Bundeskartellamt Hinweis: Das Amt ist inzwischen nach Bonn umgezogen. |
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Dokumentiert und manches auch kommentiert [Ed: ...] sind hier:
Betr.: Tarifkonzept 96 der Deutschen Telekom AG.Sehr geehrte Damen und Herren,
Bitte teilen Sie mir mit, welche Aktivitäten Sie gegen das monopolistische Verhalten der inzwischen privaten Deutschen Telekom AG unternommen haben. Leider habe ich in der Öffentlichkeit keinerlei Aktivitäten Ihrerseits bemerken können.
Dabei ist es doch Ihr Auftrag jedenfalls habe ich das bisher so verstanden, Mißbrauch aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung zu unterbinden und das diskriminierende Verhalten eines Monopolisten zu ahnden.
Als Online-User und Privatkunde der Telekom bin ich Opfer sowohl einer unbegründeten, drastischen Preiserhöhung durch das "Tarifkonzept 96" als auch der geplanten Diskriminierung durch die großzügige Rabattierung der Geschäftskunden. Die Deutsche Telekom AG will Geschäftskunden für 0,08 DM/Tarifeinheit und mich für 0,12 DM/Tarifeinheit telefonieren lassen, was Sie nur aufgrund ihrer Monopolstellung durchsetzen kann. Ich verweise auf den freien Telekommunikations-Markt in den USA, wo selbstverständlich auch Privatkunden in den Genuß von Tarifvergünstigen kommen.
Die außergewöhnlich intensive und in wesentlichen Aussagen irreführende Werbekampagne (festgestellt durch das Landgericht Köln, Az: 3102/96) der Telekom in den letzten Wochen bewerte ich als einen deutlichen Mißbrauch von Monopolmacht.
Nun habe ich gehört, daß Sie Ihre Untätigkeit mit einer angeblich fehlenden Zuständigkeit zu rechtfertigen suchen. Ich halte es für äußerst bedenklich, wenn Kontrollinstanzen in unserer Demokratie Ihren Auftrag nicht mehr ernsthaft verfolgen sollten und vielleicht eher nach Gründen für die eigene Untätigkeit suchen, nur um die Regierung nicht zu verärgern.
Ihre Antwort werde ich zumindest im World-Wide-Web des Deutschen Internets veröffentlichen.
Mit freundlichem Gruß
Dipl.-Ing. Karl-Heinz Dittberner
(GeschZ: B 7 - 1/96 - 2 - 27)
[ Ed: Aus dieser Antwort geht nun ganz klar und deutlich hervor, daß der Bundespostminister (und damit auch die Bundesregierung) die volle Verantwortung für die drastischen, unsozialen Gebührenerhöhungen zum 1. Januar 1996 trägt. Die Telekom hat das "Tarifkonzept 96" nur beantragt. Der Minister hätte es so nicht genehmigen müssen. ]Sehr geehrter Herr Dittberner,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 18. Januar 1996.
Ihre Beschwerde über die vor allem beim Ortstarif wirklich erheblichen Gebührenanhebungen verstehe ich gut. Leider muß ich Ihnen aber mitteilen, dass wir rechtlich dagegen nichts tun können.
Ich bitte Sie zu verstehen, daß wir als eine nach rechtsstaatlichen Grundsätzen arbeitende Behörde nur im Rahmen unserer gesetzlich geregelten Zuständigkeit tätig werden können.
Der Telefondienst gehört noch bis Ende 1997 zum gesetzlichen Monopolbereich der Deutschen Telekom AG. Die Telekom kann daher die Telefongebühren nicht autonom festlegen, sondern muß ihre Gebühren durch den Bundesminister für Post und Telekommunikation genehmigen lassen. Der Gesetzgeber hat damit diesem die Aufgabe übertragen, zu prüfen, ob die Deutsche Telekom AG ihre gesetzliche Monopolstellung dazu ausnutzt, unangemessen hohe Preise zuverlangen. Für eine Preismißbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist nach dieser Entscheidung des Gesetzgebers daneben kein Raum.
Sie können aber Ihre Beschwerde an das
Bundesministerium fürrichten oder sich mit Ihrem Anliegen an den
Post und Telekommunikation
Heinrich-von-Stephan-Str. 1
53175 Bonn
Verband der Postbenutzer e.V.wenden.
Kaiserstraße 55
63065 Offenbach
[Ed: Neue Anschrift]
Mit freundlichen Grüßen
gez. Wendland
Das Bundeskartellamt informiert:Bundeskartellamt übt Kritik an genehmigten Telefontarifen
Das Bundeskartellamt und sein Präsident haben weder den Bundesminister für Wirtschaft noch die Bundesregierung wegen der jüngst ergangenen Regulierungsentscheidung zu den Telefongebühren im Orts- und Fernverkehr der Deutschen Telekom AG (DTAG) (Senkung der Preise um insgesamt 4,3 % in zwei Jahren) kritisiert. Die entsprechende Darstellung in der Süddeutschen Zeitung vom gestrigen Tage und die offenbar davon abgeleiteten Berichte von Agenturen und in den Medien sind insoweit unzutreffend.
Die diesbezügliche Kontroverse ist zwischen dem Bundeskartellamt und der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post entstanden: Das Bundeskartellamt hatte schriftlich schwere rechtliche Bedenken gegen die Absicht der Regulierungsbehörde vorgetragen, die Preise der DTAG für die nächsten vier Jahre ohne sachliche Prüfung zu genehmigen und insbesondere die Kostenstruktur im Ortsbereich der DTAG ungeprüft zu lassen. In diesem Sektor wird die DTAG noch für einige Zeit ein faktisches Monopol behalten. Ihr Gebührenaufkommen aus der Sprachtelefonie insgesamt beläuft sich auf ca 35 Mrd. DM jährlich. Nur ca. 40 % hiervon werden durch Ferngespräche erlöst. Nicht aufgedeckte und folglich auch nicht realisierte Preissenkungspotentiale aus dem faktischen Monopolbereich der Ortsgespräche könnten sich also leicht zu sehr erheblichen, vom Gesetz nicht legitimierten Mehreinnahmen der DTAG aufaddieren. Sie könnten von ihr u. a. zur Quersubventionierung im Sektor der Ferngespräche, in dem gerade Wettbewerb entsteht, eingesetzt werden und zu entsprechenden Wettbewerbsverzerrungen führen.
Das Bundeskartellamt hatte vorgeschlagen, die Regulierungsbehörde möge ihre Tarifgenehmigung lediglich befristet bis etwa Mitte des Jahres erteilen, um bis dahin die vom Gesetz vorgesehene umfassende Überprüfung der Kostenstruktur, insbesondere im Ortsnetzbereich, nachzuholen. Das ist nicht geschehen. Vielmehr hat die Regulierungsbehörde am Tag nach Eingang der Stellungnahme des Bundeskartellamtes in dem beanstandeten Sinne entschieden. Eine Reaktion auf die Bedenken des Amtes liegt bis heute nicht vor. Das nach dem Gesetz erforderliche Einvernehmen des Amtes zu Fragen der Marktbeherrschung und der Marktabgrenzung ist nicht eingeholt worden.
Das Bundeskartellamt informiert: [Original]Deutsche Telekom AG trägt den Bedenken des Bundeskartellamtes bei der Überlassung von Teilnehmerdaten Rechnung
Die Deutsche Telekom AG hat sich im Laufe des Verfahrens des Bundeskartellamtes wegen mißbräuchlichen Verhaltens bei der Überlassung von Teilnehmerdaten an Wettbewerber bereit erklärt, die Daten vollständig zur Verfügung zu stellen und die Preise hierfür erheblich zu senken.
Daraufhin konnte das Verfahren nun eingestellt werden. Teilnehmerdaten sind Datensätze, in denen Telefonnummern mit Informationen über einen konkreten Teilnehmeranschluß, wie z. B. Name und Adresse, verknüpft sind. Sie stellen damit das "Vorprodukt" dar, auf das Auskunftsdienste und Hersteller von Teilnehmerverzeichnissen angewiesen sind. Weil bislang praktisch alle Telefonkunden in Deutschland bei der Deutschen Telekom AG angeschlossen sind, verfügt nur die Deutsche Telekom AG über alle Datensätze der Anschlußkunden. Das Bundeskartellamt sah die Entgelte, die die Deutsche Telekom AG für die Überlassung ihrer Teilnehmerdaten von Wettbewerbern forderte, als deutlich überhöht an. Außerdem weigerte sich die Deutsche Telekom AG, bestimmte Datensätze z. B. Nebenstellen-Rufnummern an Wettbewerber zu geben, die damit eine eigene Datenbank aufbauen wollten.
Nun hat die Deutsche Telekom AG sich bereit erklärt, den Wettbewerbern alle verfügbaren Datensätze zugänglich zu machen. Außerdem senkt sie die Preise für ihre Teilnehmerdaten deutlich und verändert die zugrunde liegende Preisstruktur wesentlich. Die neue Preisstruktur zielt darauf, daß die Deutsche Telekom AG nur noch die Kosten, die ihr für die Erstellung und Aktualisierung der Datensätze entstehen, auf alle Auskunftsunternehmen die Deutsche Telekom AG selbst und ihre Wettbewerber verteilen kann. Verteilschlüssel ist die Zahl der tatsächlichen "Nutzungsfälle" also z. B. den Anfragen von Endkunden nach Telefonauskünften. Nun zahlt jedes Auskunftsunternehmen pro erteilter Auskunft und jeder Hersteller von Teilnehmerverzeichnissen pro produzierter Auflage einen bestimmten Betrag für die Nutzung der zugrundeliegenden Datensätze. Damit können Auskunftsdienste zu wirtschaftlichen Bedingungen auch eigene Datenbanken aufbauen und sich von der Datenbank der Deutschen Telekom AG unabhängig machen.
Durch das Einlenken der Deutschen Telekom AG verbessern sich die Voraussetzungen für das Entstehen von Wettbewerb auf den Märkten für Auskunftsdienste und Teilnehmerverzeichnisse entscheidend.
Bundeskartellamt nimmt Internet-Plattformen ins Visier
Autoindustrie dient als Musterfall / Zulieferer um Stellungnahmen gebeten
Aus: Yahoo-News, 25. Juli 2000, 13.57 Uhr (Internet). [Original]BONN. Die Gründung immer neuer Internet-Plattformen zur Warenbeschaffung in der Industrie hat jetzt das Bundeskartellamt auf den Plan gerufen. Kartellamtspräsident Ulf Böge kündigte am Dienstag in Bonn an, die Behörde werde am Beispiel der gemeinsamen Internet-Plattform der Automobilhersteller Ford, General Motors, DaimlerChrysler und Renault/Nissan die wettbewerbsrechtlichen Probleme derartiger E-Commerce-Lösungen untersuchen.
"Das Bundeskartellamt betritt mit der Prüfung von Internet-Plattformen Neuland", räumte Böge ein. Wichtig sei für die Behörde vor allem, wie die Zulieferer Fragen des freien Zugangs zur Plattform, der Gewährleistung der Vertraulichkeit des Datenaustausches und die Gefahr von Absprachen einschätzten, sagte Böge. Die Wettbewerbshüter hätten deshalb eine größere Zahl deutscher Automobilzulieferer um ihre Meinung gebeten.
Dabei nutzt das Kartellamt selbst die neuen Möglichkeiten des Internets. Auf der eigenen Homepage (http://www.bundeskartellamt.de/) präsentiert die Behörden den Zulieferern eine Beschreibung der geplanten Internet-Plattform "Covisint", die nach Angaben ihrer Gründer der gesamten Automobilindustrie, einschließlich der Zulieferer, als Kommunikationsplattform dienen und Dienstleistungen im Beschaffungswesen, im Zuliefermanagement und in der Produktentwicklung zur Verfügung stellen soll.
Böge bezeichnete "Covisint" als Musterfall, mit dem die Wettbewerbshüter erstmals eine öffentliche Diskussion über die boomenden Business-to-Business- Plattformen erreichen wollten. Denn offensichtlich bestehe die Gefahr einer verbotenen Nachfragebündelung oder unzulässiger Zugangsbeschränkungen. "Ein Kartell bleibt auch im Internet ein Kartell", warnte Böge.
Der Kartellamtspräsident kündigte an, die Behörde werde von sich aus auf Initiatoren von Internet-Plattformen zugehen, um mögliche Gefahren für den Wettbewerb zu diskutieren, "damit die Unternehmen nicht in Kartellverfahren hineinlaufen". Ziel des Kartellamts sei es, das wettbewerbsbelebende Element des Internets zu fördern.
Das Bundeskartellamt informiert: [Original]Bundeskartellamt mahnt Zusammenschlussvorhaben Liberty Media/KDG ab
Nach der vorläufigen Einschätzung des Bundeskartellamtes führt das Zusammenschlussvorhaben Liberty Media/KDG (Breitbandkabelnetze der Deutsche Telekom AG u. a.) zur Verstärkung marktbeherrschender Stellungen auf dem Markt für die Belieferung von Endkunden mit Rundfunksignalen (Endkundenmarkt Kabelfernsehen), dem Markt für die Einspeisung von Signalen in Breitbandkabelnetze (Einspeisemarkt) und dem Markt für die Belieferung der Netzbetreiber der Netzebene 4 mit Signalen der Netzebene 3 (Signallieferungsmarkt). Kartellamtspräsident Ulf Böge: "Die Abmahnung bedeutet noch keine endgültige Entscheidung. Nach der Analyse des Bundeskartellamtes haben die Unternehmen jedoch bislang nicht nachweisen können, dass die negativen Wirkungen auf den Kabelmärkten durch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen auf anderen Märkten überwogen werden."
Auf dem Endkundenmarkt für das Kabelfernsehen (Lieferungen von Fernsehsignalen an Haushalte) ist nach dem Zusammenschluss nicht mehr zu erwarten, dass Liberty einschließlich ihrer bereits heute beherrschten Kabelnetzbetreiber EWT/Primacom und der übernommene Endkundenbereich von KDG in Wettbewerb zueinander treten. Gleiches gilt für den potentiellen Durchleitungswettbewerb. Die von Liberty geplante Verteilung von Decodern führt zu einer Bindung der Kunden an Liberty als dem Eigentümer und Betreiber des Decoders. Die Marktzutrittsschranken werden erhöht, da ein neuer Kabelnetzbetreiber für einen Austausch des Decoders sorgen müsste. Denn die Decoder verbleiben im Eigentum von Liberty und sind lediglich geeignet, Signale von Liberty zu entschlüsseln. Der Zusammenschluss würde ferner zu einem im Vergleich zu anderen Netzbetreibern besseren Zugang von KDG zu Inhalten führen, und zwar sowohl in bezug auf Inhalte von mit Liberty Media verflochtenen Unternehmen (z. B. Discovery Communications, UPC, QVC, News Corp.) als auch von sonstigen Unternehmen. Die von Liberty angebotenen Fernsehprogramme sind zwar in Deutschland noch von geringer Bedeutung. Es ist aber zu erwarten, dass sie nach einem Markteintritt von Liberty in Deutschland beträchtliche Bedeutung erlangen werden. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass Liberty Media nach einem Zusammenschluss der größte Nachfrager von Inhalten in Deutschland sein wird.
Die marktbeherrschende Stellung von KDG auf dem Markt für die Einspeisung von Inhalten in das Kabelnetz wird durch die Kombination mit den Inhalteaktivitäten von Liberty verstärkt. Da Liberty rund 60% aller Breitbandkabelkunden in Deutschland versorgen würde, und das Netz zum Vertrieb eigener Inhalte nutzen wird, würde der Zusammenschluss auch insoweit zu einer Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung führen.
Nach der sogenannten Abwägungsklausel ist ein Zusammenschluss trotz der erwarteten Entstehung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung freizugeben, wenn die beteiligten Unternehmen nachweisen, dass durch den Zusammenschluss auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten, welche die Nachteile der Markbeherrschung überwiegen (§ 36 Abs. 1, 2.Halbsatz GWB).
Die Verbesserungen, die sich nach Auffassung von Liberty auf dem Markt für Sprachtelefonie ergeben sollen, sind nach Auffassung der Beschlussabteilung nicht hinreichend nachgewiesen. Insbesondere erscheint fraglich, ob auf dem Internet- Protokoll basierende Sprachtelefonie- Dienstleistungen innerhalb des der Prüfung zugrunde liegenden Prognosezeitraums in ausreichenden Maß realisiert werden können.
Auf dem Endkundenmarkt für Pay-TV führt der Zusammenschluss zu keiner nennenswerten Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen. Wegen der Verflechtungen zwischen Liberty und Kirch (Liberty hält eine bedeutende Minderheitsbeteiligung an News Corp., die wiederum über BSkyB mit Kirch Pay-TV verbunden ist) und der gegenseitigen Abhängigkeiten ist nicht anzunehmen, dass wesentlicher Wettbewerb zwischen diesen Anbietern herrscht. Verbesserungen auf dem "Markt für die Lieferung von Pay-TV Kanälen an Pay-TV- Veranstalter" sind nicht zu erkennen. Ein monopolistischer Plattformbetreiber (Premiere World) würde durch zwei monopolistische Plattformbetreiber (Liberty für den Kabelbereich und Premiere World für den Satelliten- Bereich) ersetzt. Außerdem sieht das Geschäftsmodell eine exklusive Kundenbeziehung bei Liberty vor. Im Bereich der KDG- Netze wäre Liberty deshalb der einzige Anbieter von Pay-TV.
Soweit es durch den Einstieg von Liberty zu Verbesserungen auf den Märkten für den breitbandigen Internet- Zugang (Verbesserungsmärkte) kommt, überwiegen diese die negativen Auswirkungen auf den Kabelmärkten (Verschlechterungsmärkte) nicht. Zu bedenken ist, dass die Kabelmärkte heute weitgehend monopolistisch geprägt sind, wohingegen die Internet- Märkte junge und wachsende Märkte sind, bei denen mit einer Verstärkung des Wettbewerbs eher gerechnet werden kann. Liberty beabsichtigt, das Kabelnetz zunächst nicht voll auszubauen. Das Bundeskartellamt hat Zweifel, ob Liberty tatsächlich das wettbewerbliche Potential des Kabelnetzes auf den von der Deutschen Telekom beherrschten Märkten für Internet- Zugang und Telefonie nutzen wird.
[Die Liberty-Abmahnung des Kartellamts im Wortlaut]
Einer, der sich mit allen anlegt
Ulf Böge, Präsident des Bundeskartellamts, schreckt nicht davor zurück, sich mit den Großkonzernen des Landes anzulegen. Im Moment sind dies die Gasgesellschaften. Ihnen will er die langfristigen Lieferverträge untersagen, mit denen sie Regionalversorger an sich binden. Böge will so die Marktmacht der Gasunternehmen brechen.
Aus: Handelsblatt, Düsseldorf, 14. September 2005, 11.00 Uhr MESZ (Köpfe). [Original]BONN (HBl). Der Feind hört mit: Als der Präsident des Bundeskartellamts, Ulf Böge, gestern in Bonn den Journalisten Neuigkeiten in seinem Kampf für mehr Wettbewerb auf dem Gasmarkt verkündet, sitzt eine kleine Abordnung von Deutschlands größter Gasgesellschaft, Eon Ruhrgas, mit im großen Konferenzsaal des altehrwürdigen Gebäudes, des früheren Bundespräsidialamts. Es geht um viel für das Unternehmen. Böge geht gegen die langfristigen Lieferverträge vor, mit denen Importeure wie Eon Ruhrgas Stadtwerke und Regionalversorger langfristig an sich gebunden haben. Setzt sich Böge durch, muss der Marktführer zahlreiche Verträge ändern. Er dürfte Marktanteile verlieren.
Die Stimmung zwischen dem Wettbewerbshüter und der Eon-Ruhrgas- Führung ist angespannt. In mehreren Interviews hat Böge in den vergangenen Tagen seine Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, die Marktmacht der Platzhirsche zu brechen. Eon-Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann konterte und warf dem umtriebigen Kontrahenten vor, in die Vertragsfreiheit einzugreifen, und drohte schon mal vorsorglich mit rechtlichen Schritten.
Ob ihn das geärgert habe, wird Böge dunkler Anzug, gedeckte Krawatte von einem der zahlreichen Journalisten gefragt. "Nein", beschwichtigt er, "es liegt mir fern, mich über etwas zu ärgern." Auch hätte er die kurzfristig anberaumte Pressekonferenz unabhängig von Bergmanns Attacke veranstaltet, beteuert Böge. Glaubhaft klingt das nicht.
Unmissverständlich sagt er dagegen in die vielen Mikrofone und Fernsehkameras: "Es hängt letztlich an Eon-Ruhrgas, ob wir zu einer Einigung kommen." Die Behörde hat Vorschläge unterbreitet, wie Verträge künftig ausgestaltet werden können. Bis zum 21. September müssen sich die Gasimporteure äußern.
Böge schreckt nicht davor zurück, sich mit den Großkonzernen des Landes anzulegen. Besonders der Energiemarkt bietet interessante Angriffsziele. Allerdings hat Böge den Konzernen mit ihren Stäben aus internen und externen Beratern nur ganze sechs Referenten seines Hauses für den Bereich Energiemarktaufsicht entgegenzusetzen. Die Ungleichheit der Waffen zwingt zum Spiel über die Bande: Böge setzt auf die Macht der Worte, gibt gerne Interviews und lädt zu Pressekonferenzen ein. Häufig prescht er schneller vor, als es seinen Mitarbeitern lieb ist. Böge leitet zuweilen Missbrauchsverfahren ein, noch bevor seine Beschlusskammern die Vorlagen komplett fertig haben.
Mit seinem derzeitigen Hauptgegner aus der Gaswirtschaft, dem Marktführer Eon-Ruhrgas, verbindet der 63-Jährige, der die Leitung des Bundeskartellamts 2000 übernahm, ungute Erinnerungen. Sie erklären, warum er derzeit besonders engagiert dafür kämpft, den deutschen Gasmarkt zu öffnen.
Böge hatte im Januar 2002 den Einstieg von Eon bei der Essener Ruhrgas AG untersagt. Wenig später musste er erleben, dass seine Entscheidung durch eine Ministererlaubnis aufgehoben wurde. Der damalige Wirtschaftsminister Werner Müller wie Böge parteilos hatte die Entscheidung an seinen Staatssekretär Alfred Tacke, den heutigen Chef der RAG-Tochter Steag, delegiert. Müller ist heute RAG-Chef.
Es dürfte dem Kartellamtschef sehr zu schaffen machen, dass die Unternehmen oft den direkten Kontakt zum Bundeswirtschaftsministerium suchen, in dessen Geschäftsbereich das Kartellamt fällt. Böge hat den Schutz des Wettbewerbs zu seinem höchsten Ziel erkoren. Wirtschaftsminister wie Werner Müller und sein Nachfolger Wolfgang Clement handeln dagegen getreu der Devise, den deutschen Konzernen dürften keine Fesseln angelegt werden. Ein Kenner des Kartellamts berichtet: Wenn Böge die Energiemanager bei Besprechungen zu hart anpackte, rief kurze Zeit später das Bundeswirtschaftsministerium an.
Dass Böges Verhältnis zum Wirtschaftsministerium nicht immer ungetrübt ist, wird durch einen weiteren Fall deutlich: Vor 2 Jahren erteilte Minister Clement Böges Streben nach größeren Zuständigkeiten für sein Amt überraschend eine Absage. Böge hätte gerne die Kontrolle über die Strom- und Gasnetze übernommen. Doch Clement entschied im Sommer 2003, die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegPT), die seit Juli 2005 Bundesnetzagentur heißt, mit dieser Aufgabe zu betrauen. Lange Zeit hatte es so ausgesehen, als werde Böge das Rennen machen. Wettbewerbsrechtler sprachen damals von einem "herben Bedeutungsverlust" für den Kartellamtspräsidenten.
Schwacher Trost für den Präsidenten: Es gibt mit der Bundesnetzagentur nur eine Einrichtung, die für die Liberalisierung und Deregulierung in den Infrastrukturmärkten Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen sorgen soll und nicht gleich mehrere. Auch diese Lösung war vorübergehend im Gespräch.
Überhaupt unterstellt niemand dem stets sachlich und nüchtern auftretenden Böge, er habe die Kontrolle über die Netze übernehmen wollen, um seinen Machtbereich zu vergrößern. Vielmehr argumentierte Böge sachbezogen: Die Aufgabe gehöre rein systematisch unter das Dach des Bundeskartellamtes eine Einschätzung, die von vielen Fachleuten geteilt wurde.
Der studierte Volkswirt hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe spektakulärer Verfahren gegen Wettbewerbsverstöße geführt. Zu seinen Lieblingsfeinden zählt die Transportbeton- Branche, die Böge wegen unerlaubter Preisabsprachen aufs Korn nahm. Er mahnte die Lufthansa wegen ihrer Kampfpreise auf der Strecke Frankfurt-Berlin ab und stellte das Verpackungsverwertungsunternehmen "Duales System Deutschland" wegen dessen Quasi-Monopolstellung in Frage.
Auch beim Thema Medienfusionen reagiert Böge sehr sensibel. So versagte er im Dezember 2002 die Übernahme der Berliner Zeitung durch die Stuttgarter Holtzbrinck- Gruppe. Die Sache wird jetzt vor dem Bundesgerichtshof ausgefochten. Er warnte vor der Aushöhlung der seit 1976 geltenden Pressefusionskontrolle, mit der man "sehr gute Erfahrungen gemacht" habe.
Ein weiteres wichtiges Votum Böges steht bald an. Als Springer in diesem Sommer die Übernahme der TV-Gruppe Pro Sieben Sat 1 ankündigte, ging Böge sogleich auf Distanz. Man sei mit einer crossmedialen Verflechtung von Print und TV konfrontiert, "die wir bisher in Deutschland so nicht kannten". Man werde dieses Vorhaben "vertieft prüfen". Ende des Jahres kennen wir das Ergebnis.
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