohne Erfolg. Einmal habe er Sommer sogar gesagt: "Du kannst mich mal." Das dürfe er nicht sagen, erwiderte Sommer. Hoenisch darauf: "Du spinnst." Sommer: "Ja, das darfst du sagen." Fünf Minuten später habe Sommer zum gemeinsamen Kaffee gebeten. Sommer sei "kein kalter Mensch", sagt Hoenisch. "Aber seine Wärme spürt man oft erst nach Jahren." Präzise Kritik habe er "lässig eingesteckt". Damals.

    Im Grunde sei er aber "ein einsamer Wolf geblieben", sagt ein anderer Vertrauter aus der Sony- Zeit. "Er hat keine Freunde" – bestenfalls Leidensgenossen. Das sind die Chefs der Kommunikationskonzerne aus anderen Ländern, die sich einmal im Jahr Anfang Juli in Sun Valley treffen. Was früher ein Aufputschmittel der Eliten war, ähnelt seit 2 Jahren einer Selbsthilfegruppe. Die meisten kommen nur noch, weil sie Kollegen treffen, denen es noch schlechter geht. In diesem Jahr gibt es die ersten Ausfälle – Bernie Ebbers von WorldCom und Jean-Marie Messier von Vivendi. Auch Ron Sommer ist lieber zu Hause geblieben. Er besuchte stattdessen die Mitarbeiter seines Unternehmens.

    Vor kurzem war er auf einer Veranstaltung des "Kunden- Kontakt- Managements" in Bonn. Sommer war der Überraschungsgast. Gerade hatten die anwesenden Mitarbeiter der Telefonzentralen gelernt, "Kundenkontakte emotional aufzuladen", als der Chef die Bühne betrat und vormachte, wie man es nicht machen sollte. Zur Lage der Branche sagte er bloß, er wolle die Anwesenden nicht "noch deprimierter machen, als sie sein sollten". Jetzt zähle vor allem eines: "Zero defect."

    Ein Mitarbeiter ging an das Saalmikrofon und fragte: "Herr Sommer, erwartet der Kunde wirklich 'zero defect' oder einen Menschen, der auch Fehler machen kann?" Sommer hätte tausend gute Antworten geben können. Er hätte eine Spur einlenken und den Saal der Bereitwilligen dann emotional aufladen können. Sommer sagte: "Ich versuch mal, die Widersprüche, die Sie sich selbst gebaut haben, aufzulösen."

    Vorvergangene Woche hat er die Abteilung "Beschwerde- Management" besucht. Er kam auch zu Christiane Kutz. Sie ist so etwas wie Sommers telefonische Leibwächterin. Wütende Telekom- Kunden schaffen es täglich, bis zu Sommers Büro durchzukommen. Dann verbinden die Sekretärinnen zu Frau Kutz, deren Job es ist, sich anbrüllen zu lassen.

    Viele seien harmlos, sagt Kutz. Aber es gebe auch "die Quereinschläger", Psychopathen, die monatelang in der Leitung hängen. Ron Sommer betrat den Raum und reichte Frau Kutz, die für ihn die Stellvertreterkriege führt, die Hand. "Also, was bei mir ankommt, das kommt bei Ihnen an?" "Ja", sagte Kutz. Dann ging Sommer. Kein Dank. Nichts. Christiane Kutz war dennoch begeistert. "Er hat so einen ungemein weiten Blick."

    Draußen warteten zwei Bodyguards neben einem schweren Mercedes. Ron Sommer, Chef der Deutschen Telekom AG auf Abruf, fragte: "Was jetzt?"

    [Ron Sommers Deals – meist auf Pump]



    C H R O N I K

    Die Ära Sommer

    Ron Sommer leitete 7 Jahre lang die Geschicke der Telekom. Hier ist eine chronologische Übersicht seiner Erfolge und Niederlagen.

    Basis:
    Spiegel Online, Hamburg, 16. Juli 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). Ergänzt durch eigene Recherchen von t-off. [Original]

    Unter der Führung von Dr. Ron Sommer ist die Deutsche Telekom AG ein internationaler Telekommunikations- Konzern geworden. Am Ende war Sommer aber für den Aufsichtsrat nicht mehr tragbar.

    16. Mai 1995: Der Sony-Manager Sommer wird zum Chef der Deutschen Telekom berufen. Die Verschuldung des Konzerns liegt bei umgerechnet rund 59 Milliarden Euro.

    18. November 1996: Erster Börsengang der Telekom zu einem Emissionspreis von 28,50 DM (umgerechnet 14,32 Euro). Der Kapitalanteil des Staates sinkt auf 76,5 %.

    September 1998: France Télécom und Deutsche Telekom vereinbaren eine Überkreuzbeteiligung in Höhe von 2 %.

    Dezember 1998: Die Aktien steigen auf 28,23 Euro.

    Januar 1999: Die Telekom senkt die Preise um bis zu 62 %, um die Marktanteilsverluste zu stoppen.

    Frühjahr 1999: Der Plan für eine Fusion mit Telecom Italia scheitert. Die internationale Allianz mit France Télécom und mit Wind zerbricht.

    Juni 1999: Die Telekom gibt neue Aktien zu 39,50 Euro aus. Der Kapitalanteil des Bundes sinkt auf rund 67 %.

    August 1999: Der britische Mobilfunkanbieter One2One wird für zehn Milliarden Euro von der Telekom vollständig übernommen.

    Dezember 1999: Die Telekom-Aktie steigt auf 71 Euro. Der Schuldenstand liegt bei 42 Milliarden Euro.

    März 2000: Der Börsenkurs der Telekom-Aktien erreicht im laufenden Handel mit 104,90 Euro den bisher höchsten Stand.

    April 2000: Die Internet-Tochter T-Online geht an die Börse. Der Emissionspreis beträgt 27 Euro.

    Juni 2000: Dritter Börsengang zu einem Emissionspreis von 63,50 Euro. Der Anteil des Bundes sinkt auf rund 57 %.

    Juli 2000: Die Telekom ersteigert für insgesamt rund 8,5 Milliarden Euro eine der begehrten UMTS-Mobilfunklizenzen.

    Dezember 2000: Der Aktienkurs der Telekom stürzt auf 32,10 Euro ab. Der Schuldenstand erreicht 60 Milliarden Euro.

    Frühjahr 2001: Infolge korrigierter Immobilienwerte kürzt die Telekom ihren Jahresabschluss 2000 um 1,5 Milliarden Euro auf 5,9 Milliarden Euro.

    Juni/Juli 2001: Die Telekom übernimmt den US-Mobilfunker VoiceStream für mehr als 35 Milliarden Dollar. Die Verschuldung liegt jetzt bei 71 Milliarden Euro.

    August 2001: Sommer sagt in einem Interview: "Ich fühle mich erst wieder wohl, wenn die Telekom-Aktie mindestens 70 Euro überschreitet. Der Kurs steht bei rund 20 Euro.

    Dezember 2001: Die Telekom-Aktien liegen bei 19,30 Euro. Die Verschuldung beträgt 67 Milliarden Euro.

    Februar 2002: Das Bundeskartellamt verbietet den Verkauf von Kabelnetzen für 5,5 Milliarden Euro an Liberty Media.

    März 2002: Erstmals überhaupt gibt die Telekom für 2001 einen Verlust von 3,5 Milliarden Euro bekannt. Die Dividende sinkt auf 0,37 Euro. Der Börsengang der Mobilfunksparte T-Mobile wird wegen des schwachen Marktumfeldes ausgesetzt.

    2. Mai 2002: Die T-Aktie fällt unter den Emissionspreis.

    14. Mai 2002: Bundeskanzler Gerhard Schröder verteidigt Sommer gegen Kritik: "Liebe Leute, es besteht kein Anlass den Mann auszuwechseln, der hat gut gearbeitet."

    24. Mai 2002: Die Telekom prognostiziert einen Bilanzverlust von 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2002.

    28. Mai 2002: Das Management sowie Ron Sommer wird auf der Hauptversammlung wegen des Aktienkurses und der Erhöhung der Vorstandsbezüge um 90 % scharf kritisiert. Der Bund führt mit 43 % der Stimmen die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat herbei.

    17. Juni 2002: Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) greift die Erhöhung der Vorstandsbezüge als Wahlkampfthema auf.

    18. Juni 2002: Der Telekom-Vorstand verzichtet auf seine Aktienoptionen. Finanzminister Hans Eichel (SPD) stützt Sommer: "Die Position von Sommer steht in gar keiner Weise in Frage."

    26. Juni 2002: Die Aktien der Telekom fallen auf 8,14 Euro – den tiefsten jemals erreichten Stand.

    6. Juli 2002: Medien berichten über eine vom Kanzleramt betriebene Ablösung von Sommer noch vor der Bundestagswahl im September. Ein Regierungssprecher: "Nicht der Bundeskanzler, sondern der Aufsichtsrat entscheidet über Personalfragen."

    7. Juli 2002: Stoiber fordert Schröder zum Eingreifen auf, der Bund stellt sich daraufhin erneut hinter Sommer.

    9. Juli 2002: Der Aufsichtsrat setzt für Mitte Juli eine Abstimmung über Sommer an. In Kreisen des Präsidiums wird die Bundesregierung als Drahtzieher der Personaldebatte genannt. Mehrere Namen für eine mögliche Nachfolge kursieren bereits.

    10. Juli 2002: Sommer lehnt seinen Rücktritt ab.

    11. Juli 2002: Der Telekom- Vorstand stellt sich einmütig hinter Sommer. Telekom legt überraschend positive Zahlen vor.

    12. Juli 2002: 18.000 Telekom- Mitarbeiter wenden sich in einem offenen Brief gegen die Einflussnahme der Regierung. Der stellvertretende Aufsichtsratschef und Arbeitnehmer- Vertreter, Rüdiger Schulze, hält eine Ablösung von Sommer für unnötig. Der Kurs der Telekom-Aktie legt wegen der erwarteten Ablösung Sommers binnen weniger Tage um mehr als 10 % zu.

    13. Juli 2002: Die Bundesregierung schlägt Telekom-Vorstand Gerd Tenzer als Kompromisskandidat für den Chefposten vor.

    14. Juli 2002: Die US-Bank Goldman Sachs warnt vor einem Management- Wechsel bei der Telekom. Tenzer stößt bei Analysten, Aktionärsvertretern und dem Telekom- Vorstand auf Ablehnung.

    15. Juli 2002: Im Aufsichtsrat zeichnet sich noch keine Mehrheit gegen Sommer ab. Die Telekom- Aktie verzeichnet mit minus 15 % auf 10,30 Euro den größten Tagesverlust.

    16. Juli 2002: Der Aufsichtsrat berät über eine Ablösung Sommers. In einer Sitzungspause verkündet Sommer vor laufenden Kameras seinen Rücktritt. Er begründet ihn damit, dass er nicht mehr die volle Unterstützung des Aufsichtsrates habe. Zu seiner Tätigkeit an der Spitze der Telekom sagt er: "Ich werde mit einem Gefühl der subjektiven Befriedigung zurückblicken."




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      Zum Teil 37

    © 2002-2002 – Dipl.-Ing. Karl-Heinz Dittberner (khd) – Berlin   —   Last Update: 20.12.2009 12.25 Uhr