BVerfGE ist die amtliche Sammlung der
Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen.
Das Ding wird einfach BVerfGE 28, 66
zitiert.
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Gericht: BVerfG 2. Senat Datum: 1970-02-24
Az: 2 BvL 12/69
Az: 2 BvR 665/65
Az: 2 BvR 26/66
Az: 2 BvR 467/66
NK: GG Art 80 Abs 2
L e i t s a t z
1. Das Erfordernis der Zustimmung des BR zu Rechtsverordnungen der BReg
oder eines Bundesministers ueber Grundsaetze und Gebuehren fuer die
Benutzung der Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens nach GG Art 80
Abs 2 kann nur durch ein Bundesgesetz, das mit Zustimmung des BR ergeht,
ausgeschlossen werden.
2. Diese Entscheidung hat Gesetzeskraft.
F u n d s t e l l e
BVerfGE 28, 66 (LT1)
DOEV 1970, 338 (LT1)
BayVBl 1970, 361 (LT1)
BB 1970, 514 (LT1)
Diese Entscheidung wird zitiert von:
BVerwG 1981-04-14 7 B 197/80 Anschluss
BVerfG 1989-06-06 1 BvR 727/84 Vergleiche
BVerfG 1972-04-12 2 BvR 704/70 Vergleiche
NJW 1986, 2813-2814, Kremer, Eduard
T e n o r
Par 14 des Gesetzes ueber die Verwaltung der Deutschen Bundespost vom 24.
Juli 1953 (Bundesgesetzbl. I S. 676) ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
Die Verfassungsbeschwerden werden zurueckgewiesen.
G r u e n d e
A.-I.
Der Bundesminister fuer das Post- und Fernmeldewesen hat durch Verordnung
vom 15. Juli 1964 (im folgenden: Gebuehrenverordnung 1964) - BAnz. Nr.
131 vom 21. Juli 1964 - auf Grund des Par 14 des Gesetzes ueber die
Verwaltung der Deutschen Bundespost vom 24. Juli 1953 (im folgenden:
Postverwaltungsgesetz oder PostVwG) - BGBl. I S. 676 - die
Fernsprechgebuehrenvorschriften dahin geaendert, dass mit Wirkung vom 1.
August 1964 u. a. die Grundgebuehren um jeweils 50 % und die
Ortsgespraechsgebuehr sowie die Gebuehreneinheit im Selbstwaehlferndienst
von 0,16 DM auf 0,20 DM erhoeht wurden.
Die Erhoehung ist durch eine weitere Verordnung vom 26. November 1964 (im
folgenden: 2. Gebuehrenverordnung 1964) - BAnz. Nr. 223 vom 28.
November 1964 - zum Teil insofern wieder rueckgaengig gemacht worden, als
mit Wirkung vom 1. Dezember 1964 die Ortsgespraechsgebuehr und die
Gebuehreneinheit im Selbstwaehlferndienst auf 0,18 DM herabgesetzt wurden.
Par 14 PostVwG lautet wie folgt:
Der Bundesminister fuer das Post- und Fernmeldewesen erlaesst nach
Massgabe der Beschluesse des Verwaltungsrates oder der Bundesregierung
(Par 13) die Rechtsverordnungen ueber die Bedingungen und
Gebuehren fuer die Benutzung der Einrichtungen des Post- und
Fernmeldewesens (Benutzungsverordnungen), die Rechtsverordnungen
ueber Gebuehren im Einvernehmen mit dem Bundesminister fuer Wirtschaft,
die Rechtsverordnungen ueber Gebuehren fuer den Postreisedienst
im Einvernehmen mit dem Bundesminister fuer Verkehr. Die
Benutzungsverordnungen beduerfen nicht der Zustimmung des Bundesrates.
II.
Der Klaeger des Ausgangsverfahrens im vorliegenden Normenkontrollverfahren
hat beim Verwaltungsgericht Kassel nach erfolglosem Vorverfahren die
gerichtliche Entscheidung ueber Fernmeldegebuehrenrechnungen des
Fernmeldeamts Kassel aus dem Jahre 1968 nachgesucht. Das
Verwaltungsgericht hat zunaechst wegen der vom Klaeger behaupteten Maengel
an den technischen Zaehleinrichtungen Beweis erhoben und ist zu dem
Ergebnis gekommen, dass die angefochtenen Gebuehrenrechnungen den
Bestimmungen der Fernsprechordnung vom 24. November 1939 - FernsprO -
(Amts- blatt des Reichspostministeriums S. 859) in der fuer den
Abrechnungszeitraum gueltigen Fassung der 2. Gebuehrenverordnung 1964
entsprechen; die den Rech- nungen zugrunde gelegten Gebuehreneinheiten
seien nicht zu beanstanden. Die Klage sei deshalb an sich abzuweisen. Das
Gericht ist jedoch der Auffassung, dass es fuer die Festsetzung der
Gebuehren an einer ausreichenden Rechtsgrundlage fehle, weil Par 14 PostVwG
gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verstosse. Das Gericht hat deshalb das
Verfahren mit Beschluss vom 21. Februar 1969 ausgesetzt und dem
Bundesverfassungsgericht gemaess Art. 100 Abs. 1 GG die Frage zur
Entscheidung vorgelegt, ob Par 14 PostVwG in der zur Zeit geltenden Fassung
mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist. Zur Begruendung fuehrt es im
einzelnen aus:
a) Es fehle an der Bestimmtheit des Ausmasses der in Par 14 Post- VwG
enthaltenen Ermaechtigung. Dieses Ausmass ergebe sich entgegen den
Ausfuehrungen des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Grundsatzurteil
vom 6. Oktober 1967 (BVerwGE 28, 36 (44, 48/49)) nicht aus den sonstigen
Vorschriften im Postverwaltungsgesetz, den Postvertraegen und der
historischen Entwicklung unter Beruecksichtigung der bisherigen
Verordnungspraxis. Die ParPar 15 bis 20 PostVwG im Abschnitt "Haushalt-
und Finanzwesen" enthielten im wesentlichen nur
Formvorschriften, sagten aber nichts ueber die Frage, in welchem Umfang die
Deutsche Bundespost jeweils berechtigt und verpflichtet sei, Eigenkapital zu
bilden oder sich durch Fremdmittel zu finanzieren. Die insoweit bestehende
Entscheidungsfreiheit des Verordnunggebers werde auch nicht durch die
Bestimmungen ueber die Bildung von Ruecklagen nach Par 20 PostVwG hinreichend
eingeschraenkt.
b) Die in Par 21 PostVwG vorgesehenen Ablieferungen aus den
Betriebseinnahmen an den Bund seien zwar historisch begruendet als Beitrag
der Post fuer das ihr gewaehrte Monopol. Da jedoch die Bundespost ein
Sondervermoegen ohne eigene Rechtspersoenlichkeit sei, muesse der
Bundespostminister die Postgebuehren von vornherein so kalkulieren, dass
letztlich an den Bundeshaushalt mindestens 6 % der Betriebseinnahmen als
Gewinn abgefuehrt werden koennten; es sei zweifelhaft, ob in Hoehe dieses
Anteils nicht eine "verdeckte" Steuererhebung erfolge, zu der nach Art.
108 GG die Deutsche Bundespost nicht berechtigt sei.
c) Das Ausmass der Ermaechtigung sei auch deshalb nicht hinreichend
bestimmt, weil es keinerlei gesetzliche Regelung darueber gebe, ob die
Deutsche Bundespost den Haushalt ihrer einzelnen zahlreichen
Dienstleistungszweige jeweils fuer sich gesondert ausgleichen muesse oder
insoweit den ueberkreuzenden Kostenausgleich anzuwenden duerfe, indem ein
Defizit bei einzelnen Dienstleistungszweigen mit niedrigeren Gebuehren
durch UEberschuesse in anderen Dienstleistungszweigen mit hoeheren
Gebuehren wieder ausgeglichen werde.
III.
1. Die drei Beschwerdefuehrer sind Fernsprechteilnehmer und haben die
ihnen nach Erlass der Gebuehrenverordnung 1964 zugegangenen erhoehten
Fernmelderechnungen beanstandet. Die Beschwerdefuehrer B... und J...
haben die Rechnungen fuer den Monat August 1964 zwar zunaechst bezahlt, um
eine Sperrung ihrer Anschluesse zu vermeiden, dann aber den Betrag, um den
die Gebuehren durch die Gebuehrenverordnung 1964 erhoeht waren, durch Klage
beim Amtsgericht von der Deutschen Bundespost zurueckverlangt. Im Fall B
... wies das Amtsgericht Frankfurt/ Main die ueber insgesamt 18,98 DM
erhobene Klage durch Schiedsurteil vom 23. Oktober 1965 - 319 C 1614/64 -
ab; die Klage des Beschwerdefuehrers J ... auf insgesamt 6.- DM wies das
Amtsgericht Duesseldorf durch Schiedsurteil vom 1. September 1965 - 18 C
427/65 - ebenfalls ab. Der Beschwerdefuehrer Dr. S... hat seine Rechte
nach erfolglosem Widerspruch im Verwaltungsstreitverfahren verfolgt. Das
Verwaltungsgericht Hamburg hat seine Klage durch Urteil vom 12. Januar
1966 - V VG 179/65 abgewiesen; Berufung und zugelassene Revision blieben
erfolglos.
2. In allen drei Faellen haben die Beschwerdefuehrer gegen die ergangenen
Urteile Verfassungsbeschwerde erhoben. Sie ruegen die Verletzung ihrer
Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1, 3 und 14 GG. Sie sind der Auffassung, die
Gebuehrenverordnung 1964 sei ungueltig, weil sie gegen Art. 80 Abs. 2 GG
verstosse; ausserdem sei ihre Ermaechtigungsgrundlage (Par 14 PostVwG)
wegen Verstosses gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungswidrig. Im
einzelnen tragen die Beschwerdefuehrer unter Hinweis auf Bettermann (BB
1965 S. 65 ff.), Jecht (DOEV 1964, S. 545) und Maunz-Duerig (Kommentar
zum GG, Anm. 23 zu Art. 80) vor:
a) Die Gebuehrenverordnung 1964 verstosse gegen Art. 80 Abs. 2 GG, weil
sie ohne Zustimmung des Bundesrates ergangen sei. Der Vorbehalt
anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung in dieser Vorschrift bedeute
nicht, dass das dort ausdruecklich genannte Zustimmungserfordernis ohne
Zustimmung des Bundesrates beseitigt werden koenne. Deshalb haette das
Postverwaltungsgesetz, dessen Par 14 im letzten Satz bestimme, dass die
Benutzungsverordnungen nicht der Zustimmung des Bundesrates beduerfen,
seinerseits nicht ohne Zustimmung des Bundesrates erlassen werden duerfen.
b) Selbst wenn Par 14 PostVwG nicht als zustimmungsbeduerftige Vorschrift
angesehen werde, sei sie wegen Verstosses gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG
verfassungswidrig, weil Inhalt, Zweck und Ausmass der dem Verordnunggeber
erteilten Ermaechtigung im Gesetz nicht genuegend bestimmt seien.
Insbesondere das Ausmass der Ermaechtigung sei nicht voraussehbar, so dass
der einzelne Fernsprechteilnehmer einer willkuerlichen Gebuehrenregelung
ausgesetzt sei. Dies ergebe sich vor allem aus der Tatsache, dass der
Dienstleistungszweig Fernmeldewesen seit jeher Ueberschuesse abwerfe, die
dann zum Ausgleich von Defiziten anderer Dienstleistungszweige der
Deutschen Bundespost verwendet wuerden. Da diese Defizite erheblichen
Schwankungen unterlaegen, sei nicht voraussehbar, in welchem Umfang z. B.
die Telefongebuehren jeweils manipuliert wuerden, um den angestrebten
Ausgleich des Gesamthaushaltes der Deutschen Bundespost zu erreichen.
Dadurch wuerden sowohl das fuer die Gebuehrenerhebung bedeutsame
Kostendeckungsprinzip als auch das AEquivalenzprinzip verletzt. Abgesehen
von der wie in allen nach wirtschaftlichen Grundsaetzen gefuehrten
Gewerbebetrieben zu fordernden Kostendeckung innerhalb eines selbstaendigen
Dienstleistungszweiges habe die Gebuehrenerhoehung insofern eine
abschreckende Wirkung, als sich viele Fernsprechteilnehmer die Frage
stellten, ob sie sich kuenftig noch ein Telefon leisten koennten. Auch
darin liege ein Eingriff in die nach Art. 2 Abs. 1 GG geschuetzte
Handlungsfreiheit; zugleich verstosse die Regelung mittelbar gegen die Art.
3 und 14 GG. Denn dieser Abschreckungswirkung stehe keine verbesserte
Gegenleistung gegenueber.
c) Bei der Gebuehrenerhoehung handle es sich um eine verdeckte Steuer; sie
sei zur Erfuellung der Aufgaben im Telefondienst nicht erforderlich,
sondern werde vielmehr ausser zum Ausgleich defizitaerer anderer
Dienstleistungszweige dazu benutzt, die Ablieferungspflicht der Post
gegenueber dem Bund nach Par 21 PostVwG zu erfuellen. Steuerlasten seien
aber von der Allgemeinheit und nicht nur von einem begrenzten Personenkreis
- hier den Fernsprechteilnehmern - zu tragen; sie duerften ueberdies nicht
vom Bundespostminister auferlegt werden. Darueber hinaus wirke sich die
fuer alle Fernsprechteilnehmer gleiche Gebuehrenerhoehung ohne die
Moeglichkeit einer Staffelung nach sozialen Gesichtspunkten zu einer
verschiedenen Belastung des einzelnen aus, die das Sozialstaatsprinzip in
Verbindung mit der persoenlichen Handlungsfreiheit des einzelnen und das
Prinzip der Verhaeltnismaessigkeit verletze.
d) Der Beschwerdefuehrer J... ruegt schliesslich die Gebuehrenerhoehung
zumindest hinsichtlich der Grundgebuehr auch insoweit als
verfassungswidrig, als sie gemaess Par 2 Gebuehrenverordnung 1964 in
Verbindung mit Par 18 Abs. 2 FernsprO wegen Fehlens eines
ausserordentlichen Kuendigungsrechts von dem einzelnen Fernsprechteilnehmer
fruehestens zum 1. September 1964 durch eine fristgemaesse Kuendigung
wieder haette abgewendet werden koennen. Der Eingriffsakt hinsichtlich der
Grundgebuehr fuer August 1964 sei nach dem auch fuer hoheitliche
Gebuehrenerhoehungen massgebenden rechtsstaatlichen Grundsatz des
Vertrauensschutzes nicht gerechtfertigt.
IV.
Der Bundesminister fuer das Post- und Fernmeldewesen hat sich wie folgt
geaeussert:
1. Die Verfassungsbeschwerden B... und J... seien unzulaessig. Der
Beschwerdefuehrer B... habe formell nur die Verletzung des Art. 14 GG
geruegt, der nach der staendigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts durch die Auferlegung von Geldleistungspflichten
nicht verletzt sein koenne. Die Verfassungsbeschwerde des
Beschwerdefuehrers J... richte sich ihrem Wortlaut nach nur gegen die
Gebuehrenverordnung 1964, nicht jedoch auch gegen das Urteil des
Amtsgerichts Duesseldorf vom 1. September 1965. Ausserdem sei
zweifelhaft, ob sich der Beschwerdefuehrer J... auf eine Verletzung des
Art. 2 Abs. 1 GG berufen koenne. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar
wiederholt ausgesprochen, dass jedermann im Wege der Verfassungsbeschwerde
geltend machen koenne, ein ihn in seiner Handlungsfreiheit beschraenkendes
Gesetz gehoere nicht zur verfassungsmaessigen Ordnung. Es habe sich aber
bei den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Faellen durchweg um
solche der Eingriffsverwaltung gehandelt; es bleibe also offen, ob die
genannten Grundsaetze auch im Bereich der gewaehrenden Verwaltung
anzuwenden seien.
2. Jedenfalls seien die Verfassungsbeschwerden und auch die Vorlage des
Verwaltungsgerichts Kassel unbegruendet:
a) Art. 80 Abs. 2 GG schreibe zwar fuer Rechtsverordnungen eines
Bundesministers ueber Grundsaetze und Gebuehren fuer die Benutzung von
Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens die Zustimmung des Bundesrates
vor; dies gelte jedoch nur "vorbehaltlich anderweitiger bundesgesetzlicher
Regelung". Fuer diese anderweitige Regelung, die in Par 14 Satz 2 PostVwG
getroffen worden sei, beduerfe es nicht der Zustimmung des Bundesrates, da
die Faelle, in denen die Zustimmung des Bundesrates zu einem Gesetz
erforderlich sei, im Grundgesetz abschliessend enumerativ aufgefuehrt
seien. Ein Hinweis auf die Zustimmungsbeduerftigkeit der "anderweitigen
bundesgesetzlichen Regelung" fehle aber in Art. 80 Abs. 2 GG.
b) Im uebrigen habe der Bundesrat das Zustandekommen des
Postverwaltungsgesetzes in seiner entscheidenden Sitzung vom 19. Juni 1953
mit Mehrheit gewollt. Die etwa notwendige Zustimmung muesse daher nach den
Ausfuehrungen des Bundesverfassungsgerichts in dem Beschluss vom 12.
November 1958 (BVerfGE 8, 274 (297)) als erteilt angenommen werden.
c) Par 14 PostVwG verstosse auch nicht gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG.
aa) Der Zweck der Ermaechtigung lasse sich eindeutig aus dem Zusammenhang der
Vorschriften des Postverwaltungsgesetzes, insbesondere aus dessen Par 15
ermitteln, wonach die Bundespost ihren Haushalt so aufzustellen und
durchzufuehren habe, dass sie die zur Erfuellung ihrer Aufgaben und
Verpflichtungen notwendigen Ausgaben aus ihren Einnahmen bestreiten koenne.
Diese Einnahmen ergaeben sich wiederum nur aus den verschiedenen
Gebuehrenaufkommen.
bb) Das Ausmass der Gebuehren werde durch das AEquivalenzprinzip
entscheidend mitbestimmt, in dessen Rahmen sowohl Par 2 (Beachtung der
Grundsaetze der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der Bundesrepublik)
als auch die ParPar 20 (Ruecklagenbildung) und 21 (Ablieferungspflicht an
den Bund) PostVwG in Verbindung mit der historisch gewachsenen
Verordnungspraxis zu beruecksichtigen seien.
cc) Soweit das Verwaltungsgericht Kassel das Fehlen von ins einzelne
gehenden Vorschriften ueber Eigenkapitalbildung, Fremdfinanzierung und den
Kostenausgleich zwischen den einzelnen Dienstleistungszweigen der
Bundespost ruege, ueberspanne es die Anforderungen an den
Bestimmtheitsgrundsatz. Bei einer derart grossen, staendigen
Veraenderungen und vielschichtigen sozialpolitischen Verpflichtungen
unterworfenen Leistungsverwaltung wie der Bundespost duerften die Grenzen
fuer die Gebuehrenpolitik nicht zu eng gezogen werden. Es muesse vielmehr
die Moeglichkeit bestehen, betriebs- und finanzwirtschaftliche Grundsaetze
unter Beruecksichtigung des gesetzlich fixierten Monopols und der sonstigen
politischen Verpflichtungen jeweils entsprechend anzuwenden. Dazu gehoere
auch die Gewinnerzielung zum Zwecke der Eigenkapitalbildung, mit deren
Hilfe ueber Investitionen auf lange Sicht sogar eine Gebuehrensenkung zu
erzielen sei.
dd) Abwegig sei schliesslich die Auffassung des Beschwerdefuehrers Dr.S
..., die Gebuehrenerhoehung sei wegen der in Par 21 PostVwG bestimmten
Ablieferungspflicht an den Bund teilweise eine "verkappte Steuer". Nach
betriebs- und finanzwirtschaftlichen Grundsaetzen seien Steuern ebenso wie
personelle und sachliche Kosten in allen Faellen kostenbildende Faktoren,
die bei der Bemessung von Preisen und Gebuehren, den Entgelten von Waren
und Dienstleistungen, beruecksichtigt werden muessten, ohne dass hierdurch
Preise oder Gebuehren zu einer "Steuer" wuerden.
3. Die Gebuehrenordnung 1964 selbst ueberschreite den Rahmen der
Ermaechtigung in Par 14 PostVwG nicht. Sie verstosse jedenfalls nicht
gegen gebuehrenrecht- liche Grundsaetze, insbesondere nicht gegen das
Kostendeckungsprinzip und gegen das Aequivalenzprinzip. Das
Kostendeckungsprinzip gelte in seiner absoluten Konsequenz nur dort, wo es
gesetzlich vorgeschrieben sei. Eine solche Bestimmung gebe es im Postrecht
nicht. Das Aequivalenzprinzip sei gewahrt. Die streitige
Gebuehrenerhoehung halte sich in maessigen Grenzen und entspreche im
uebrigen den gesteigerten und sich noch staendig verbessernden Leistungen,
insbesondere beim Selbstwaehlferndienst im Inland und mit dem Ausland. Die
Gebuehrenerhoehung habe auch zu keiner Abschreckung der
Fernsprechteilnehmer gefuehrt. Im Gegenteil halte die Nachfrage nach neuen
Anschluessen unvermindert an. Preiserhoehungen habe die Gebuehrenerhoehung
ebenfalls nicht ausgeloest.
4. Auch der Gleichheitssatz sei nicht verletzt, weil die Finanzpolitik der
Post und auch die Gebuehrenfestsetzung im einzelnen nicht von sachfremden
Erwaegungen beeinflusst seien.
5. Auch der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gebuehrenverordnung 1964 sei
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Fernsprechverhaeltnis sei
kein Vertragsverhaeltnis, sondern ein oeffentlich-rechtliches
Nutzungsverhaeltnis, das durch die Aenderung der Nutzungsbedingungen
einseitig geaendert werden koenne. Das Rechtsstaatsprinzip und der sich
daraus ergebende Anspruch des Buergers auf Rechtssicherheit und
Vertrauensschutz fordere nicht, dass dem Buerger bei der Auferlegung einer
Mehrbelastung die Moeglichkeit einer sofortigen Beendigung des
Nutzungsverhaeltnisses eingeraeumt werden muesse. Dies koenne insbesondere
dann nicht gelten, wenn es sich - wie hier - um eine geringfuegige
Mehrbelastung fuer die Dauer eines Monats (August 1964) handle.
6. Zur Stuetzung seiner Rechtsauffassung hat der Bundespostminister ein
Rechtsgutachten von Prof. Dr. Maunz vorgelegt.
V.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich gemaess Par 82 Abs. 4 BVerfGG im
Normenkontrollverfahren dahin geaeussert, dass sein VII. Senat den Par 14
PostVwG in staendiger Rechtsprechung fuer mit dem Grundgesetz vereinbar
halte.
B.
Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Kassel und die Verfassungsbeschwerden
sind zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Die Vorlage und die Verfassungsbeschwerden sind zulaessig.
1. Dass der Beschwerdefuehrer J ... nicht ausdruecklich die Aufhebung des
Urteils des Amtsgerichts Duesseldorf vom 1. September 1965 beantragt,
sondern es nur in der Begruendung seiner Verfassungsbeschwerde erwaehnt
hat, macht diese nicht unzulaessig, weil das mit der Verfassungsbeschwerde
verfolgte Ziel sich eindeutig aus dem Zusammenhang der Ausfuehrungen ergibt
(vgl. BVerfGE 7, 111 (114)).
2. Auch wenn nicht alle Beschwerdefuehrer den Art. 2 Abs. 1 GG
ausdruecklich als verletzt ruegen, ist ihr Vorbringen dahin zu verstehen,
dass nach ihrer Meinung die gegen sie ergangenen Urteile auf
Rechtsvorschriften beruhen, die nicht zur verfassungsmaessigen Ordnung
gehoeren und die sie in ihrer durch Art. 2 Abs. 1 GG gewaehrleisteten
wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beschraenken. Art. 2 Abs. 1 GG kann
auch im Bereich der gewaehrenden Verwaltung verletzt sein, wenn es sich bei
den Vorschriften, von denen behauptet wird, sie gehoerten nicht zur
verfassungsmaessigen Ordnung, wie hier, um solche handelt, die eine Gebuehr
fuer eine Leistung erhoehen.
C.-I.
Das Postverwaltungsgesetz durfte nur mit Zustimmung des Bundesrates ergehen,
weil sein Par 14 Satz 2 anordnet, dass die Benutzungsverordnungen nicht der
Zustimmung des Bundesrates beduerfen.
1. Art. 80 Abs. 2 GG fuehrt als Rechtsverordnungen der Bundesregierung
oder eines Bundesministers, die in der Regel der Zustimmung des Bundesrates
beduerfen, an erster Stelle und ausdruecklich die Verordnungen ueber
Grundsaetze und Gebuehren fuer die Benutzung der Einrichtungen der
Bundeseisenbahnen und des Post- und Fernmeldewesens auf, weil die Laender
seit jeher ein legitimes Interesse an der Gestaltung der Tarife fuer die
Benutzung dieser Einrichtungen haben. So hatte schon die Weimarer
Reichsverfassung, in der das foederalistische Prinzip wesentlich schwaecher
ausgepraegt war als im Grundgesetz, in Art. 88 Abs. 3 vorgesehen, dass
die Verordnungen der Reichsregierung ueber Grundsaetze und Gebuehren fuer
die Benutzung der Verkehrseinrichtungen der Reichspost der Zustimmung des
Reichsrates bedurften. Diese Verfassungsbestimmung ist aller- dings durch
das Reichspostfinanzgesetz vom 18. Maerz 1924 (RGBl. I S. 287)
aufgehoben worden. Aber auch in diesem Gesetz ist die foederalistische
Tendenz in Par 6 Abs. 3 noch zu erkennen. Danach konnte der
Reichspostminister gegen einen Beschluss des Verwaltungsrates die
Entscheidung der Reichsregierung anrufen. Die Entscheidung der
Reichsregierung war aufzuheben, wenn Reichsrat und Reichstag dies binnen
drei Monaten durch uebereinstimmende Beschluesse forderten. Es wuerde dem
im Grundgesetz staerker ausgepraegten foederalistischen Prinzip
zuwiderlaufen, wenn das speziell bei Benutzungsverordnungen fuer Post und
Eisenbahn geforderte Zustimmungsrecht des Bundesrates durch einfaches
Bundesgesetz ohne seine Zustimmung beseitigt werden koennte. Damit wuerde
dieses Zustimmungsrecht weitgehend gegenstandslos.
2. Der Vorbehalt in Art. 80 Abs. 2 GG bezieht sich nicht nur auf die
Rechtsverordnungen ueber Grundsaetze und Gebuehren fuer die Benutzung von
Post und Eisenbahn, sondern auch - "sowie" - auf Rechtsverordnungen, die
aufgrund von Bundesgesetzen ergehen, die der Zustimmung des Bundesrates
beduerfen. Es waere aber von der Natur der Sache her widersinnig und
wuerde zu einer von der Verfassung nicht gewollten Verkuerzung der
Mitwirkung des Bundesrates an der Rechtsetzung fuehren, wenn das
Erfordernis der Zustimmung zu diesen Rechtsverordnungen durch ein spaeteres
einfaches Bundesgesetz ohne Zustimmung des Bundesrates beseitigt werden
koennte. Daraus folgt, man kann den Satz "vorbehaltlich anderweitiger
bundesgesetzlicher Regelung", da er fuer beide Fallgruppen gilt, nicht
dahin auslegen, dass damit auch ein einfaches Bundesgesetz und nicht nur
ein Zustimmungsgesetz gemeint sein kann. Dabei kann hier offen bleiben, ob
das spaetere, das Zustimmungsgesetz aendernde Gesetz nicht auch wegen der
AEnderung eines Zustimmungsgesetzes der Zustimmung des Bundesrates
beduerfte.
3. Diese Auslegung des Vorbehalts kann nicht durch den Einwand widerlegt
werden, dass die Faelle, in denen ein Bundesgesetz der Zustimmung des
Bundesrates beduerfe, im Grundgesetz abschliessend enumerativ aufgefuehrt
seien. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar in einem Gutachten des
Plenums fuer den Bundespraesidenten vom 22. November 1951 aufgrund des
inzwischen aufgehobenen Par 97 Abs. 2 BVerfGG ausgesprochen, dass die
Faelle, in denen ein Gesetz der Zustimmung des Bundesrates beduerfe, im
Grundgesetz einzeln ausdruecklich aufgefuehrt seien (BVerfGE 1, 76 (79)).
Das Gericht hat aber in seiner Entscheidung vom 15. Juli 1969 zum
Eisenbahnkreuzungsgesetz (BVerfGE 26, 338) die Zustimmung des Bundesrates
auch in einem Fall fuer notwendig gehalten, der im Grundgesetz nicht
ausdruecklich geregelt ist. Nach Par 16 Abs. 2 des
Eisenbahnkreuzungsgesetzes kann der Bundesminister fuer Verkehr mit
Zustimmung des Bundesrates allgemeine Verwaltungsvorschriften erlassen.
Art. 84 Abs. 2 und Art. 85 Abs. 2 Satz 1 GG ermaechtigen einerseits die
Bundesregierung zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften, enthalten
aber andererseits kein Verbot, durch Bundesgesetz auch einen
Ressortminister zum Erlass allgemeiner Verwaltungsvorschriften zu
ermaechtigen. Aus der foederativen Bedeutung von Art. 84 Abs. 2 und Art.
85 Abs. 2 Satz 1 GG hat das Bundesverfassungsgericht den Schluss gezogen,
dass auch in diesem vom Grundgesetz nicht ausdruecklich geregelten Fall
eine Ermaechtigung an einen einzelnen Bundesminister zum Erlass allgemeiner
Verwaltungsvorschriften nur durch ein Gesetz mit Zustimmung des Bundesrates
erteilt werden koenne (BVerfGE a.a.O., S. 399).
4. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass der Bundesrat
in dem 24-koepfigen Verwaltungsrat der Bundespost durch fuenf von ihm
vorgeschlagene Mitglieder vertreten ist. Denn abgesehen von der geringen
Einflussmoeglichkeit einer solchen Minderheit koennen die Beschluesse des
Verwaltungsrates von der Bundesregierung nach Par 13 PostVwG wieder
aufgehoben werden. Ebensowenig kann als Argument gegen die
Zustimmungsbeduerftigkeit der anderweitigen bundesgesetzlichen Regelung in
Art. 80 Abs. 2 GG der Hinweis darauf dienen, dass der Bundesrat auch beim
Zustandekommen eines nichtzustimmungsbeduerftigen Gesetzes keineswegs
voellig ausgeschaltet ist (vgl. BVerwGE 28, 36 (41)). Nach der Ordnung
des Grundgesetzes ist der Bundesrat beim Gesetzgebungsverfahren nie
"voellig ausgeschaltet", sondern muss immer in irgendeiner Form beim
Zustandekommen eines Gesetzes mitwirken. Wenn die Verfassung ausdruecklich
bestimmt oder dahin zu interpretieren ist, dass ein Gesetz der Zustimmung
des Bundesrates bedarf, kann es ohne diese Zustimmung gueltig nicht
zustandekommen.
5. Diese Entscheidung ist mit 5 gegen 3 Stimmen ergangen.
II.
Der Bundesrat hat dem Postverwaltungsgesetz die nach Art. 80 Abs. 2 GG
erforderliche Zustimmung erteilt.
1. Gesetze, die der Zustimmung des Bundesrates beduerfen, sind nur dann
zustandegekommen, wenn der Bundesrat mit der Mehrheit seiner Stimmen
beschlossen hat, ihnen zuzustimmen (Art. 78 und Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG).
Aus der Tatsache, dass das Gesetzgebungsverfahren ein formales Verfahren
ist, folgt, dass der Bundesrat, falls er einem Gesetz zustimmen will,
grundsaetzlich seine Zustimmung ausdruecklich beschliessen muss
(BVerfGE 8, 274 (296)).
2. Weder das Grundgesetz noch die Geschaeftsordnung des Bundesrates vom 8.
September 1950 in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. November 1950
(BGBl. S. 768) schreiben fuer die Beschlussfassung ueber die Zustimmung
zu Gesetzen eine bestimmte Form oder eine bestimmte Formulierung der
gefassten Beschluesse vor. Aus Art. 52 Abs. 3 Satz 1 GG ergibt sich
lediglich, dass ueber die Zustimmung zu einem Gesetz abgestimmt werden muss
und dass ein Beschluss nur dann gefasst ist, wenn sich mindestens die
Mehrheit der Stimmen des Bundesrates fuer den Antrag erklaert hat (BVerfGE
8, 274 (297)). Erst die Geschaeftsordnung des Bundesrates vom 31. Juli
1953 (Bekanntmachung vom 27. August 1953 - BGBl. II S. 527 -) enthaelt
ebenso wie die zur Zeit gueltige Fassung vom 1. Juli 1966 (BGBl. I S.
437) die Abstimmungsregel, Abstimmungsfragen so zu fassen, dass sich aus
der Abstimmung zweifelsfrei ergibt, ob der Bundesrat mit der Mehrheit der
Stimmen beschlossen hat, z. B. einem vom Bundestag beschlossenen Gesetz
zuzustimmen. In Par 28 Abs. 2 der im Zeitpunkt der Beratungen zum
Postverwaltungsgesetz gueltigen Geschaeftsordnung des Bundesrates vom 8.
September 1950 war dagegen lediglich die Angabe des Stimmenverhaeltnisses
bei Beschlussfassungen im jeweiligen Sitzungsbericht vorgeschrieben.
3. Wenn mithin ein aus dem Abstimmungsergebnis zu entnehmender Beschluss,
dem Gesetz zuzustimmen, nicht ausdruecklich entsprechend formuliert worden
ist, kann - jedenfalls bis zum Inkrafttreten der Geschaeftsordnung des
Bundesrates vom 31. Juli 1953 - trotzdem angenommen werden, dass der
Bundesrat dem betreffenden Gesetz zugestimmt hat, wenn besondere Umstaende
bei der Beratung und Beschlussfassung eindeutig erkennen lassen, dass der
Bundesrat mit der Vorlage einverstanden war und das Zustandekommen des
Gesetzes gewollt hat (so schon fuer das Preisgesetz BVerfGE 8, 274 (297)).
4. Solche besonderen Umstaende lagen bei der Beratung und Beschlussfassung
des Bundesrates ueber das Postverwaltungsgesetz vor. Der Berichterstatter
des Ausschusses fuer Post und Verkehr, Senator Dr. Klein, hat in der 108.
Sitzung des Bundesrates vom 22. Mai 1953 (SitzBer. BR S. 267 A-C) u. a.
folgendes ausgefuehrt:
"... Der Rechtsausschuss hat ferner geprueft, ob das Gesetz wegen
der Bestimmung des Par 3 (Vermoegen) auf Grund des Art. 134 GG
der Zustimmung des Bundesrats beduerfe. Nachdem das Gesetz ueber
das Vermoegen der Bundespost aber heute erschienen ist, wird die
Frage zu verneinen sein. ... Da es mit Zustimmung des Bundesrates
erlassen wurde, duerfte dem Erfordernis des Art. 134 Abs. 4 GG Genuege
geleistet sein. ...
... Der Rechtsausschuss hat vorgeschlagen, zunaechst darueber
abzustimmen, ob eine Zustimmungsbeduerftigkeit des Gesetzes nach
Art. 134 Abs. 4 GG gegeben sei oder nicht. Ich muss dies als
Berichterstatter vortragen, moechte aber nochmals auf meine
Ausfuehrungen ueber die inzwischen eingetretene AEnderung der Rechtslage
verweisen, die eine solche Abstimmung m. E. unnoetig macht. ..."
In der folgenden Aussprache wurde die Frage der Zustimmungsbeduerftigkeit
nicht mehr eroertert. Nach Schluss der Aussprache liess Vizepraesident
Altmeier ueber die Zustimmungsbeduerftigkeit abstimmen, die mit Mehrheit
bejaht wurde (SitzBer. BR S. 268 A/B). Gleichzeitig wurde auf den Antrag
Hamburgs beschlossen, Par 14 Satz 2 PostVwG zu streichen und deshalb den
Vermittlungsausschuss nach Art. 77 Abs. 2 GG anzurufen (BR- Drucks. Nr.
189/53).
In seiner Sitzung vom 1. Juni 1953 lehnte der Vermittlungsausschuss die
Streichung des Par 14 Satz 2 PostVwG ab. In der 110. Sitzung des
Bundesrates vom 19. Juni 1953 (Sitz- Ber. BR S. 285 A/B) teilte der
Berichterstatter, Senator Dr. Klein, mit, der Ausschuss fuer Post und
Verkehr koenne dem Bundesrat trotz des ablehnenden Beschlusses des
Vermittlungsausschusses nicht empfehlen, gemaess Art. 77 Abs. 3 GG gegen
das Gesetz Einspruch einzulegen. Das Einspruchsverfahren haette mit hoher
Wahrscheinlichkeit zur Folge, dass dieses wichtige Gesetz innerhalb der in
Kuerze zu Ende gehenden Legislaturperiode nicht mehr zustandekommen wuerde;
auch haette ein Einspruch kaum Aussicht auf Erfolg.
Zur Frage der Zustimmungsbeduerftigkeit aeusserte Senator Dr. Klein, dass
nach einstimmiger Auffassung des Ausschusses fuer Post und Verkehr nach der
Verabschiedung des Gesetzes ueber die vermoegensrechtlichen Verhaeltnisse
der Deutschen Bundespost vom 21. Mai 1953 (BGBl. I S. 225) das
Postverwaltungsgesetz nicht mehr zustimmungsbeduerftig sei.
Staatssekretaer Dr. Ringelmann (SitzBer. BR S. 285 C/D) wies darauf hin,
dass der Bundesrat in seiner Sitzung vom 22. Mai 1953 mit grosser Mehrheit
aufgrund ausdruecklicher Abstimmung die Zustimmungsbeduerftigkeit des
vorliegenden Gesetzentwurfs bejaht habe. Er stellte den Antrag, "die
Zustimmung nach Art. 78 GG zu versagen oder allenfalls nach Art. 77 Abs.
3 Satz 1 GG Einspruch einzulegen". Er hielt es fuer unbedingt notwendig,
dass die Benutzungsverordnungen nur mit Zustimmung des Bundesrates erlassen
werden koennten. Bei der folgenden Abstimmung ergab sich weder fuer den
Antrag, dem Gesetz die Zustimmung zu versagen, noch fuer den Hilfsantrag,
Einspruch einzulegen, eine Mehrheit (SitzBer. BR S. 286 B).
Nach diesem Gang der Beratung und Abstimmung im Plenum des Bundesrates ist
davon auszugehen, dass der Bundesrat dem Postverwaltungsgesetz zugestimmt
hat. Er hat - aus welchen Gruenden auch immer - die
Zustimmungsbeduerftigkeit des Gesetzes bejaht, aber die Versagung der
Zustimmung abgelehnt und auch keinen Einspruch eingelegt. Das genuegt den
unten C II 3 dargelegten Voraussetzungen.
5. Diese Entscheidung ist mit 6 gegen 2 Stimmen ergangen.
III.
Par 14 PostVwG verstoesst nicht gegen Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG.
1. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG koennen die Bundesregierung, ein
Bundesminister oder die Landesregierungen durch Gesetz ermaechtigt werden,
Rechtsverordnungen zu erlassen. Par 14 PostVwG ermaechtigt den
Bundesminister fuer das Post- und Fernmeldewesen, nach Massgabe der
Beschluesse des Verwaltungsrates oder der Bundesregierung und im
Einvernehmen mit dem Bundesminister fuer Wirtschaft die Rechtsverordnungen
ueber Gebuehren fuer die Benutzung der Einrichtungen des Post- und
Fernmeldewesens zu erlassen. Der Verwaltungsrat besteht gemaess Par 5 Abs.
2 PostVwG aus 24 Mitgliedern, und zwar
5 Vertretern des Deutschen Bundestages,
5 Vertretern des Bundesrates,
5 Vertretern der Gesamtwirtschaft,
7 Vertretern des Personals der Deutschen Bundespost, die
den bei dieser vertretenen Gewerkschaften angehoeren und
je 1 Sachverstaendigen auf dem Gebiet des Nachrichten- und
Finanzwesens.
Die Bundesregierung beruft die Mitglieder aufgrund von Vorschlaegen fuer
die Dauer einer Wahlperiode des Deutschen Bundestages in den Verwaltungsrat
(ParPar 7 und 8 PostVwG). Der Verwaltungsrat beschliesst u. a. nach Par
12 Abs. 1 Nr. 4 PostVwG ueber die Bedingungen fuer die Benutzung der
Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens einschliesslich der
Gebuehrenbemessung. Ist der Bundesminister der Auffassung, dass ein
Beschluss des Verwaltungsrates im Interesse des Bundes nicht verantwortet
werden kann, so kann er binnen vier Wochen den Beschluss der
Bundesregierung zur Entscheidung vorlegen (Par 13 Abs. 1 PostVwG). Die
Bundesregierung hat innerhalb von sechs Wochen, gerechnet von der
Mitteilung des Beschlusses des Verwaltungsrates an den Minister, zu
entscheiden (Par 13 Abs. 2 PostVwG).
2. Durch die Vorschrift des Par 14 Satz 1 PostVwG, wonach der
Bundesminister Rechtsverordnungen u. a. "nach Massgabe der Beschluesse des
Verwaltungsrates" erlaesst, wird weder der durch Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG
festgelegte Kreis der Delegatare einer Verordnungsermaechtigung erweitert,
noch wird das Prinzip der parlamentarischen Ministerverantwortlichkeit
verletzt.
a) Erlassen werden die Verordnungen immer nur vom Minister. Er allein ist
auch der Leiter der Verwaltung und dafuer verantwortlich, dass die
Bundespost nach den Grundsaetzen der Politik der Bundesrepublik Deutschland
verwaltet wird (Par 2 Abs. 1 PostVwG).
b) Der Verwaltungsrat wirkt bei den Entscheidungen des Ministers nicht
gleichberechtigt mit, wie es etwa die Bundesminister fuer Wirtschaft oder
Verkehr nach Par 14 Satz 1 PostVwG ("im Einvernehmen") tun. Der
Verwaltungsrat kann ausser im Falle des Par 12 Abs. 4 PostVwG (Fragen von
allgemeiner Bedeutung) von sich aus keine Antraege stellen, sondern hat nur
ueber Vorlagen des Ministers zu entscheiden, wobei gemaess Par 12 Abs. 2
PostVwG sein Schweigen nach Ablauf von drei Monaten als Zustimmung gilt.
c) Der Verwaltungsrat ist in seinen Entscheidungen nicht frei. So kann er
z. B. nach Par 12 Abs. 5 PostVwG gegen den Widerspruch des Ministers
weder eine Erhoehung der im Voranschlag vorgesehenen Ausgaben herbeifuehren
noch Massnahmen beschliessen, die eine Verminderung der veranschlagten
Einnahmen verursachen. Ausschlaggebend ist aber, dass nach Par 13 Abs. 1
und 2 PostVwG auf Antrag des Ministers die Bundesregierung ueber
Beschluesse des Verwaltungsrates entscheidet. Diese Bestimmung kann
verfassungskonform nur dahin ausgelegt werden, dass die Bundesregierung als
politisches Organ bei dieser Entscheidung voellig frei ist, also nicht
darauf beschraenkt sein kann, die Beschluesse des Verwaltungsrates entweder
aufzuheben oder zu bestaetigen; sie kann diese vielmehr auch inhaltlich
umgestalten. Jeder Beschluss des Verwaltungsrates unterliegt im Rahmen des
Par 13 Abs. 1 PostVwG der Entscheidung der Bundesregierung, also z. B.
auch ein solcher, der eine vom Minister vorgeschlagene Gebuehrenerhoehung
ablehnt.
3. Da die Wirksamkeit der Beschluesse des Verwaltungsrates letztlich immer
von der Entscheidung der Bundesregierung abhaengig ist, die selbst
Delegatar einer Verordnungsermaechtigung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG
sein kann, ist die in Par 14 Satz 1 PostVwG dem Bundesminister fuer das
Post- und Fernmeldewesen erteilte Ermaechtigung, nach Massgabe der
Beschluesse des Verwaltungsrates Rechtsverordnungen zu erlassen,
verfassungsmaessig (so auch BVerwGE 28, 36 (44)).
4. Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
IV.
Die in Par 14 Satz 1 PostVwG enthaltene Ermaechtigung zum Erlass von
Rechtsverordnungen ist auch mit Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Sie ist
nach Inhalt, Zweck und Ausmass hinreichend bestimmt (vgl. auch BVerwGE 28, 36
(44 f.)).
1. Inhalt, Zweck und Ausmass der Ermaechtigung muessen im Gesetz bestimmt
werden. Das bedeutet nicht, dass Inhalt, Zweck und Ausmass der
Ermaechtigung im Text des Gesetzes ausdruecklich bestimmt sein muessen.
Vielmehr sind auch Ermaechtigungsnormen der Auslegung nach allgemeinen
Grundsaetzen zugaenglich. Insbesondere ist der Sinnzusammenhang zu
beruecksichtigen, in den die Ermaechtigung gestellt ist, und das Ziel, das
die gesetzliche Regelung insgesamt verfolgt (vgl. BVerfGE 8, 274 (307)).
2. a) Der Inhalt der Ermaechtigung ergibt sich unmittelbar aus Par 14
PostVwG: naemlich u. a. Gebuehrenverordnungen fuer die Benutzung der
Einrichtungen des Post- und Fernmeldewesens zu erlassen. Was unter Post-
und Fernmeldewesen im Sinne des in Art. 73 Nr. 7 GG gleichlautend
gebrauchten Begriffes zu verstehen ist, ergibt sich hinreichend deutlich
aus der historischen Entwicklung und nach dem allgemeinen Sprachgebrauch
(vgl. BVerfGE 12, 205 (226 f.)).
b) Der Zweck der Ermaechtigung ergibt sich aus den einzelnen Vorschriften
des Postverwaltungsgesetzes, insbesondere aus seinem Par 15 Abs. 1.
Danach muss die Bundespost, deren Vermoegen als Sondervermoegen des Bundes
mit eigener Haushalts-und Rechnungsfuehrung von dem uebrigen Vermoegen des
Bundes nach Par 3 Abs. 1 PostVwG getrennt zu halten ist, ihren Haushalt so
aufstellen und durchfuehren, dass sie die zur Erfuellung ihrer Aufgaben und
Verpflichtungen notwendigen Ausgaben aus ihren Einnahmen bestreiten kann.
Zu diesen Ausgaben gehoeren nicht nur die Kosten fuer die von ihr
angebotenen Dienste, sondern u. a. auch die gemaess Par 21 Abs. 3
PostVwG an den Bund zu leistenden Ablieferungen in Hoehe von mindestens 6
v.H. der Betriebseinnahmen, ferner die Bildung und Erhaltung einer
Ruecklage von 100 Millionen DM zur Deckung von Fehlbetraegen nach Par 20
Abs. 1 PostVwG. Hinzu kommen die staendigen hohen Ausgaben aus der
Verpflichtung der Bundespost nach Par 2 Abs. 3 PostVwG, ihre betrieblichen
Anlagen nach den Anforderungen des Verkehrs technisch weiter zu entwickeln
und zu vervollkommnen. Im Rahmen der Haushalts- und Finanzpolitik muessen
schliesslich die allgemeinen politischen Lasten der Bundespost (z. B.
Versorgung der ehemaligen Angehoerigen der Deutschen Reichspost nach dem
Gesetz zu Art. 131 GG) beruecksichtigt werden. Da andererseits nach Par
15 Abs. 1 Satz 2 PostVwG Zuschuesse aus der Bundeskasse nicht geleistet
werden, koennen die Mittel fuer die vielseitigen Aufwendungen im
wesentlichen nur aus dem Gebuehrenaufkommen gewonnen werden, dessen Zweck
damit hinreichend begrenzt ist.
c) Aus der Begrenzung des Zwecks der Ermaechtigung durch den Zusammenhang
der genannten Bestimmungen in den ParPar 2 Abs. 3, 15 Abs. 1, 20 und 21
PostVwG ist auch das Ausmass der Ermaechtigung erkennbar (vgl. so schon
BVerfGE 4, 7 (22); 8, 274 (318)). Der Grundsatz, dass die Post ihre
Ausgaben aus den Einnahmen bestreiten muss, die im wesentlichen nur aus den
Gebuehren bestehen, zieht gleichzeitig eine Grenze fuer das Ausmass der
Gebuehren. Ferner sollen nach Par 22 Abs. 2 PostVwG Kredite nur zur
Schaffung von Anlagewerten aufgenommen werden; ihre Verzinsung und Tilgung
aus den Gesamtbetriebseinnahmen muss dauernd gewaehrleistet sein. Damit
ist zugleich ausgesagt, dass die sonstigen Ausgaben aus den Einnahmen
finanziert werden sollen.
Schon diese Vorschriften machen es unmoeglich, von der Ermaechtigung in Par
14 PostVwG in nicht voraussehbarer Weise Gebrauch zu machen. Hinzu kommt,
dass auch die historische Entwicklung unter Beruecksichtigung der
bisherigen Verordnungspraxis im Post- und Fernmeldewesen sowie die
Weltpostvertraege und die Vertraege ueber die Internationale Fernmeldeunion
einschliesslich der dazu erlassenen Vollzugsordnungen das Ausmass der
Ermaechtigung des Par 14 PostVwG beeinflussen und zugleich mitbestimmen.
Die Weltpostvertraege und die Vertraege ueber die Internationale
Fernmeldeunion mit ihren Vollzugsordnungen, die u. a. auch
Auslandsgebuehren fuer postalische Dienste festsetzen, beeinflussen und
begrenzen die Inlandsgebuehren insofern, als letztere in Deutschland stets
unter dem entsprechenden Niveau der Auslandsgebuehren gelegen haben.
3. Hiernach sind Inhalt, Zweck und Ausmass der Ermaechtigung hinreichend
deutlich bestimmt. Deshalb koennen fuer die Bestimmtheit der Ermaechtigung
nicht noch zusaetzlich ins einzelne gehende gesetzliche Vorschriften ueber
die Eigenkapitalbildung und ueber den Kostenausgleich zwischen den
verschiedenen Dienstzweigen der Post verlangt werden. Dies wuerde die
Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG ueberspannen. Fuer einen
Betrieb wie die Bundespost, der wegen seiner Monopolstellung verpflichtet
ist, auch unwirtschaftliche Dienste anzubieten, kann das jedenfalls nicht
gelten. Insoweit ist die Lage der Bundespost keine andere als die der
Deutschen Bundesbahn, wie sie sich aus dem Bundesbahngesetz vom 13.
Dezember 1951 (BGBl. I S. 955) ergibt. Fuer die Bundesbahn hat aber das
Bundesverfassungsgericht den innerbetrieblichen Kostenausgleich als
gerechtfertigt anerkannt (vgl. BVerfGE 16, 147 (175)).
4. Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
V.
Die Gebuehrenverordnung 1964 verletzt keine Grundrechte der Beschwerdefuehrer
und verstoesst auch nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip.
1. Art. 2 Abs. 1 GG ist nicht verletzt, weil die Verordnung auf einer
gueltigen Ermaechtigung beruht und sich im Rahmen dieser Ermaechtigung
haelt, also zur verfassungsmaessigen Ordnung gehoert.
2. Die Gebuehrenerhoehung verstoesst auch nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Sie ist zwar fuer alle Fernsprechteilnehmer ziffernmaessig gleich und
differenziert nicht nach Einkommen oder sozialer Stellung. Das ist aber
bei Gebuehren dieser Art sachgerecht.
3. Art. 14 GG ist auf die hier zu entscheidenden Faelle ueberhaupt nicht
anwendbar. Die Rechtsbeziehungen der Beschwerdefuehrer zur Bundespost
beruhen auf einem von ihnen freiwillig eingegangenen
oeffentlich-rechtlichen Nutzungsverhaeltnis, das sie unter Einhaltung der
gesetzlichen Kuendigungsfrist jederzeit loesen koennen.
4. Die Gebuehrenverordnung 1964 ist am 21. Juli 1964 im Bundesanzeiger
bekanntgemacht worden und am 1. August 1964 in Kraft getreten. Nach Par
18 Abs. 2 FernsprO in Verbindung mit Par 2 Gebuehrenverordnung 1964 konnte
jeder Teilnehmer das Nutzungsverhaeltnis fruehestens zum 1. September 1964
kuendigen, musste also zumindest fuer den Monat August die erhoehten
Gebuehren zahlen. Das verstoesst nicht gegen den aus dem
Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatz des Vertrauensschutzes. Denn
dieser Grundsatz schuetzt nicht die blosse Erwartung, dass z. B. ein
bestimmter Steuersatz auch in Zukunft unveraendert fortbestehe (BVerfGE 14,
76 (104)). Dasselbe gilt fuer Gebuehren- festsetzungen.
5. Die Gebuehrenverordnung 1964 wahrt auch den Grundsatz der
Verhaeltnismaessigkeit. Die Gebuehrenerhoehung steht nicht ausser
Verhaeltnis zu den angebotenen Leistungen, weil die Fernsprecheinrichtungen
nicht nur staendig verbessert worden sind, sondern die Kosten hierfuer
mindestens in gleicher Hoehe gestiegen sind wie die Gebuehren. Abgesehen
davon verursacht das dauernde Bereithalten der Einrichtungen des
Fernsprechverkehrs staendig hoehere Leerkosten, weil die Zahl der
Fernsprechanschluesse laufend zunimmt. Dies kommt wiederum jedem einzelnen
Fernsprechteilnehmer zugute.
6. Diese Entscheidung ist einstimmig ergangen.
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