Achtung! Diese Archiv-Seiten dienen nur noch dokumentarischen Zwecken!Sehr viele Links sind nicht mehr aktiv. Aktuelles finden Sie evtl. auf der khd-Page oder im khd-research.net.![]() ![]() |
Dokumentiert sind hier in Auszügen oder als Links zum
SPIEGEL-Archiv einige
ausgewählte und in einer Zusammenstellung besonders interessante
Artikel aus dem SPIEGEL. Dieses
Copyright- geschützte Material wurde hier wegen der permanenten
Link-Möglichkeit (HTML-Anker) dokumentiert. Bitte beachten Sie
das Copyright, das beim Spiegel-Verlag (Hamburg) liegt. Tippfehler
gehen zu meinen Lasten.
B U N D E S R A T1 Million deutsche Haushalte ohne WM-Bilder
Die 17. Fußball-Weltmeisterschaft (WM) in Südkorea und Japan hat mit einem Fernsehskandal begonnen. Für Zuschauer mit digitalem Satelliten-Empfang blieb die Mattscheibe schwarz.
Aus: Spiegel Online 31. Mai 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]HAMBURG. Ausgerechnet die rund eine Million Haushalte in Deutschland [Ed: entspricht rund 3 Millionen Zuschauer], die mit der modernsten Technik ausgestattet sind, konnten heute nicht die Liveübertragung des Eröffnungsspiels Frankreich gegen Senegal (0:1) in der ARD sehen. Statt Fußball wurden Hinweisschilder gezeigt, die über die neue Situation informierten.
Der WM-Blackout führte zu hunderten Anrufen bei ARD und ZDF. Von 12 Uhr an klingelte das Telefon fast ohne Pause. "Es war unglaublich viel los. Gelegentlich wurden wir beschimpft. Aber die meisten Leute haben es mit Fassung getragen", erklärte Sabine Knott, Leiterin der ARD-Zuschauerredaktion in München.
Unkalkulierbare Schadensersatzforderungen
Die Verhandlungen zwischen ARD/ZDF und der KirchMedia als Rechteinhaber waren wenige Stunden vor WM-Beginn gescheitert. Noch am Dienstag [28.5.2002] hatte alles auf eine Einigung im monatelangen Digital-Streit hingedeutet. ARD und ZDF hatten sich verpflichtet, die digitale Ausstrahlung der WM über Satellit auf Deutschland zu beschränken und zu verschlüsseln.Der Kompromiss scheiterte aber an unkalkulierbaren Schadensersatzforderungen ausländischer TV-Sender. Die inzwischen insolvente KirchMedia hatte die digitalen Ausstrahlungsrechte in andere Länder wie Spanien, Norwegen und Polen [Ed: sowie Nordafrika] verkauft, die auf ihre teuer erworbene Exklusivität pochten.
Müssen Digital-Kunden auf gesamte WM verzichten?
Sollten sich die Vertragspartner nicht doch noch einigen, könnten die Digtal-Kunden keines der 24 WM-Spiele sehen, die von ARD/ZDF live übertragen werden. "Leid tragende sind ausschließlich Digital-Empfänger, doch KirchMedia hat bis zuletzt Hürden aufgebaut und Auflagen gemacht, die wir nicht erfüllen konnten", bedauerte ZDF-Intendant Markus Schächter."Wir haben ARD und ZDF alle rechtlich und wirtschaftlich vertretbaren Brücken gebaut, um trotz der klaren vertraglichen Regelungen auch die digitale Satellitenausstrahlung der Fußball-WM zu ermöglichen", sagte Alexander Liegl, Geschäftsführer Sportrechte der KirchMedia.
Europas neue (TV-)Schlagbäume
1.6.2002 (t-off). Hm, sollte das Satelliten- Fernsehen nicht einmal Brücken über Ländergrenzen hinweg schlagen. Zu Telstar- Zeiten war das auch noch so. Aber dann kamen die geldgierigen Murdochs & Kirchs...Wir bauen das vereinte Europa ohne Schlagbäume. Andererseits erinnert das Kirch- Gehabe irgendwie an die mittelalterliche Kleinstaaterei mit vielen Schlagbäumen. Womöglich soll nun auch generell das FreeTV verschlüsselt werden. Vielleicht reicht ja dann wenigstens die http://log_service/Icons/Pt_ Krankenversicherungs- SmartCard zum Dechiffrieren. Aber wer bezahlt uns die Decodier- Geräte...
Nachtrag: Premiere (nun ohne "World") hat zur Fußball-WM 2000 in Worten Zweitausend neue Abonnenten gewonnen.
0 1 9 0 - A B Z O C K ESchlapphüte setzen sich durch
Der Bundesrat hat zugestimmt: Internet-Provider und Telekom-Anbieter sollen verpflichtet werden, Daten über die Kunden zu speichern und den Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten bei Bedarf zur Verfügung zu stellen. Der Entwurf ist aber noch nicht vom Bundestag gebilligt worden.
Aus: Spiegel Online 31. Mai 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BERLIN. Bestands-, Nutzungs-, und Abrechnungsdaten der Telefonkunden und Internet- Nutzer sollen künftig gespeichert werden. Wie lange die Daten vorgehalten werden sollen, regelt das Gesetz allerdings nicht. Dies soll von einer von der Bundesregierung zu erlassenden Rechtsverordnung bestimmt werden. Branchenexperten kritisierten den Entwurf als datenschutzrechtlich bedenklich.
Die Initiative der bayerischen Landesregierung sieht die Änderung des Telekommunikationsgesetzes vor. Künftig soll es dort in Paragraf 88 heißen: "Die Bundesregierung erlässt für Unternehmen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder an der Erbringung solcher Dienste mitwirken, durch Rechtsverordnung (...) Vorschriften zur Vorratsspeicherung für Zwecke der Strafverfolgung und der Gefahrenabwehr und für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, des Bundesnachrichtendienstes, des Militärischen Abschirmdienstes sowie des Zollkriminalamtes."
"Das ist eine entscheidende Änderung des Telekommunikationsrechts", sagte Wolf Osthaus vom Branchenverband BITKOM. Für ihn widerspricht die geplante Gesetzesänderung grundlegenden datenschutzrechtlichen Prinzipien. "Es sollen Daten von unbescholtenen Bürgern gesammelt werden, nur auf den Verdacht hin, einer könnte eine strafbare Handlung begehen." Es dürfe nicht sein, dass Informationen über das Nutzungsverhalten gespeichert würden und der Staat später sehe, wofür das Material gut sei.
Bundestag entscheidet vermutlich nicht vor der Sommerpause
Schwerkriminelle verstünden es mit Hilfe technischer Tricks, ihre Spuren so zu verwischen, dass die Behörden trotz des möglichen neuen Gesetzes mit leeren Händen dastünden, sagte Osthaus. Außerdem kämen auf die Unternehmen der Telekom- und Internet- Branche enorme Kosten zu. Zum einen müssten sie Speicherkapazitäten installieren, um die Daten abzulegen und vorzuhalten. Zum anderem müssten die Unternehmen die Strukturen schaffen, damit die von den Behörden angeforderten Informationen in den Datenmengen überhaupt gefunden werden können. Osthaus schätzt die zusätzlichen Belastungen für jedes größere Unternehmen der Branche auf mehrere Millionen Euro.Nach Angaben der Bundesratsverwaltung wird der Gesetzentwurf an die Bundesregierung weitergeleitet, die ihrerseits eine Stellungnahme dazu abgibt. Anschließend muss der Gesetzesentwurf im Bundestag debattiert und in 3 Lesungen beschlossen werden. Dass dies noch vor der Sommerpause geschehe, sei eher unwahrscheinlich, hieß es weiter.
T V - K A B E LKünast ringt um neues Schutzgesetz
Verbraucherministerin Künast drängt auf gesetzlichen Schutz gegen den Missbrauch der 0190-Nummern durch so genannte Dialer- Programme. Doch der Gesetzentwurf lässt auf sich warten. Unklar ist, in welchem Umfang die Telekom- Aufsicht in die Pflicht genommen werden soll.
Aus: Spiegel Online 31. Mai 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BERLIN. In den Verbraucherzentralen häufen sich in letzter Zeit die Beschwerden von Internet- Surfern: Statt Zugang zu Pornofotos zu bekommen, haben sich viele unwissentlich ein so genanntes Dialerprogramm auf den heimischen PC heruntergeladen. Diese Programme unseriöser Anbieter wählen automatisch teure 0190- Nummern an und treiben den Verbindungspreis auf bis zu dreistellige Summen pro Stunde. Die besonders perfide Variante ist, wenn die Prozedur vom Nutzer unbemerkt im Hintergrund abläuft.
In beiden Fällen wird der Einbruch im heimischen Computersystem am Monatsende deutlich: durch eine exorbitante Telefonrechnung. Einsprüche wurden von den Gerichten bislang meist zurückgewiesen, weil die bestehenden Gesetze die unseriösen Anbieter schützen.
Verbraucherministerin Renate Künast (Grüne) versprach bereits Anfang Mai eine rasche Lösung des Problems. Unter anderem sollte diese Lösung beinhalten, dass die Anbieter von 0190- Diensten ihre finanziellen Forderungen direkt an den Kunden richten müssen. Bisher dienen die Netzbetreiber wie die Deutsche Telekom ihnen als Inkassounternehmen, indem sie die Beträge über die monatlichen Telefonrechnung beim Kunden einziehen. Nach Meinung von Künast sollen sie aber "weitere Inkassoversuche unterlassen", wenn der Verbraucher Einspruch erhebt. Die Beweislast würde so auf den 0190- Anbieter übertragen.
Doch völlig offen ist, ob Künast sich damit auch bei ihren Kollegen aus dem Wirtschafts- und dem Justizministerium durchsetzen kann. Zwar kündigte das Künast-Ministerium an, noch vor der Sommerpause werde ein Gesetzentwurf vorliegen. Doch zu den Details möchte kein Ressort Auskunft geben.
Fraglich ist zudem, ob die Umkehr der Beweislast ausreicht, um der Abzocke Einhalt zu gebieten. Auch so könnten Internet- Surfer weiter in die Anwahl- Falle gelockt werden, warnte die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser- Schnarrenberger (FDP). Viel wichtiger sei es, dass die Regulierungsbehörde vor der Vergabe der teuren Einwahl-Nummern die Seriosität der Anbieter prüft, anstatt sie einfach sorglos jedem Antragsteller zuzuteilen. Auch dieser Vorschlag werde geprüft, versicherte Künasts Sprecherin.
Nur Selbstschutz hilft
Auch nach der geplanten Gesetzesänderung wird der Internet- Surfer aber am besten selbst für seinen Schutz sorgen. Ein Instrument dafür bot zunächst der Virenschutzhersteller H+BEDV: Dessen Software- Ingenieure integrierten eine Sperre für die 0190- Anwählprogramme in sein Programm. Doch dummerweise gab das Programm auch Virenwarnungen für juristisch einwandfreie Dialer aus. Einer der Anbieter, Consiliere New Media, klagte, dass sein Dialer mit dem Namen "Sendman.exe" als Virus identifiziert wurde. Mit Hilfe dieses Programms können sich Kunden Logos und Klingeltöne für das Handy herunterladen. Dieser Vorgang ist jedoch juristisch einwandfrei, da auf die anfallenden Kosten von 1,86 Euro pro Minute hingewiesen wird und der Download des Programms mit Billigung des Nutzers geschieht.Darum mussten die Virenschützer ihr Programm zunächst zurückziehen. Aber die Software- Hersteller versprechen Besserung: Vom Virenprogramm soll es bald ein Update geben, dass legale und illegale Dialer juristisch einwandfrei unterscheiden soll.
I N T E R N E TGalgenfrist für Ish
Aus: Der Spiegel 24/2002, 10. Juni 2002, Seite 103 (Trends).Mit Hilfe des Wohlwollens seiner Gäubiger hat sich der angeschlagene TV-Kabelnetzbetreiber Ish eine weitere Galgenfrist erkämpft. In hektischen Verhandlungen mit Banken und Gläubigern erreichte das Unternehmen in der vergangenen Woche einen vorläufigen Aufschub der Zahlungen.
So stunden Großgläubiger wie die Deutsche Telekom ihre Forderungen für die Bereitstellung von Mietleitungen auf 4 Monate. Auch andere Großunternehmen stellten ihre Zahlungsforderungen zurück. Außerdem schossen die beteiligten Banken einen Überbrückungskredit in Höhe eines zweistelligen Milllionenbetrags nach.
Allerdings sind die Zahlungen an Auflagen geknüpft: Der amerikanische Ish- Hauptgesellschafter Callahan, der das NRW- Kabel vor 2 Jahren für rund 4 Milliarden Mark von der Deutschen Telekom kaufte, muss sich nach weiteren Investoren umsehen. Zudem muss das Unternehmen mit seinen ehemals 2400 Beschäftigten weitere Sparprogramme auflegen. Experten halten es allerdings für fraglich, ob dies ausreichen wird, den auch wegen technischer Mängel in Verruf geratenen Kabelnetzbetreiber vor der Pleite zu retten.
K U R S S T U R ZDer Rest ist Finsternis
Ein großer Teil des europäischen Internet droht demnächst zu kollabieren. Auswirkungen für die Kundschaft: vermutlich keine.
Hinweis auf: Der Spiegel 24/2002, 10. Juni 2002, Seite 188 (Technik). [Original]
P A U S C H A L T A R I F F Ü R K O N K U R R E N T E NMobilCom im freien Fall
France Télécom hat seine Zusammenarbeit mit MobilCom einseitig aufgekündigt. Die Aktie des Büdelsdorfer Mobilfunkanbieters verlor daraufhin fast die Hälfte ihres Wertes das Papier wurde vom Handel ausgesetzt.
Aus: Spiegel Online 11. Juni 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]PARIS. Angesichts der häufigen Vertragsverletzungen der letzten Monate sei der Rahmenvertrag aus dem Jahr 2000 null und nichtig, sagte der Finanzchef des französischen Großaktionärs, Jean-Louis Vinciguerra, heute in Paris. France Télécom ist nach Angaben Vinciguerras bereit, mit "begrenzten Mitteln" eine Insolvenz des Büdelsdorfer Unternehmens zu vermeiden.
Die MobilCom-Aktie fiel nach Bekanntwerden der Nachricht auf eine neues Allzeittief: Der Titel halbierte sich fast und lag mit 46,6 % bei 7,29 Euro im Minus. Ein Sprecher der Deutschen Börse erklärte inzwischen, das Papier bleibe für den Rest des Tages vom Handel ausgesetzt.
Großinvestor steigt aus
Am Nachmittag hatte der Aktienverkauf eines institutionellen Investors den Kurs des hoch verschuldeten UMTS- Lizenzinhabers bereits auf 8,60 Euro gedrückt. "Plötzlich wollte eine Adresse ohne Rücksicht auf Verluste MobilCom- Aktien auf den Markt werfen", sagte ein Wertpapierhändler in Frankfurt.MobilCom-Chef Gerhard Schmid und der Aufsichtsrat des im Nemax 50 notierten Mobilfunkers hätten wiederholt gegen die zwischen den beiden Unternehmen bestehende Kooperationsvereinbarung verstoßen, begründete der französische Konzern seinen Entschluss. Das ehemalige Staatsunternehmen hält 28,5 % an dem Büdelsdorfer Unternehmen. So habe Schmid durch ein eigenmächtiges Aktiengeschäft mit der durch seine Ehefrau kontrollierten Millennium GmbH deutsche Gesetze gebrochen. Auch habe Schmid das umstrittene Geschäft nicht rückgängig gemacht, obwohl er dies dem Aufsichtsrat zugesichert habe.
Schmid haut auf die Pauke
Zuvor hatte Schmid kräftig gegen seinen französischen Partner gestänkert. in einem Interview mit dem Stern sagte Schmid, das Verhalten von France Télécom, sei "eines großen Staatskonzerns nicht würdig". Das Unternehmen spiele mit den Ängsten der Mitarbeiter. Die Drohung, MobilCom in die Insolvenz zu treiben, sehe er "als Reaktion auf den gescheiterten Versuch der vergangenen Woche, mich aus dem Unternehmen zu drängen".Am Freitag [7.6.2002] hatte der Aufsichtsrat in einer außerordentlichen Sitzung darüber abgestimmt, ob Schmid entlassen werden sollte. Nach Medienberichten fehlte seinen Gegnern nur eine Stimme. Offenbar war es Schmid fast in letzter Minute gelungen, die Arbeitnehmervertreter auf seine Seite zu ziehen.
France Télécom wirft Schmid vor, den Aufsichtsrat und Vorstand nicht über ein umstrittenes Aktienoptionsprogramm informiert zu haben, in das die Millennium GmbH einbezogen war, die von Schmids Frau geführt wird. Schmid und France Télécom streiten seit Monaten über die Finanzierung eines Netzes für den neuen Mobilfunkstandard UMTS. "Verträge sollen verwässert, uminterpretiert und nicht erfüllt werden. Es geht zu wie früher bei 'Dallas'", sagte Schmid dem Hamburger Magazin.
Finanzspritze und Kündigung am gleichen Tag?
Zugleich geht es um die Frage, ob France Télécom den Aktienanteil von Schmid, der zusammen mit seiner Frau fast die Mehrheit am Unternehmen hält, übernimmt und zu welchem Preis. Schmid hatte 22 Euro pro Stück für seine Aktien gefordert. France Télécom wird unterstellt, den Preis drücken zu wollen.Heute morgen hatte es noch so ausgesehen, als wolle France Télécom den Deutschen entgegenkommen. Wie die Agentur vwd gestern unter Berufung auf dem Unternehmen nahe stehende Kreise berichtete, hätten die Franzosen einen "zweistelligen Millionenbetrag" in Euro überwiesen. Ein Sprecher des Unternehmens machte hierzu auf Nachfrage keine Angaben.
[Gerhard Schmid Der Schauspieler]
[30.05.2002: MobilCom-Hauptversammlung: France Télécom demütigt Schmid]
[31.05.2002: MobilCom: Schmid vor unrühmlichem Rauswurf]
[04.06.2002: Milliardenauftrag: Bundeswehr rettet MobilCom]
[07.06.2002: MobilCom: Schmid bleibt, die Schlammschlacht geht weiter]
[11.06.2002: France Télécom beendet Zusammenarbeit mit Schmid und MobilCom]
G R O T E S K E R S T R E I T U M S C O P Y R I G H TTiefschlag für die Telekom
Mit dem Internet lässt sich für Telekommunikationsunternehmen ab sofort mehr verdienen außer, sie heißen Telekom: Die muss ihren Konkurrenten nach einem Entscheid der Regulierungsbehörde künftig Kapazitäten zu günstigen Pauschaltarifen bieten.
Aus: Spiegel Online 12. Juni 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]BONN. Die Deutsche Telekom hat erneut eine Niederlage bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post erlitten und muss nun konkurrierenden Telekom-Unternehmen in Deutschland Internet-Kapazitäten zu einem pauschalen Tarif anbieten.
Die Regulierungsbehörde teilte heute in Bonn mit, die Telekom müsse ihren Konkurrenten künftig Internet- Verbindungen an bundesweit 475 Knotenpunkten zu einem pauschalen Preis und nicht mehr in Abhängigkeit von der Nutzungsdauer zur Verfügung stellen. Damit gab die Behörde einem Antrag des Telekommunikationsanbieter Mediaways statt. Die Telekom hatte dagegen eine Zusammenschaltung mit den Netzen der Konkurrenz an mehr als 1600 Punkten vorgeschlagen, was die Behörde jedoch als wettbewerbsbehindernd ansieht.
Die bereits seit längerem zwischen der Behörde und der Telekom umstrittene Anzahl der Knotenpunkte zweier Telefonnetze bei der Zusammenschaltung ist ausschlaggebend für die Höhe der Nutzungsgebühren, die die Wettbewerber an die Telekom für die Netznutzung zu zahlen haben. Mediaways und andere Telekom-Konkurrenten sahen sich dadurch benachteiligt, dass eine hohe Zahl von Zusammenschaltungspunkten höhere Investitionen in das eigene Netz erfordert, um die günstigsten Tarife zu erhalten.
Nach der Festlegung der Rahmenbedingungen wird die Behörde in einem weiteren Verfahren über die Höhe der Zusammenschaltungsentgelte und damit über die Höhe des Pauschaltarifs entscheiden. Die Telekom muss den Angaben zufolge binnen sechs Wochen einen Tarifvorschlag unterbreiten, der von Behörde genehmigt werden muss. Erst dann wird Mediaways ein Gesamtpaket vorliegen, auf dessen Basis das Unternehmen seinen eigenen Kunden Angebote für die Internet-Nutzung machen wird.
Auf den privaten Endkundenmarkt haben die Entscheidungen über den Pauschaltarif keine direkten Auswirkungen. Dennoch sieht das zur spanischen Telefonica gehörende Unternehmen in den unabhängig von der Nutzungsdauer berechneten Pauschaltarifen einen "wichtigen Schritt", um das Internet als Massenmedium zu etablieren. Durch die pauschale Abrechnung mit der Telekom könnte Mediaways auf Grund verbesserter Kalkulationsmöglichkeiten seinen Kunden ebenfalls kostengünstigere Pauschaltarife für die Internet-Nutzung anbieten. Mediaways sieht sich selbst als größten Konkurrenten der Telekom und ihrer Internet- Tochter T-Online bei der Bereitstellung von Internet- Kapazitäten an Internet- Dienste- Anbieter oder Geschäftskunden in Deutschland.
Bereits im November 2000 hatte die Behörde die Telekom gegen deren Willen dazu verpflichtet, Internet-Dienste- Anbietern wie beispielsweise AOL Netz-Kapazitäten für den Datenverkehr in und aus dem Internet zu einem Pauschaltarif zur Verfügung zu stellen. Mit der jüngsten Entscheidung wurde diese Verpflichtung auf Telekommunikationsanbieter wie Mediaways ausgedehnt. Ein Sprecher der Telekom war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
K U R S S T U R ZWer pinkeln geht, ist ein Dieb
Stein des Anstoßes: Digitale Videorecorder und deren angeschlossene Dienste vermögen Werbung vollständig auszufiltern.
Aus: Spiegel Online 12. Juni 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]SAN FRANCISCO. Vor einem Bundesgericht in Los Angeles klagt eine Gruppe von Nutzern digitaler Videorecorder gegen mehr als zwei Dutzend der größten Hollywood- Studios. Die werfen Zappern, Filterern, WC- Frequentierern und anderen Werbevermeidern Vertragsverletzung vor. Der Zwist zwischen Industrie und Hightech- Gemeinde wird zur Groteske. Gemeinsam mit Vertretern der San Franciscoer Electronic Frontier Foundation (EFF) kämpfen die 5 Amerikaner um das Recht, Fernsehprogramme digital aufzeichnen und Werbespots überspringen zu dürfen.
Die 27 Film- und Fernsehfirmen darunter etwa Disney, Time Warner, ABC und CBS klagen dagegen ihrerseits schon seit Monaten, dass digitale Videorecorder (DVR) à la ReplayTV oder Tivo Urheberrechte verletzten entsprechend solle der Verkauf sowie die Nutzung der Geräte verboten werden.
Fernsehspots automatisch eliminieren
Die Entertainment- Industrie fürchtet vor allem auch die "Auto-Skip"-Funktion der digitalen Videorecorder, über die sich TV-Reklame automatisch eliminieren lässt denn schaut keiner mehr die Reklamefilmchen, könnte das Finanzierungsmodell des US-Fernsehens mächtig ins Wanken geraten. Studien von NextResearch zufolge überspringt fast jeder dritte der rund zwei Millionen DVR-Eigner Werbespots grundsätzlich, 47 % der User schenken sich die TV-Ads häufig.Und diese Problematik dürfte sich für die Unterhaltungsmacher in den kommenden Jahren stetig verschärfen: Glaubt man den Marktforschern der Carmel Group, sollen in den nächsten sechs Jahren bis zu 30 Million Geräte im Einsatz sein.
Auch in Deutschland warnt bereits der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft vor dem "kommerzfreien" TV-Konsum und das, obwohl noch gar keine "Personal- Videorecorder" auf dem deutschen Markt zu haben sind.
Im April war zudem in einer Vorverhandlung in Los Angeles verfügt worden, dass ReplayTV-Hersteller Sonicblue die Nutzungsgewohnheiten der User protokollieren muss, um feststellen zu können, wie die Geräte eingesetzt werden. Vergangene Woche war diese Entscheidung jedoch von einem höheren US-Gericht wieder gekippt worden.
T E L E K O M M U N I K A T I O NTelekom durchschlägt 10-Euro-Marke
Allzeit-Tiefstände hat die Aktie der Telekom in den letzten Wochen viele erreicht, das neue Tief aber hat eine besondere Symbolik: Erstmals ist der Kurs der T-Aktie nur noch einstellig.
Aus: Spiegel Online 14. Juni 2002, ??.?? Uhr (nur elektronisch publiziert). [Original]FRANKFURT AM MAIN. Gut eine Stunde nach Handelsbeginn wurde die T-Aktie in Frankfurt am Main bei 9,99 Euro notiert, das war ein Minus von 2,15 Prozent. Gegen 10.45 Uhr notierte die Aktie dann bei 9,84 Euro und hatte damit bereits über 3,6 Prozent verloren. Seit ihrem Höchststand im Frühjahr 2000 hat die Aktie mehr als 90 Prozent ihres Wertes eingebüßt. Das Papier war beim Börsengang 1996 mit 14,57 Euro (28,50 Mark) ausgegeben worden. Die Aktie hatte bereits in den vergangenen Tagen mehrfach neue Tiefststände ausgelotet. Qualitativ neue negative Impulse gebe es aber nicht, heißt es im Handel. Hinter dem neuen Tief stehe keine Eigendynamik der T-Aktie, sondern die generelle Schwäche der Märkte und der Telekom- Branche.
Händler sagten, viele Anleger hätten den Kurs der T-Aktie bewusst unter 10 Euro drücken wollen. Seit einer Woche haben so genannte Hedgefonds den Händlern zufolge den Kurs immer näher an die psychologisch wichtige Marke geführt. Mit dem Fall unter die Marke von zehn Euro könnten nun wichtige Stop-Loss- Marken fallen: Institutionelle Anleger versuchen, ihre Verluste durch Verkäufe zu minimieren, wenn Kurse bestimmte Schwellen unterschreiten. Das wäre ein böses Omen für T-Aktionäre. Möglich ist aber auch, dass Anleger den gefallenen Kurs zum Einstieg nutzen.
Telekom fühlt sich unverstanden
Die Telekom reagierte mit Unverständnis auf den neuen Tiefstand. Ein Sprecher des Konzerns verwies darauf, dass die meisten Analysten das Papier für deutlich unterbewertet hielten. Der Vorstandsvorsitzende Ron Sommer hatte zuletzt auf der Hauptversammlung vor drei Wochen noch einmal Zuversicht geäußert, dass die Aktie aus dem Tief wieder herauskommen wird. Die Kursentwicklung stehe in "krassem Gegensatz" zur operativen Entwicklung der Telekom. Die Branche sei "ein Wachstumsmarkt mit ganz erheblichen Potenzialen", hatte Sommer betont.Nachrichten vom amerikanischen Telekommunikationsunternehmen Sprint hatten am Donnerstag erneut ins Gedächtnis gerufen, wie krisenanfällig die Branche bleibt. Der US-Konzern teilte mit, der Jahresumsatz der Telefoniesparte werde sich noch stärker verringern als bisher prognostiziert. Der Technologieindex Nasdaq Composite gab in der Folge um 1,47 Prozent auf 1496 Punkte nach. In Europa verloren am Freitag auch andere europäische Telekommunikations-Unternehmen. Vodafone zum Beispiel rutschten in London um drei Prozent abwärts auf 91,75 Pence.
Titanisch sind nur die Schulden
Ein längerfristiger Grund für die schlechte Performance der T-Aktie ist der Schuldenberg, der auf der größten Telefongesellschaft Europas lastet. Erst letzte Woche hatte der Telekom- Finanzvorstand Karl-Gerhard Eick gesagt, es gebe "keinen signifikanten Fortschritt beim Schuldenabbau". "Wir zahlen in diesem Quartal die Dividende von 1,6 Milliarden Euro." Der Bilanzverantwortliche bezeichnete es zudem als "spannend", ob es dem Konzern gelingen werde, diese Summe auszugleichen. Viele Analysten bezeichnen die Pläne der Telekom als sehr ehrgeizig, den Schuldenstand bis Ende 2003 auf 50 Milliarden Euro zu reduzieren. Aktuell bezifferte Eick den Schuldenstand mit 66,4 Milliarden Euro.Ebenfalls in der vergangenen Woche hatte der Börseninformationsanbieter Dow Jones die Telekom aus dem viel beachteten Global Titans Index verbannt, in dem 50 Werte enthalten sind. Auch dies dürfte dazu geführt haben, dass sich international viele institutionelle Anleger, die den Index für Fonds nachbilden, von dem Papier getrennt haben.
[T-Aktie Chronik des Niedergangs] [Kursdaten der T-Aktie]
C O M P U T E RBlutiges Schlachtfeld
Wie im Fieberwahn rangelten die Telefonkonzerne um die milliardenteuren Lizenzen für das Handy-Geschäft der Zukunft und stürzten damit eine ganze Branche in die Krise. Nun steht mit MobilCom der erste UMTS-Anbieter vor der Pleite [Ed: und weitere werden folgen auch darum].
Aus: Der Spiegel 25/2002, 17. Juni 2002, Seite 8085 (Wirtschaft) von KLAUS-PETER KERBUSK. [Original]Gerhard Schmid strotzte vor Selbstbewusstsein. Bis zu 12 Milliarden Euro, versicherte der Gründer der Büdelsdorfer Telefonfirma MobilCom, werde er sich den "Quantensprung für das Unternehmen" kosten lassen: den Einstieg als Netzbetreiber ins Handy- Geschäft. Damit, so Schmid, "kann man sich eine goldene Nase verdienen".
Das war im August 2000, und Schmid hatte sich gerade bei der teuersten Auktion der Wirtschaftsgeschichte mit 8,3 Milliarden Euro in das "wahrscheinlich letzte Oligopol einer Zukunftstechnologie" eingekauft. Nun, kündigte damals der stolze Besitzer einer UMTS- Lizenz an, werde er der Deutschen Telekom einen "gnadenlosen Wettbewerb" aufzwingen.
Knapp 2 Jahre später ist der Traum vom Aufstieg in die Oberliga der Kommunikationsindustrie ausgeträumt. Schmid steht vor dem Scherbenhaufen seiner hochtrabenden Expansionspläne. Die Aktie dümpelt unter 10 Euro vom einstigen Börsenwert, der in den Glanzzeiten bei 11,4 Milliarden Euro lag, sind magere 500 Millionen übrig geblieben.
Vergangene Woche kündigte auch noch sein bislang spendabler Partner Michel Bon, der Chef von France Télécom (FT), "endgültig und unwiderruflich" den vor gut zwei Jahren geschlossenen Kooperationsvertrag, der Schmids UMTS- Pläne finanziell absicherte. MobilCom, verschuldet mit gut sieben Milliarden Euro, steht damit am Rand der Pleite. Ende Juli muss Schmid einen Kredit über 4,7 Milliarden Euro an die Banken zurückzahlen. Gelingt das nicht, dann, so Finanzvorstand Thorsten Grenz, "greifen die Vorschriften der Insolvenzordnung".
Das MobilCom-Debakel ist mehr als der illustre Kampf zwischen einem arroganten Elitemanager aus Frankreich und einem Betonkopf aus Büdelsdorf. Aufstieg und Fall des Selfmademan aus der Provinz sind ein Lehrstück über den Übermut und den anschließenden Katzenjammer einer ganzen Branche einer Industrie, in der noch vor wenigen Jahren staatliche Monopolisten das Sagen hatten und den Fortschritt bremsten und die im Gefolge des Handy-Booms zum stärksten Wachstumsmotor der neunziger Jahre avancierte.
Berauscht vom unerwarteten Erfolg der digitalen Mobilfunktechnik GSM, die den Europäern erstmals seit langem auf einem Hightech-Gebiet wieder einen klaren Vorsprung gegenüber den Erzkonkurrenten USA und Japan verschaffte, stürzte sich die Branche Mitte der Neunziger in ein fast absurdes Megaprojekt: UMTS Universal Mobile Telecommunications System.
Schon Anfang des neuen Jahrtausends, so die ehrgeizige Vision, sollten mobile Telefone die Leistung von Bürocomputern erreichen. Per Handy, so die Hoffnung, würden dann Millionen von Kunden an fast jedem Ort der Erde im Internet surfen, Bankgeschäfte erledigen, Filmvorschauen ansehen, Kinokarten buchen oder elektronische Postkarten verschicken. PC und Festnetzanschluss würden überflüssig, das Multimedia-Handy würde dank europäischer Ingenieurskunst zum Kommunikationsmittel für jede Lebenslage.
Nicht nur die Branche überschlug sich in immer gigantischeren Zukunftsvisionen. Marktforscher, Analysten, Banker, Politiker und auch die Presse heizten die Erwartungen an die neue Supertechnik weiter an. Umsätze in dreistelliger Milliardenhöhe lockten, und am Ende schien allen klar, dass keine Telefonfirma abseits stehen konnte: "Wer das Ding nicht hat, kriegt Probleme", glaubte MobilCom- Chef Schmid, denn "entweder man ist dabei, oder man ist raus aus dem Spiel".
Probleme hat er nun genug aber vor allem wegen UMTS. Konkurrenten wie die Stuttgarter Debitel, die sich nicht auf das Abenteuer UMTS eingelassen haben, stehen vergleichsweise glänzend da. Der Grund ist klar: Unmittelbar nach der Jahrtausendwende hatten auch die Politiker das ungeheure Potenzial der neuen Technik entdeckt. Da die Frequenzen, in denen die UMTS-Handys funken, knapp sind und nur eine begrenzte Anzahl von Netzbetreibern tätig werden kann, wollten die Regierungen die Lizenzen möglichst teuer verkaufen, um schon vorab am Zukunftsmarkt kräftig mitverdienen zu können. Schließlich wurde die Eintrittskarte in die neue Multimedia-Welt von vielen als Lizenz zum Gelddrucken angesehen.
Besonders hartnäckig rangelten die Konkurrenten in Deutschland um die Lizenzen. Nach 15 Versteigerungstagen und 173 Runden konnte Finanzminister Hans Eichel schließlich bei den 6 Gewinnern rund 51 Milliarden Euro kassieren fast 20.000-mal mehr, als seine Vorgänger für die vier GSM-Lizenzen einnahmen. Wenige Wochen zuvor hatte der englische Schatzmeister von den Mobilfunkfirmen 38 Milliarden Euro bekommen. Rund 12 Milliarden Euro blätterten die Handy-Konzerne in Italien hin, 10 Milliarden in Frankreich, 2,7 Milliarden in den Niederlanden, fast 2 Milliarden in Polen. Am Ende hatte die Branche in Europa gut 110 Milliarden Euro für die meist auf 15 bis 20 Jahre begrenzte Lufthoheit über die Handy- Frequenzen gezahlt.
Damit nahm das Desaster seinen Lauf, denn alle, so ein UMTS-Bieter, "hatten den ökonomischen Sachverstand an der Eingangstüre abgegeben". "Da ist viel Geld verbrannt worden", stöhnte Maximilian Ardelt, damals Chef von Viag Interkom, die heute als Tochter von British Telecom unter dem Kürzel O2 firmiert. "Niemand", staunte Philipp Nimmermann von der BHF-Bank, "hat mit solch gewaltigen Summen gerechnet."
Zusätzlich zu den horrenden Eintrittsgebühren waren ja auch noch einmal einige Milliarden Euro für den Aufbau jedes Netzes fällig. "Der UMTS-Markt wird sich in ein blutiges Schlachtfeld verwandeln", ahnte bald Lars Godell, Telekom- Analyst bei der US-Unternehmensberatung Forrester Research. Auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung fürchtete, manchem Lizenznehmer könnte ganz schnell die Luft ausgehen.
Die meisten Manager der Glitzerbranche ließen sich von solchen Warnungen nicht beirren. Sie warfen weiter auf ihren Einkaufstouren mit Milliarden um sich. Besonders begehrt waren aufstrebende Mobilfunkfirmen, Geld schien keine Rolle zu spielen. So zahlte Telekom-Chef Ron Sommer rund 33 Milliarden Euro für die US-Firma VoiceStream, 34 Milliarden machte FT-Chef Bon für die englische Mobilfunkfirma Orange locker, und Vodafone-Chef Chris Gent toppte alle: 190 Milliarden Euro ließ er sich die spektakuläre Übernahme von Mannesmann kosten.
Bei Ladenschluss, als die Börse die spendablen Firmenchefs mit immer dramatischer fallenden Kursen abstrafte, hatten allein die 7 größten europäischen Netzbetreiber einen Schuldenberg von insgesamt gut 230 Milliarden Euro angehäuft eine Summe, die dem Bruttoinlandsprodukt von Belgien entspricht.
Nun fressen die Zinsen fast die Gewinne auf, für den Aufbau der einst hoch gelobten UMTS-Netze ist kaum noch Geld da. Allein für die Zinsen gehen bei der Deutschen Telekom in Bonn oder bei France Télécom in Paris mehr als zehn Millionen Euro drauf täglich. Der Absturz der Börsenkurse verschärft die Probleme noch. Denn inzwischen sind die im Wachstumsfieber zusammengekauften Firmen längst nicht mehr so viel wert, wie sie einst gekostet haben. In den Bilanzen müssen die Finanzchefs deshalb gewaltige Wertberichtigungen vornehmen 32 Milliarden Euro sind es allein in der jüngsten Vodafone- Bilanz.
Die Folge: Die einst renditestarken Konzerne rutschen reihenweise in die Verlustzone. Und das ist auch der Grund für den Rosenkrieg zwischen France Télécom und MobilCom. Weil er sich weitere Schulden nicht mehr leisten kann, will FT-Chef Bon die Ausgaben für den Aufbau des deutschen UMTS-Netzes möglichst weit strecken.
Ex-Partner Schmid drängt dagegen auf schnellen Start und will 2002 noch gut eine Milliarde Euro in die neue Technik investieren. Nachdem der erste Versuch, den störrischen Firmengründer aus der Firma zu drücken, gescheitert ist, soll der Aufsichtsrat am kommenden Freitag erneut über Schmids Abwahl abstimmen. Gelingt die nicht, ist Bon offensichtlich bereit, MobilCom in die Pleite schlittern zu lassen und sich ganz aus Deutschland zurückzuziehen. Abgeschrieben hat er sein milliardenschweres MobilCom- Engagement ohnehin schon.
Nicht nur Schmid, auch die Finanzminister, die einst triumphierend die UMTS- Erlöse einstrichen, bekommen nun das Desaster der Branche schmerzlich zu spüren: Dividenden der Telefonkonzerne schrumpfen, Steuerzahlungen fallen aus, Mitarbeiter werden entlassen, und am Ende werden einige Firmen sogar ganz dichtmachen mit schweren Folgen für die Städte und Gemeinden, in denen sie residieren.
Als eine der ersten Kommunen könnte Büdelsdorf, der Sitz von MobilCom, betroffen sein. Schon jetzt spürt die schleswig-holsteinische Kleinstadt die Folgen des UMTS- Wahns: Im Jahr 2000 konnte Bürgermeister Jürgen Hein noch Gewerbesteuereinnahmen von knapp 7,8 Millionen Euro kassieren, vergangenes Jahr verbuchte er ein Minus von 112.000 Euro. Nun hat er "große Angst vor einer Insolvenz".
Doch wäre das Debakel abwendbar gewesen? Hätte es womöglich eine Alternative gegeben zu den milliardenschweren Lizenzversteigerungen? Ja, sagt Bernd Eylert. "Wir hatten schon früh für andere Vergabeformen plädiert", bemerkt der Chef des UMTS-Forums, eines internationalen Branchenverbands aus Handy- Herstellern und Netzbetreibern. "Unsere Studien hatten ergeben, dass zu hohe Lizenzkosten die gesamte Volkswirtschaft lähmen könnten."
Das in London ansässige Forum hatte sich deshalb für so genannte Schönheitswettbewerbe der Netzbetreiber ausgesprochen, wie sie auch Anfang der Neunziger bei der Vergabe der GSM- Lizenzen praktiziert wurden. Bei den UMTS- Lizenzen kamen aber nur noch wenige Länder darauf zurück. Auch Provisionszahlungen, wie sie jetzt in Frankreich eingeführt wurden, wären nach Ansicht des Forums eine passable Lösung gewesen, da nicht der gesamte Betrag auf einmal fällig ist, noch ehe die Firmen einen Cent verdient haben.
Für solche Überlegungen ist es nun zu spät. Und insgeheim käme der Branche ein Konkurs von MobilCom ganz gelegen. Mit 6 UMTS- Netzbetreibern gilt der deutsche Markt inzwischen als überbesetzt. Neue, billige Konkurrenztechniken wie das so genannte WLAN lassen die Erfolgsaussichten der Handy- Konzerne weiter schwinden (siehe Seite 170).
Experten gehen deshalb davon aus, dass von den sechs UMTS- Lizenznehmern nur 3 übrig bleiben. Aber schon die Reduzierung auf fünf Netzbetreiber würde die Chancen der Anbieter beim UMTS- Start im kommenden Jahr verbessern. Einen neuen Konkurrenten, der die Lizenz billig aus der Konkursmasse übernimmt, müssen die Telefonfirmen jedenfalls kaum fürchten. Geht MobilCom Pleite, dann fällt die Lizenz zum Nulltarif an den Staat zurück. "Was wir dann damit machen", heißt es in der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post, "ist noch völlig offen."
Mit Superhandy ins Turbonetz
Frisch fusioniert, erforschen Hewlett-Packard und Compaq neue Märkte. Der Gigant macht gegen die Mobilfunkbranche mobil und verwandelt dazu die Stadt Bristol in ein Freiluft-Funklabor.
Aus: Der Spiegel 25/2002, 17. Juni 2002, Seite 170171 (Technik). [Original]Professor David May, ein drahtiger Kahlkopf Anfang 50, tanzt über den "Millennium Square" am Hafen von Bristol. Mit langen Schritten hastet er über den "Jahrtausendplatz", dann wirbelt er um die eigene Achse, haut kraftvoll ein Loch in die Luft und jauchzt: "Volltreffer". Befremdet bleiben Touristen stehen und glotzen.
May jagt imaginäre Insekten, deren Sirren er im Kopfhörer hört: Der seltsame Digitalderwisch testet eine Erfindung seiner Informatikstudenten: eines der weltweit ersten Online- Spiele, die nicht per Tastatur und Mausklick, sondern durch den Körper gesteuert werden.
Um als menschliche Computermaus fungieren zu können, ist May behängt wie ein Christbaum: In der rechten Tasche seines "Cyberjackets" steckt ein Minirechner. Von dort zieht sich ein regenbogenbunter Kabelstrang zu einem Kopfhörer. Ein GPS- Empfänger auf dem Kopf misst per Satellitenpeilung metergenau die jeweilige Position; zwei knallrote Sensoren am Arm ermitteln seine Bewegungen.
Beim Ringelpiez auf dem Millennium Square geht es um mehr als die Jagd auf unsichtbare Grillen. Das Experiment könnte über die Zukunft des nach IBM größten Computerherstellers der Welt mitentscheiden: Hewlett-Packard (HP).
Anfang Mai schluckte der kalifornische Großkonzern den texanischen Computerriesen Compaq zum Preis von fast 20 Milliarden Dollar. Doch die größte Fusion in der Geschichte der Computerindustrie fällt in eine Krisenzeit. Der neue Riesenkonzern muss in den nächsten Monaten zehn Prozent seiner rund 150.000 Mitarbeiter entlassen. Ausgerechnet Tüftler wie May sollen dem schwächelnden Riesen nun helfen, neue Märkte zu erfinden.
Vor allem der Mobilfunkmarkt lockt den Giganten. Da dieser jedoch von Herstellern wie Nokia, Sony, Ericsson, Motorola und Siemens dominiert wird, setzt HP auf eine radikal andere Netzarchitektur: Auf Wireless Lan (WLAN), den schnellen, soliden Datenfunk, der bislang meist in der Industrie und in geschlossenen Büronetzen eingesetzt wurde.
Die Zeit ist günstig, denn der WLAN- Sektor boomt. Immer mehr Hotels und Flughäfen bieten ihren Kunden den Internet-Zugang über drahtlose Hausnetze an. Wer eine kreditkartengroße Funkkarte ins Notebook steckt, kann damit in der Hotellobby oder im Flughafencafé E-Mails beantworten, Videos schauen oder im Internet surfen.
WLAN (auch bekannt als Wi-Fi oder IEEE 802.11) ist in vielen Punkten besser als UMTS: Die verwendete Frequenz muss nicht für Milliardensummen gekauft werden, die Datenübertragung ist mindestens fünfmal schneller, die Technik ist weit verbreitet und billig. Die Nachteile: Es gibt außer in wenigen Hotels, Kongresszentren oder Flughäfen keine Infrastruktur von WLAN- Antennen; die Reichweite der Sender ist gering und die nahtlose Übergabe von einem Lokalnetz ins nächste funktioniert nicht so reibungslos wie bei Mobiltelefonen (siehe Tabelle).
Deshalb würde HP am liebsten die bisher getrennten Mobilfunk- und WLAN-Netze in einem einzigen kleinen Mobilgerät zusammenführen. Dann könnten Surfer mit einer Art Superhandy von Netz zu Netz wechseln, ohne es zu merken. Die Vorteile sind klar: Während Telefonnetze fast flächendeckend verfügbar sein sollten, könnten WLAN- Netze zielgerichtet nur da aufgebaut werden, wo man sie braucht: in Innenstädten, in der Umgebung von Messezentren oder an Verkehrsknotenpunkten.
Für die Mobilfunkanbieter sind derartige Turbonetze eine Horrorvorstellung, denn sie könnten zu einer ernsthaften Konkurrenz für UMTS werden. Ein Kampf der Giganten kündigt sich an zwischen zwei entgegengesetzten Systemen: Während Mobilfunkdienste wie das japanische i-mode darauf setzen, zahlende Kunden durch exklusive Dienste in ihr abgeschottetes System zu locken, setzt HP auf radikale Offenheit. So wiederholt sich die Vorgeschichte des Internet Ende der sechziger Jahre: Der alte Konflikt zwischen den "Bellheads", also den zentralistisch organisierten Telefongesellschaften wie Bell Atlantic, und den "Netheads", den jungen Tüftlern, die das dezentrale Internet erfanden. [xxx]
Viele kleine Start-ups bieten bereits in Aachen, Wien, New York und anderswo lokale Minifunknetze an. Die Mobilfunker sind zutiefst verunsichert. Aus Angst, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben, investieren sie teilweise gegen ihre eigenen UMTS- Interessen in experimentelle WLAN- Projekte, so etwa die Telekom- Tochter VoiceStream, die British Telecom bis hin zur strauchelnden MobilCom.
HP dagegen hat nichts zu verlieren und viel zu gewinnen im neuen Marktsegment. "Wir wollen das Internet auf die Straße bringen", sagt Phil Stenton, 46, ein stiller Mann mit rötlichem Schnauzer, der die virtuelle Kakerlakenjagd auf dem Millennium Square aufmerksam verfolgt hat. Stenton koordiniert ein insgesamt 15 Millionen Euro teures Experiment namens "Mobile Bristol", zu dem auch Professor Mays Spiel als eines von vielen Mosaiksteinchen gehört. Derzeit lässt Stenton die Innenstadt zu einem Freiluftlabor umbauen, an vielen Stellen sind bereits die stabförmigen, weißen WLAN- Antennen installiert.
"In der Vergangenheit wurde oft einfach das technisch Machbare in den Markt gedrückt", sagt Stenton, der Psychologie studiert hat, bevor er vor 18 Jahren zu HP stieß. "Aber aus der derzeitigen Krise kommen wir nur raus, wenn wir genauer beobachten, was die Kunden wirklich wollen." Sein Freiluft- Experiment soll ein "technisches Biotop" sein, in dem sich die Netznutzer der Zukunft ganz ungezwungen "in freier Wildbahn" studieren lassen.
Konkurrenz für UMTS?
Vergleich der Funknetz-Systeme 1)
Stand: Juni 2002
Basis: Spiegel 25/2002, 17.6.2002, Seite 171. Ergänzt durch eigenes Wissen.Merkmal WLAN UMTS Anm. Netzart Lokale Funknetze. Großflächiges, digitales Mobilfunk- Netz. Übertragungs-
geschwindigkeitmax. 11 MBit/s, sagt die Praxis. max. 2 MBit/s, sagt die Theorie. Reichweite Rund 100 m. Rund 1 10 km. Verfügbarkeit Erprobte Technik, die in IEEE 802.11 genormt und bereits im Einsatz ist. Technik, die noch eingerichtet werden muß. Es gibt auch noch Entwicklungsbedarf. Mobilität Für mobile Nutzung, z. B. aus fahrenden Autos, ungeeignet. Auch für mobile Einwahl geeignet. Störungs-
anfälligkeitStörungsanfällig, da z. B. Mikrowellenherde diesselbe Frequenz verwenden. Erwartet wird eine weitgehende Störungsfreiheit. Datensicherheit Diese ist noch verbesserungswürdig. Vermutlich höher als beim WLAN. 1) Ja, insbesondere in Großstädten wird das WLAN dem UMTS den Rang ablaufen. Denn das offene Konzept stimmt. Und es ist natürlich richtiges Internet UMTS ist das nicht. Es wird aber eine Koexistenz mit dem (teureren) UMTS geben. Im Laufe des Sommers lädt Stenton Informatiker, Medienkünstler und Stadtplaner aus aller Welt ein, seine Infrastruktur kostenlos für ihre eigenen Projekte zu nutzen, frei nach dem Motto: UMTS- Dienste ohne UMTS- Technik. Geplant sind unter anderem ein Infodienst für den Nahverkehr und ein Stadtinformationssystem, das Touristen per Kopfhörer auf Stadtrundgängen zu verschiedenen Themen leitet, von "Nightlife" bis "Viktorianische Architektur". Rund 30 handgefertigte Cyberjacken liegen bereit, um neugierigen Normalnutzern Testläufe zu ermöglichen.
Derlei Spielereien könnten für HP der Einstieg in eine neue Gerätegeneration irgendwo zwischen Handy, Walkman und Netzrechner sein. Sobald der Technikpsychologe Stenton erkennen kann, welche Spiele und Dienste die Testpersonen mögen, sollen Produktdesigner das klobige Cyberjacket zu einem handlichen Kleingerät schrumpfen.
In dem Projekt treffen hemmungsloser Spieltrieb und strategische Weitsicht aufeinander, was die gegensätzlichen Charaktere seiner Väter widerspiegelt: Während der HP-Mann Stenton mit seiner leisen Stimme und dem biederen Karohemd wie ein vergrübelter Professor wirkt, liebt Professor May ein Leben auf der Überholspur: In seinem Büro liegen zwischen Fachliteratur und Patenturkunden wild verstreut auch Joggingschuhe und eine knallbunte Motorradmontur herum.
Seit etwa einem Jahr haben politische Graswurzelinitiativen offene Funknetze als Spielwiese entdeckt. Auf Dutzenden Internetsites lässt sich nachschlagen, wo überall private Hausnetze als öffentliche "Public Spots" freigeschaltet sind eine Art digitale Mitfahrgelegenheit, die jeder nutzen kann, der sich vor Ort im Empfangsbereich aufhält (unter anderen www.freenetworks.org oder www.mobileaccess.de). Dass ausgerechnet HP die Strategie dieser Kommunikations- Kommunarden teilt, mutet so skurril an, als würde Ron Sommer in eine Besetzer-WG ziehen.
Die Konzernspitze des Computerriesen jedenfalls sieht das Freilandexperiment in Bristol mit Wohlwollen. "Es wäre töricht, wenn sich die Branche nur auf ein einzelnes System wie UMTS verlassen würde", verkündet Dick Lampman, Chef der Forschungsabteilung von HP bei einem Besuch in Bristol: "Vielfalt siegt das gilt in der Natur genau wie in der Technik."
Für HP betreiben 800 Wissenschaftler Grundlagenforschung in aller Welt, rund ein Viertel davon in Bristol, untergebracht in futuristischen Gebäuden zehn Kilometer außerhalb der Stadt. Dass die Forschung an Funknetzen nicht im Zentrallabor in Palo Alto stattfinde, sondern in Europa, sei nur folgerichtig, so Lampman: "Was Mobilkommunikation angeht, hinken die USA furchtbar hinterher", sagt er und verdreht dabei theatralisch die Augen.
In Bristol dagegen denken die HP-Techniker bereits darüber nach, wie sie mit ihren WLAN- Geräten die Leistung von UMTS- Telefonen übertreffen können. Stentons Kollege Huw Oliver zum Beispiel entwickelt derzeit eine mobile Musiktauschbörse ähnlich wie Napster, mit der sich Songs von Handy zu Handy tauschen lassen: "Wir wollen den offenen Geist des Internet auf den Mobilfunk übertragen."
Doch immer wieder werden derlei luftige Visionen auf den Boden der Tatsachen geholt. Ihr Erfolg steht, fast buchstäblich, in den Sternen. Nach ein paar Tests muss der verkabelte Professor seine virtuelle Käferjagd abbrechen: Der GPS- Empfänger streikt. Der Forscher hat dafür eine fast astrologisch anmutende Erklärung parat: "Die Satelliten stehen heute ungünstig." [mehr]
Weitere Services im Rahmen des Archivs "t-off" von khd | ||
|
|
|
Hier gibt es keine gekauften Links! |
|